G. D. H. Cole: Für eine konstruktive sozialistische Politik

Vorbemerkung:  Es ist die Aufgabe von Sozialisten, für eine alternative Wirtschaftsweise geistig und praktisch vorzuarbeiten und in der jeweiligen Situation gangbare Wege vorzuschlagen.  Die Verfügungsmacht einer winzigen Minderheit über Produktion und Verteilung muss gebrochen werden, die breite Bevölkerung muss einen realistischen Weg sehen und gehen, selbst zu bestimmen. Das ist gerade heute notwendig: der Kapitalismus in einer letzten Scheinblüte wird immer destruktiver, besitzt aber noch die Hegemonie über das Denken in der Gesellschaft.  Wenn die Sozialisten sich dieser Aufgabe nicht stellen, wird der Slogan „there is no alternative“ in der Tat wahr werden.  Das bedeutet in einer Situation, in der die heile Welt der Profitökonomie ins Trudeln kommt, Ratlosigkeit und die bewusste Ersetzung des Kapitalmanagements durch eine demokratische Leitung der Wirtschaft wird sehr schwierig oder unmöglich werden.
Diesen Text von Cole aus den dreissiger Jahren halten wir deshalb für unbedingt lesenswert für alle, die wir im Engagement im Kleinen, in reiner Kapitalismuskritik oder in superrevolutionären Parolen steckengeblieben sind.  Es geht dabei nicht um die Übertragbarkeit von Einzelheiten, sondern um die nüchterne und konsequente Haltung, die Cole, der die sozialistische Bewegung immer als Ganzes sah, besonders auszeichnete.

Einige Kernpunkte der sozialistischen Propaganda.
Eine Schrift für unsere Zeit.
(1932)

Die vertraute Ansicht über den Kapitalismus ist die, dass er bei allen moralischen Schwächen und seinem Scheitern an der Schaffung wirtschaftlicher Gerechtigkeit und darin, die besten Motive in den Menschen anzusprechen, irgendwie doch funktioniert und das besser, als es von irgendeinem alternativen System erwartet werden könnte.  Wir werden eingeladen, die Komplexität der modernen Gesellschaft zu betrachten, die unterschiedlichen Motive und miteinander vermischten Stärken und Schwächen der menschlichen Natur, die Notwendigkeit von Elastizität und Unternehmungsgeist in der Meisterung der wirtschaftlichen Organisation der Gesellschaft angesichts ständig wechselnder Möglichkeiten und Bedürfnisse, um im Ganzen genommen zum Schluss zu kommen, dass der Kapitalismus genau die Eigenschaften besitzt, um aus einer sehr schwierigen Aufgabe das Beste zu machen.  Wir sind aufgerufen, die vergangenen Erfolge der Welt und besonders die Errungenschaften der letzten hundert Jahre unter dem kapitalistischen System zu würdigen – den erstaunlichen Zuwachs an Produktivkraft und Reichtum in der Welt, den Anstieg des Lebensstandards seit der industriellen Revolution und die gemachten Fortschritte hin zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Reichtums trotz aller gebliebenen Ungleichheiten.  Der Kapitalismus, wird uns gesagt, hat all das getan und wird noch mehr tun, wenn es ihm erlaubt wird, sein gutes Werk weiterzuführen.  Aber noch immer gäbe es närrische Leute, die das verwerfen und die Kontinuität der soliden Vorteile, die er der Welt gebracht hat, gefährden wollen zugunsten eines unerprobten und sogar undefinierten Experiment mit etwas, das vage Sozialismus genannt wird – etwas, worüber kaum zwei Sozialisten einer Meinung sind.

Es muss nicht geleugnet werden, dass das eine überwältigende Verteidigungsrede ist, in der viel unbestreitbare Wahrheit liegt.  Sie ist umso beeindruckender, als sie mit den menschlichen Ängsten spielt, die abgesehen von außergewöhnlichen Aufwallungen im menschlichen Kopf dazu angetan sind, mächtiger zu sein als die menschlichen Hoffnungen.  Sie fragt, willst Du das in Gefahr bringen, was Du jetzt hast?   Es mag wenig sein aber ist doch etwas und gehört dir und ist in den meisten Fällen um einiges mehr, als dein Vater oder Großvater besaßen.  Die Sozialisten wollen euch das wegnehmen, sagen dann die, die eine gröbere Angriffsweise verfolgen.  Sozialismus setzt das aufs Spiel, sagt der subtilere Verfechter, der seinem Zweck mehr geholfen weiß durch das Schüren von Angst als durch Ressentiments.

