Epping Forest – Hambacher Forst

Epping Forest ist das größte Wald- und Landschaftsschutzgebiet von Groß-London und was von ihm blieb ist heute der Stolz der Großstadt, nachdem der Wald lange bedroht war und verkleinert wurde. Zu seiner Rettung hat die Commons Preservation Society (heute Open Space Society) Ende des 19. Jahrhunderts viel getan und erreicht. William Morris, der in der Nähe dieses Waldes aufwuchs, war daran beteiligt und 1895 setzte er sich persönlich gegen neue Abholzungen ein. In drei abgedruckten Leserbriefen an den Daily Chronicle verteidigte er Epping Forest gegen kommerzielle Nutzungsvorhaben und trat für die Erhaltung seines besonderen Charakters ein. Den dritten dieser Briefe übersetzen wir hier und alle Briefe sind nachlesbar in Three Letters on Epping Forest, einer Veröffentlichung der wissenschaftlichen Zeitschrift Organization and Environment (1998), mit Vorwort von John Bellamy Foster.


An den Herausgeber des Daily Chronicle

Sir,
gestern habe ich nun meine Absicht, Epping Forest zu besuchen, ausgeführt. Zuerst ging ich nach Loughton, wo ich sehen konnte, was im Bereich der Clay Road geschehen ist, dann nach Monk Wood, weiter nach Theydon Woods und schließlich über Fair Mead Bottom zu dem Teil um Chingford Hotel, schließlich nach Bury Wood und dem Wald auf der anderen Seite der Straße.
Ich kann weitgehend den Bericht ihrer Mitarbeiter über die Arbeiten im Bereich Clay Road bestätigen, die eine häßliche Narbe darstellen, die ursprünglich vom Lord des Herrenhauses verursacht wurden, als er geruhte, die Baufirma auf einen Teil dessen zu schicken, was er als sein Eigentum betrachtete. Die Fällungen hier erscheinen mir als reine Zerstörung an dem Wald und sind für mich wirklich völlig unverantwortlich, wie sicherlich auch für jeden vorurteilslosen Menschen. Ich kann nichts erkennen was dafür sprechen würde, weder von Seiten des Nutzens noch des Geschmacks.
Bei Monk Wood wurden viele – ich würde sagen exzessiv viele – offensichtlich ganz gesunde Bäume gefällt. Es ist ein sehr schöner Fleck und man sagte mir, dass die Bäume dort lange Zeit vor dem Erwerb für die Öffentlichkeit nicht gestutzt worden waren. Nichts könnte interessanter und romatischer sein als der Effekt der langen, von den gekappten Stämmen aufstrebenden Triebe der Hainbuchen vor dem Hintergrund dichten Waldes. Dieses Waldstück sollte eifersüchtig als ein Schatz an Schönheit gehütet werden – so nah zu „the Wen“*. In Theydon Woods, wo Buchen vorherrschen, geschah eine große Zahl an Fällungen, nach meiner Einschätzung ganz unnötig und deshalb schädlich. Auf der Straße zwischen Wake Arms und King’s Oak Hotel waren wieder viele Fällungen, sichtlich zerstörerisch.
In Bury Wood (bei Sewardstone Green) sahen wir die Stümpfe einer großen Zahl Eichen, alle waren gesund gewesen und eine große Anzahl stand noch, markiert für die Fällung, die jedoch, wie wir hörten, durch die Mehrheit des Expertenkomitees gerettet wurden. Ich kann nur sagen, dass es, wären sie verloren, ein großes Unglück gewesen wäre. In fast jedem Fall zeigten die Stümpfe der gefällten Bäume keinen Grund für ihr Abholzen. Der Wald auf der anderen Seite der Straße nach Bury Wood (auf der Karte als Woodman’s Glade bezeichnet) hat keine Rodungen erlitten und steht als Lehrobjekt, wie um zu zeigen, wie unnötig diese Rodungen sind. Es ist einer der dichtesten Teile des Waldes und sieht in jedem Aspekt so aus, wie solche Wälder vor vierzig Jahren waren: die Kronen der Hainbuchen langsam wachsend, keine Schwierigkeit bietend, nach allen Richtungen durchzukommen. Es hat einen besonderen eigenen Charme, der in keinem anderen Wald zu finden ist; kurz gesagt, er ist durch und durch charakteristisch. Ich sollte dazusagen, dass diese Wälder nur aus gestutzten Hainbuchen und hohen Eichen bestehen.