Denn in einem fortgeschrittenen Land wie Großbritannien haben wir unter dem Kapitalismus wenigstens einen Punkt erreicht, an dem die meisten Leute meinen, dass sie etwas zu verlieren haben.  Sicher sind auch noch viele andere übrig – die Bewohner der Slums und die Ausgestoßenen, die ständig nah an der Elendsgrenze leben – und in den letzten Jahren wurde ihre Zahl durch Tausende anderer verstärkt, die vorher relativ gut gestellt, durch lange Arbeitslosigkeit unter die Armutsgrenze gedrückt wurden.  Trotz diesem abgeschriebenen Zehntel und der Langzeitarbeitslosen bleibt es richtig, dass im Großbritannien von heute die Mehrzahl der Menschen etwas zu verlieren hat.

Das Bewusstsein der Wähler.

Dieser Umstand beeinflusst wesentlich ihre Fähigkeit und ihren Willen, sozialistische Ideen aufzunehmen.  Wenn man zu einem Arbeiter mit eigenem Haus und kleinen Ersparnissen und einem einigermaßen regulären Job geht und ihm erzählt, dass das kapitalistische System am Zusammenbrechen sei und dies ein Chaos an Elend und Unordnung zur Folge haben wird, aus dem schließlich der Sozialismus entstehen wird, dann wird seine Reaktion sein, nicht mir dir zusammen die neue sozialistische Ordnung aufzubauen, sondern sich der Verteidigung des Kapitalismus anzuschließen um das, was er hat, zu bewahren.  Er schätzt seine spärliche und hart gewonnene halbe Sicherheit zu sehr, um bereit zu sein, das wegzuwerfen auf der Suche nach einem Ziel, das nur auf einem Weg durch eine Katastrophe erreicht werden kann.  Er wird sagen, wenn er seine Meinung ausspricht, dass er sich Risiken nicht leisten kann.  Er müsse an seine Frau und seine Kinder denken, die kleinen Befriedigungen seines gewohnten Lebens schützen und vielleicht die Hoffnung, dass seine Kinder einen besseren Start und bessere Chancen im Leben haben werden, wenn er vorsichtig ist und die „wilden Männer“ von beiden Seiten auf Abstand hält.  Denn in einer Zivilisation wie der unseren ist es nur natürlich und unvermeidbar, dass alle Eltern, die für ihre eigene Sicherheit hart kämpfen mussten und diese in einem bestimmten Grad erreicht haben, ernsthaft wollen müssen, dass ihre Kinder eine Stufe in der sozialen Leiter aufsteigen.  Das ist nicht Snobismus, es ist schlicht das allgemeine Verständnis.  Denn warum sollten Männer und Frauen nicht das Recht haben, das Beste für ihre Kinder anzustreben, die sie in die Welt gesetzt haben?   Und solange Klassenunterschiede bestehen, wird es vorzuziehen sein, lieber höher als niedriger in der sozialen Rangfolge zu stehen.

All das ist natürlich ein Zeichen der großen Kluft, die die mentalen Bedingungen des heutigen Großbritannien von denen des vorrevolutionären Russland unterscheidet.  Denn in Russland hatte der gewöhnliche Arbeiter nicht diese Rücklage von etwas, von dem er dachte, dass er es verlieren könnte.  Chaos und Unordnung waren kein Schrecken für ihn, denn er war sich von nichts bewusst, das sicher seins war und das ihm genommen hätte werden können.  Das soll nicht heißen, dass seine Bedingungen sich nicht hätten verschlechtern können und sich für einige Zeit nach der russischen Revolution nicht tatsächlich auch verschlechtert haben.  Der Punkt ist nicht, dass er am tiefsten Punkt des Elends war, sondern nicht das Bewusstsein von etwas Festzuhaltendem hatte, das der Sozialismus oder die Revolution ihm hätte wegnehmen können.  Besitz und Sicherheit gab es für ihn nicht, geschweige denn in einem Maß wie dem der Besitztümer eines beträchtlichen Teils der englischen Arbeiterklasse.

Daraus folgt, dass die Propaganda des bevorstehenden Kollapses, so sehr geliebt von gewissen sozialistischen Richtungen, keine Erfolgschance bei einem großen Teil der Wählerschaft der Arbeiterklasse Großbritanniens hat und das am wenigsten bei den bestbezahlten und am sichersten beschäftigten Teilen dieser Wählerschaft.  Diese Leute, die ihr Haus gekauft haben oder die auf der Kooperativ- oder Postbank eine kleine Summe deponiert haben oder in Pfandbriefen oder anderen, einen gewissen Zins abwerfenden Papieren angelegt haben, sie vernehmen nichts als Alarmsignale bei dem Hinweis, dass es mit dem kapitalistischen System ans Absterben ginge.  Mag sein, dass sie Sympathien für die Radikalen haben, dass sie eine gleichmäßigere Verteilung des Reichtums wollen.  Sie mögen begeisterte Gewerkschaftler sein oder in Kooperativen arbeiten.  Sie folgen vielleicht sogar der einen der anderen Art des sozialistischen Glaubens.  Aber entschieden wollen sie das nicht einbüßen, was sie bereits besitzen, bis sie sich nicht ganz sicher sind, dass sie ein entschädigendes Äquivalent dafür bekommen werden und dass sie es bekommen ohne das Zwischenspiel eines Albtraums an sozialem Chaos und „zunehmendem Elend“.   Viele von ihnen würden gern den Sozialismus in einer geordneten Entwicklung aus dem Existierenden herauswachsen sehen.  Aber die Umwandlung muss, wenn sie daran mitwirken sollen, glatt und schmerzfrei vorstellbar sein.  Sie sind die geborenen Anhänger der „Unvermeidbarkeit des Gradualismus“.

Keine Proletarier.

Im Gegenteil, jene die mit Vorliebe die Doktrin des bevorstehenden Zusammenbruchs des Kapitalismus und des Aufstiegs des Sozialismus nach einer Zwischenperiode aus den Ruinen des Kapitalismus heraus predigen, sind zum größeren Teil die déclassés der sozialistischen Bewegung.  Sie sind entweder ihre Intellektuellen, ausgestattet mit einem eifrigen Glauben an den Sozialismus, der sich über individuelle Überlegungen hinwegsetzt oder sie sind die déclassés der körperlichen Arbeit – Menschen die nie eine Halb-Sicherheit hatten oder noch mehr jene, die nur deren Verlust erfahren haben – der Halb-Sicherheit, die als Belohnung für gelernte Zuarbeit für ihre glücklicheren Arbeitskollegen kommt.  Der Kohlekumpel oder Werftarbeiter, der gewöhnt ist, seine vier, fünf oder sechs Pfund in der Woche zu verdienen und der jetzt von der „Stütze“ lebt, wenn er sie überhaupt bekommt, geht vielleicht zu den Kommunisten.  Der Sozialist der Mittelklasse mit einer Passion für Gleichheit und den das Geldscheffeln und der Snobismus seiner Umgebung abstößt, wird den Sozialismus um jeden Preis suchen.  Aber der gewöhnliche Gewerkschafter oder Beschäftigte in Kooperativen wird genauso wie der kleine Geschäftsmann, Beamte oder Lehrer viel weniger zu riskanten Experimenten geneigt sein.  Er wird murren, aber, das wenigstens in Großbritannien, er fühlt, dass er irgendeinen Anteil hat an diesem Land, auch wenn dieser klein ist.  Er hat kein „proletarisches“ Bewusstsein und keine Propaganda wird es ihm geben.  Denn wenn er auch eine Welt zu gewinnen hat, ist es einfach nicht wahr, dass er nichts zu verlieren hätte als seine Ketten.

Daraus folgt, dass je mehr die Sozialisten hinausziehen um den Untergang des Kapitalismus zu predigen und das zum zentralen Punkt ihrer Aufrufe machen, umso sicherer werden sie, anstatt die Arbeiter fest hinter sich zu vereinen, einen großen Teil der Männer und Frauen der Arbeiterklasse in Feindschaft und Opposition gegen die sozialistische Sache hineindrängen.  Diese Feindschaft mag dann immer noch gemischt sein mit Sympathie für das sozialistische Ideal, aber Sympathie wird auf Dauer nicht reichen um etwas zu wählen oder für etwas zu arbeiten, das das kapitalistische System weiter den Hügel hinab treiben will.  Denn sie glauben, dass ihre unmittelbaren Interessen – die Sicherheit ihrer Ersparnisse, die Aussicht auf kontinuierliche Beschäftigung und die Höhe ihres Lohns – mit dem erfolgreichen Funktionieren des kapitalistischen Systems verbunden sind.  Sympathie lässt sie eine Stimmung für die Gleichheit hochleben oder ein sozialistisches Prinzip unterstützen, aber ihre Wählerstimmen und ihre Taten werden hauptsächlich durch ihre Ängste bestimmt sein.  Sie wären tatsächlich noch vielmehr dafür entschlossen, gäbe es nicht als Gegengewicht die Loyalität zur Gewerkschaftsbewegung, die ihre Löhne und Arbeitsbedingungen verteidigt und sie bittet, Labour zu wählen, wenn Wahlen anstehen.

Sozialismus und Gewerkschaften.