Was ich an einem langen Inspektionstag sah zwingt mich zu sagen, dass – obwohl zweifellos mit den besten Absichten – die Administration des Forstes auf einem falschen Weg ist. Es ist ein gegen die Natürlichkeit des Waldes geführter Krieg, den der Parlamentsbeschluss bei der Widmung für die Allgemeinheit ausdrücklich verhindern wollte. All diese Fällungen haben die Tendenz, auf der einen Seite unseren Londoner Forst in einen Park zu verwandeln, der mehr oder weniger wie die anderen Parks sein wird. Auf der anderen Seite um Bäume in der Größe zu bekommen, wie sie der Holzmarkt nachfragt. Man erlaube mir hier das kurze Zitat aus einem exzellenten Forst-Handbuch des Forstmeisters Edward North Buxton (Stanford 1885). Er schreibt: „In den trockeneren Teilen des Forstes übernehmen Buchen in großem Maße den Platz der Eichen. Diese „Speer“-Bäume werden gutes Bauholz für spätere Generationen bilden, vorausgesetzt sie erhalten zur richtigen Zeit Aufmerksamkeit und werden vor dem konkurrierenden Wachstum der unansehnlichen, gekappten Hainbuchen geschützt. Im ganzen Wald zwischen Chingford und Hich Beach wurde das in letzter Zeit gemacht zum großen Vorteil der höherwertigen Bäume …“
Das kursiv gesetzte ist durch mich hervorgehoben und ich frage, Sir, benötigen wir noch weitere Beweise als diesen von einem der Waldpfleger über die Absicht hinter den Baumfällungen? Mr. Buxton erklärt in so vielen Worten, dass er den besonderen Charakter des Forstes verändern will um dieses eigenartige, beispiellose und höchst romantische Gehölz zu beseitigen und uns nichts als das Gewöhnliche übrig zu lassen. Ich bestreite absolut sein Recht zu diesem Tun entgegen dem Beschluss des Parlaments. Ich behaupte wie in meinem früheren Brief, dass die Hainbuchen die wichtigsten Bäume in diesem Wald sind, weil sie ihm seinen besonderen Charakter verleihen. Gleichzeitig würde ich aber nicht die Hainbuchen auf Kosten der Buchen bevorzugen oder die Buchen auf Kosten der Hainbuchen. Ich würde sie alle der Natur lassen, die nach allem nicht so geizig ist, sogar auf dem Schotterboden des Epping Forest. Was man beispielsweise sehen kann an Stellen, wo Waldbrände Flächen entblößten und in kurzer Zeit Birken durch Selbstaussaat aufwuchsen.
Das Komitee des Common Council hat jetzt Epping Forest seit 17 Jahren in der Hand und hat, wie mir gesagt wurde, in dieser Zeit 100.000 Bäume gefällt. Ich denke, die Öffentlichkeit kann nun mehr als berechtigt im Namen des Waldes einen Stopp fordern. Wenn die Fällungen so weitergehen, wird er als naturnaher Wald ruiniert werden. Und diese sofortige Forderung ist richtig und notwendig, wenn uns trotz aller entstellenden Eingriffe der nördliche Teil des Waldes von Sewardstone Green bis nahe Epping noch geblieben ist – kein anderer Wald in der Nähe einer Großstadt übertrifft ihn an Bedeutung.

Hochachtungsvoll
William Morris


*The Great Wen – eine anderes Wort für London von William Cobbett, die Stadt mit einem Geschwür vergleichend.
Bleibt noch die Frage, warum die Bäume in Epping Forest gekappt wurden. Es handelt sich um eine alte Form der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, dazu mehr hier oder hier.

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