Sozialisten haben sich in der Vergangenheit, weit mehr als es ihnen selbst bewusst war, auf des Zusammengehörigkeits- und Loyalitätsgefühl unter den organisierten Teilen der Arbeiterklasse verlassen.  Sie betrachteten die Stimme eines Gewerkschaftsmitglieds fast wie nach Fug und Recht als ihnen zustehend und waren genauso einhellig überrascht und verärgert, als die Kooperativ-Bewegung ihre Potential nicht zu ihnen umleiten konnte.  Aber vor kurzem hatten sie ein unsanftes Erwachen, oder sie sollten es gehabt haben.  Denn die deutlichste aller Tatsachen, die die Allgemeine Wahl von 1931 offengelegt hat, ist, dass diese instinktive Loyalität nicht länger ausreicht, um den kontinuierlichen Fortschritt des politischen Sozialismus zu sichern.  Die stärksten gewerkschaftlich geprägten Wahlkreise haben in vielen Fällen die überraschendsten Labour-Niederlagen verzeichnet und sogar die traditionelle Solidarität der Bergarbeiter wurde geschlagen.  Fast nirgendwo außerhalb von Süd-Wales, wo proletarische déclassés in der Bevölkerung überwiegen, gibt es noch Wahlkreise, die Labour sozusagen in der Tasche hat.

Diese Situation verlangt offensichtlich nach einer kompletten Überholung sowohl der Politik wie der Methoden der Propaganda, nicht nur der von Labour, sondern aller Teile der sozialistischen Bewegung.  Aber es ist möglich, ausgehend von einer übereinstimmenden Diagnose dessen, was passiert ist, zu ganz verschiedene Schlussfolgerungen über das zu kommen, was zu tun ist.  Eine mögliche Moral aus dem Labour-Debakel ist jene, die die ehemaligen Führer der Labour Party, jetzt Protagonisten der „Nationalen“ Regierung, offenbar sehnlichst daraus ziehen wollen.  Die jetzige Situation bestätigt ihrer Meinung nach vollkommen und endgültig die Haltung, die sie schon immer vertraten.  Die Labour Party, behaupten sie, wurde deshalb besiegt, weil sie es ablehnte, die Schritte zu unternehmen – die unangenehmen und zeitweilig rückwärts gehenden Schritte – die notwendig seien, um das erfolgreiche Funktionieren des Kapitalismus angesichts der Krise abzusichern.  Sie habe vergessen, dass die meisten Menschen, selbst die der Arbeiterklasse, lieber den Kapitalismus weiter machen lassen als sie den Sozialismus wollen und eher bereit sind, einen Schritt zurück zu machen, als das Risiko mit einem prekären Schritt einzugehen.  In dieser Darstellung heißt die Moral für die Zukunft, dass die Labour Party, wenn sie die Wählerschaft mitziehen soll, sich unbedingt auf einer noch moderateren Basis reorganisieren muss und, koste was es wolle, den Kapitalismus am Laufen halten müsse, bis der Weg für den Sozialismus durch eine graduelle Ausweitung des Sozialstaats völlig frei gemacht sei.  Begleitet, wenn sich die Möglichkeit ergibt und die kapitalistische Opposition nicht zu Respekt einflößend ist, durch langsame Infusion von sozialistischen Mechanismen in die bestehende Wirtschaftsordnung.  Der Sozialismus soll demnach aus dem Kapitalismus durch einen graduellen, nicht abrupten und schmerzfreien Übergang herauswachsen und es dürfe dabei nichts getan werden, was in der Zwischenzeit das glatte und erfolgreiche Funktionieren des zu ersetzenden Systems hindert.

Die Unmöglichkeit des Macdonaldismus.

Diese Politik hat nur einen Fehler – ihre Unmöglichkeit.  Sie ist, davon abgesehen, bewundernswert verpackt um die Wählerschaft zu gewinnen, die nichts lieber hätte als für zunehmende Portionen sozialer Gerechtigkeit und Organisation zu stimmen, ohne irgendein Risiko einzugehen.  In Wirklichkeit aber, wie zwei Labour-Regierungen unter einer Führung, die hauptsächlich diesem politischen Konzept folgte, klar bewiesen haben, ist das Ergebnis eine fast komplette Lähmung.*  Nichts wird getan, weil nichts getan werden kann – d.h., um den Sozialismus aufzubauen: ohne das Vertrauen des Kapitals zu unterminieren, kann man die kapitalistischen Profite nicht anfressen, um Investitionen und Unternehmen zu steuern.  Die Labour-Regierungen, die nicht in der Lage waren, konstruktive sozialistische Maßnahmen zu ergreifen, versuchten ihre Existenz zu rechtfertigen und ihr Scheitern zu verdecken, indem sie etwas aus der kapitalistischen Orange herauspressten.  Aber, zumindest in der jetzigen Zeit ist es so, dass Saftorangen nicht Saison haben und ein Weitermachen auf der Straße der Umverteilung der Einkommen durch höhere Besteuerung scheint effektiv versperrt.  Das nimmt den „Moderaten“ ihre Politik vollständig weg und lässt ihnen absolut sicher keine mehr übrig, die es ihnen ermöglichen würde, der Wählerschaft mit einer Liste greifbarer Erfolge gegenüberzutreten.  Es untergräbt das Vertrauen und den Willen des kleinen Teils ihrer Unterstützer, die überzeugte Sozialisten sind und nach einer konstruktiven sozialistischen Politik suchen.  Und das spielt eine große Rolle, denn diese Minderheit macht die Kerngruppe der Propagandisten und freiwilligen Helfer von Labour aus.  Ohne aktive Unterstützung und das Vertrauen dieser überzeugten Unterstützer hat Labour keine Macht auf seiner Seite, um den finanziellen Ressourcen seiner kapitalistischen Gegner standzuhalten, ihrem Kommando über Presse und Rundfunk, ihrem unausbleiblichen Appell an jeden furchtsamen und konservativen Instinkt im Bewusstsein der Menschen.  Das Konzept einer „moderaten“ Labour Party, die für den Erfolg des Kapitalismus arbeitet und ihm gleichzeitig kleine Dosen von sozialistischen Veränderungen einflößen will, kann einfach nicht funktionieren.  Wenn das alles wäre, was zu tun ist, dann bräuchte es überhaupt keine Labour Party.  Es war eine konservative Regierung, die die Allgemeinen Elektrizitätswerke einrichtete, Witwenrenten garantierte und die B.B.C. gründete.  Warum eine eigene Partei haben, nur um Dinge dieser Art zu tun?   Wäre nicht mehr mit der amerikanischen Methode zu erreichen, die früher auch die unsere war: Lobbyarbeit und Agitation außerhalb des Parlaments?   Stattdessen eine Partei ins House of Commons senden, die Fortschritte zum Sozialismus schwerer als nötig macht und als sie es wären, wenn wir doch die Zuversicht in den Kapitalismus untergraben würden?**

* Zugegeben werden muss natürlich, dass keine dieser Regierungen eine parlamentarische Mehrheit hinter sich hatte.  Dennoch bleibt, so meine ich, der Punkt bestehen, denn keine forderte jemals die Opposition heraus, sich gegen ein wirklich sozialistisches Vorhaben stellen zu müssen.
** Ich streite nicht die Nützlichkeit sozialer Reformen ab, die ohne einen direkten Angriff auf die Festungen des Kapitalismus eingefahren werden können.  Beide Labour-Regierungen von 1924 und 1929 unternahmen mehrere wertvolle Vorhaben und wenn Labour unter ähnlichen Bedingungen wieder ins Amt käme, würde sie ähnlich nützliche Dinge tun.  Aber ich beharre darauf, dass diese Dinge, so wertvoll jedes davon in seinem begrenzten Bereich ist, sich nicht aufaddieren zu einer Politik, die die Unterstützung der Wählerschaft an sich zieht und Schritte zum Sozialismus macht.  Tatsächlich ist gerade jetzt das Feld für bedeutende soziale Reformen gefährlich eingeengt, weil ohne Angriff auf die Quellen des kapitalistischen Reichtums es nur noch möglich ist, Reformen durchzuführen, die wenig kosten um die Schwierigkeiten des Kapitalismus nicht zu erhöhen.

Warum überhaupt eine Labour Party?

Denn wenn das wirklich alles ist, könnten wir abwarten, dass das auch dann passiert, wenn alle Sozialisten die Arme übereinander legten und nichts täten.  Die Logik der Ereignisse wird sogar Konservative dazu bringen, viele Maßnahmen einer teilweisen Sozialisierung zu übernehmen und wahrscheinlich würden sie diese schneller anwenden, wenn es keine darauf dringende Labour Party gäbe, die damit Befürchtungen bei den Kapitalisten erregt.  Zumindest könnte plausibel argumentiert werden, dass die Existenz der Labour Party positiv den Fortschritt von Verstaatlichung verlangsamt, weil die von ihr erzeugte Furcht ihre Gegner reaktionärer macht, als sie ohne sie wären.  In diesem Sinn versagt der Gradualismus, wie sehr er auch die ersten Gedanken der Wähler ansprechen mag, weil er im entscheidenden Moment nicht liefern kann.  Er kann vielleicht eine Labour-Regierung ins Amt bringen, er wird aber auch für ihre dann folgende Diskreditierung und Niederlage sorgen.

Was dann?   Wenn eine katastrophische und eine „moderate“ Politik gleichermaßen ausscheiden – welchen Kurs können Sozialisten dann noch einschlagen?   Die vor ihnen liegende Aufgabe ist wirklich schwierig, aber wie ich denke nicht unlösbar.  Mit ganz wenigen Worten gesagt, liegt sie darin, die Wähler davon zu überzeugen, dass der Sozialismus rasch aufgebaut werden kann ohne eine Zwischenperiode von Chaos und Auflösung und dass der gewöhnliche Mensch, kurz- wie langfristig, mehr vom Sozialismus zu erhoffen hat als von einem Versuch, den Kapitalismus aufzupolstern.

Die Aufgabe ist schwierig, vor allem weil sie verlangt, den Bankrott und die zu Ende gehende Zeit des Kapitalismus aufzuzeigen, ohne dabei die Ängste der Wählerschaft zu mobilisieren und sie so in der Verteidigung ihrer Interessen auf die Seite der Reaktion zu treiben.  Mit jedem vergehenden Jahr werden sich gewöhnliche Menschen mehr und mehr unsicher über die Grundlagen der kapitalistischen Ordnung.  Richtig so, denn der Kapitalismus ist ist ein Durcheinander geraten, von dem viele von uns glauben, dass es ihn bald aus der Welt schaffen wird.  Die ihm zur Verfügung stehenden produktiven Ressourcen expandieren kontinuierlich, aber er zeigt sich unfähig, diese Ressourcen in nur annähernd vollem Umfang zu nutzen und muss Einschränkung und Sparsamkeit in einer Situation predigen, die so laut nach höherem Konsum und wachsendem Lebensstandard ruft.  Die Absurdität der momentanen Phase des Kapitalismus ist zu offensichtlich um nicht gesehen zu werden und doch zieht in fast jedem Land die Mehrheit seine Fortsetzung der Gefahr einer Periode der Anarchie vor, welche Versprechungen auch gemacht werden könnten von einer stabileren und besseren Ordnung, die später auf den Grundlagen eines neuen Lebens aufgebaut werden könnte, so wie Russland nach seiner langen Agonie langsam Grundlagen eines neuen Lebens legt.

Die Angst vor dem Chaos.

Wir Sozialisten müssen immer wieder auf diese Absurdität zeigen, aber wir werden die Mehrheit nicht für unsere Sicht gewinnen, solange wir es nicht vermeiden können, in ihrem Bewusstsein die Angst vor dem aufkommen zu lassen, was zwischen der alten und der neuen Ordnung liegt.  Sogar Russland tat das, was es tat nicht freiwillig, sondern angesichts des definitiven Zusammenbruchs des vorherigen Lebens.  Sozialismus wurde für die Russen die einzige Alternative zu Chaos, die Alternative eines weiterexistierenden Kapitalismus gab es nicht.  Eine ähnliche Situation könnte natürlich eines Tages auch in Großbritannien entstehen, aber sie besteht jetzt ganz entschieden nicht und eine Propaganda, die auf ihrem hypothetischen Eintreffen aufbaut, hat keinerlei Chance.  Die Menschen wollen nicht revoltieren, um etwa die Lebensform zu zerstören, an die sie gewöhnt sind, solange dieses Leben nicht schier untolerierbar ist oder seine Fortführung offensichtlich in Frage steht.  Noch werden sie sich, in der Masse, zur Unterstützung einer grundlegenden Veränderung der gesellschaftlichen Basis zusammenschließen, solange sie die Überzeugung haben können, dass dies auch erreicht werden könne ohne eine Zwischenetappe, die die Umstände definitiv schlimmer macht.

Es kann deshalb im jetzigen Stadium keine erfolgreiche sozialistische Propaganda in Großbritannien geben, solange die Sozialisten keine Politik vorschlagen können, die einen wirklichen Fortschritt zum Sozialismus bedeutet, ohne ein Intervall von ökonomischem und sozialem Chaos.  Ist so eine Politik überhaupt möglich?   Wenn, dann schön und gut.  Wenn nicht, dann wird der Sozialismus in Großbritannien den Zusammenbruch des Kapitalismus abwarten müssen, bevor er sich Hoffnungen machen kann, dass seine Propaganda wirkt.  Und bis dieser Zusammenbruch früher der später eintritt, werden wir mit seinem Kommen eine Periode akuten Leids und ökonomischer Not zu erwarten haben.  Denn das ökonomische Leben Großbritanniens ist dergestalt, dass wir uns als letztes Land einen zeitweiligen Zusammenbruch leisten können.  Wir können uns weder ernähren oder überhaupt weitermachen ohne Zufuhren von der Welt außerhalb.  Ein wirklicher Zusammenbruch des britischen Kapitalismus, bevor wir eine Alternative zur Hand haben, die an seine Stelle gesetzt werden kann, würde für uns nicht nur Entbehrungszeiten sondern blanken Hunger bedeuten.  Es steht außer Frage zu erwarten, dass die Masse der britischen Arbeiter eine Politik annimmt, die eine solche Misslage in Kauf nimmt oder ernstlich riskiert, solange irgendeine Alternative besteht.

Die Kernpunkte sozialistischer Politik.

Schon aus rein ökonomischer Notwendigkeit müssen wir demnach planen, den Übergang zum Sozialismus in Großbritannien mit geordneten Methoden zu machen oder gar nicht.  Aber Geordnetheit und „Moderation“  – in dem Sinne, in dem „Moderation“ das Schlüsselwort der Labour-Regierungen von 1924 und 1929 war – dürfen nicht gleichgesetzt werden.  Denn es ist klar geworden, wenn wir einen realen Fortschritt zum Sozialismus machen wollen, kann dieser nicht mit einer langsamen Serie von aufeinanderfolgenden Maßnahmen erreicht werden, die sich mit einem isolierten Problem nach dem anderen beschäftigen, sondern nur gleichzeitig über ein weites Feld.  Nur eine oder zwei Industrien von Privateigentum in öffentliches Eigentum umzuwandeln wird wenig bringen, denn die Führung sozialisierter Industrien kann sich nicht weit von der kapitalistischen Praxis entfernen, wenn die Schlüsselpositionen des ökonomischen Systems als Ganzem unter kapitalistischer Leitung bleiben.  Zudem, das Problem mit dem wir es heute zu tun haben ist nicht auf eine oder zwei Industrien beschränkt und es kann durch Veränderungen in der Betriebsleitung und der Organisationsweise nicht gelöst werden.  Es erstreckt sich über alle Wirtschaftsbereiche und ist im Wesentlichen das Problem herauszufinden, wie wir unsere volle produktive Kraft so einsetzen können, um die Arbeitslosigkeit zu bannen und den Lebensstandard auf eine Höhe zu bringen, die mehr den Fortschritten auf Seite der Produktivkräfte entspricht.

Wie der Kapitalismus funktioniert.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es insgesamt so, dass die Volumen von Beschäftigung und Produktion vom Willen der Kapitalbesitzer abhängen, ihren Reichtum in die Entwicklung der Industrie zu investieren.  Die Erwartung von Profit, die ihre Investitionsbereitschaft beherrscht, wird so zur Antriebsfeder der gesamten Wirtschaftsmaschine.  Fallende Profite führen zu Unterinvestition, steigenden Arbeitslosenzahlen und einem Rückgang des Gesamtnationaleinkommens.  Das schränkt die Fähigkeit des Staates bedeutend ein (welche Regierung auch im Amt sei), die Einkommen durch die Steuer umzuverteilen.  Denn gerade in Notzeiten ist es schwierig, Wege der Besteuerung der Reichen zu finden, die nicht auf die Profite zurückwirken und so Investitionen abschrecken.  Die Sorte „sozialistischer“ Gesetzgebung, die es nur auf die Ausweitung des Öffentlichen Dienstes absieht, um so die Effektiveinkommen der Armen zu heben ohne die Struktur des Produktionssystems zu ändern, kommt deshalb sehr schnell an ihre Grenzen.  Denn durch die Besteuerung kann nicht mehr Geld aufgebracht werden ohne Abschreckung profitmachender Unternehmungen und wenn die Privatunternehmen abgeschreckt werden, steigt die Arbeitslosigkeit und der Staat hat neue Lasten zu übernehmen.  Die Sache gerät in einen lebhaften Zirkel, aus dem die kapitalistische Struktur der Wirtschaft keinen Ausweg erlaubt.  Regierungen sind nicht in der Lage, ihre Versprechungen weiterer Verbesserung der sozialen Dienste zu erfüllen und ihre desillusionierten Anhänger driften von ihnen weg um fadenscheinigen Projekten zu folgen oder lediglich gegenüber den eitlen Überheblichkeiten von Politikern jeder Sorte zu proklamieren, dass sie ihrer überdrüssig sind.

Die Überführung allein von ein oder zwei Industrien von privatem zu öffentlichem Eigentum bietet ganz sicherlich keinen Ausweg aus dieser Sackgasse und bildet deshalb keine zufrieden stellende Basis für eine konstruktive sozialistische Politik.  Nichts geringeres wird da nützen als eine genügend weitreichende Veränderung, um die Entwicklung der Produktion den Launen der privaten Investoren wegzunehmen und zu einer Angelegenheit der allgemeinen Politik zu machen, verwaltet unter öffentlicher Kontrolle.  Es ist tatsächlich ein Kerndefekt des Kapitalismus, dass er die Entwicklung der Wirtschaft vom Willen der privaten Investoren abhängig macht, deren Interessen in keiner Weise mit denen der Allgemeinheit übereinstimmen müssen.  Das Investieren – d.h.  die Bereitstellung von Kapital für die wirtschaftliche Entwicklung – zu einer öffentlichen Leistung zu machen, ist der erste wesentliche und weitreichende Schritt zum Bau der sozialistischen Gesellschaft.

Der Kern des Problems.

Jedes Jahr hat die Gemeinschaft sagen wir soundso viel produktive Kapazität, bestehend aus den natürlichen Rohstoffen, aus Fabriken und Anlagen und vor allem der Ausbildung, Energie und Einfallskraft aller Schichten der Kopf- und Handarbeiter.  Von den Gütern, die mit diesen Ressourcen hergestellt werden, wird der größere Teil konsumiert – d.h.  verbraucht, um allen Teilen der Gemeinschaft einen zufrieden stellenden Lebensstandard zu sichern.  Aber ein Teil muss „gespart“ werden – d.h. für die Erneuerung und Erweiterung der Produktionsmittel für die Zukunft eingesetzt werden.  Es gibt ein angemessenes Verhältnis in dieser Aufteilung der produktiven Energie das Landes zwischen diese wesentlichen Funktionen, über welches die Gemeinschaft selbst entscheiden sollte.

Heute aber ist diese Aufteilung völlig planlos und konfus.  Neben den Mitteln, die Firmen ansammeln und einem Teil der Einnahmen, die bei Körperschaften auflaufen, ist das gesamte nationale Einkommen, oder in anderen Worten die Kaufkraft für das gesamte Nationalprodukt, aufgeteilt in Löhne, Zinsen, Profite und Renten der Mitglieder der Gemeinschaft in der Erwartung, dass sie es – in der Summe ihrer individuellen Entscheidungen – für Konsum und Investition für künftige Produktion in ungefähr der richtigen Proportion aufteilen.  Es kann nicht begründet werden, warum dieses glückliche Resultat herauskommen sollte, und das tut es auch tatsächlich nicht.  Zudem, was ein Mensch von seinem Einkommen spart, setzt er nicht unbedingt für die wirtschaftliche Entwicklung ein.  Er kann damit machen was er will, vom auf der Bank lassen über Verwendung zur Aktienspekulation bis zum Investieren und Verleihen im In- und Ausland an irgendeine Unternehmung, die ihm gerade attraktiv erscheint.

Selbst wenn er im Inland investiert, ist er immer mehr nur zu leicht verleitet, das auf verschwenderische Weise zu tun.  In jedem Boom in neuen Kapitalanlagesphären wird eine enorme Menge des vielgebrauchten Geldes einfach rausgeschmissen für Geschäftsvorhaben, die keine wirkliche Erfolgschance haben.  Sogar schon vor der jetzigen Krise Großbritanniens hatten die neuen Industriebereiche von 1929 im Durchschnitt bereits die Hälfte ihres Kapitalwerts verloren.  Das ist eine geradezu kriminelle Verschwendung wertvoller Ressourcen, die die Gemeinschaft dringend braucht.

Und, wenn aus irgendwelchen Gründen die Profite fallen, werden in der Folge die Investitionen in dieser Branche zurückgenommen; wer Geld hat, wird es an anderer Stelle einsetzen, es ins Ausland geben, auf der Bank lassen (wo sie hoffen, dass wenigstens das Eingezahlte sicher ist) oder vielleicht geben sie für Auslandsurlaube oder importierte Luxuswaren das aus, was sie sonst investiert hätten.  Tun sie das, dann schrumpft sofort die Beschäftigung, die Staatsausgaben steigen, das Gesamtnationaleinkommen sinkt.  Höhere Steuern folgen auf geringe Investitionsneigung und wenn der nächste Dividendentermin naht, ist die verfügbare Summe sowohl für Ausgaben wie Rücklagen geringer geworden.

Die Kontrolle der Investitionen.

Das weist ganz sicher auf eine riesige Absurdität im Funktionieren des existierenden Wirtschaftssystems und damit auf eine gute Stelle für den sozialistischen Angriff.  Von diesem Standpunkt aus scheint der Kapitalismus solange die Zeiten prosperieren, gut genug zu arbeiten, aber seine Abhängigkeit vom Profitmotiv lässt ihn Notzeiten noch verschlimmern, wenn die Zeiten schlechter werden.  Die Lehre daraus ist jedenfalls, dass Investitionen nicht länger dem Ergebnis individueller Entscheidungen der Kapitalbesitzer überlassen werden sollten, sondern kollektive Aufgabe der Allgemeinheit werden müssen.

In den meisten Fällen ist die jetzige Situation für Kapitalbesitzer – gewiss für den Kleinanleger – nicht besser als für die Allgemeinheit.  Denn er hat kein effektives Hilfsmittel, das ihm den Unterschied zwischen einem gutem und schlechtem Investment anzeigen würde und der Wert seines Kapitals steht im Feuer, nicht nur wegen möglicher eigener Beurteilungsfehler aufgrund von Unwissen sondern wegen allen Arten Einflüsse auf die Börse, die er als Außenseiter nicht erkennen kann.  Viel vom Investment ist nicht besser als ein Glücksspiel und sogar der Kleinanleger, der seinen Glauben auf Anlagefirmen gesetzt hat, musste auf seine Kosten herausfinden, dass diese Institutionen auch nicht immuner gegen Wagnisse sind als andere im Markt.  Es wäre zum Vorteil des Kleinanlegers wie der Allgemeinheit, wenn die Ersparnisse des Landes gesammelt und auf richtige Weise von einem mit der Autorität der Öffentlichkeit ausgestatteten Gremium geführt würden, um das wirtschaftliche Leben des Landes in Übereinstimmung mit einem nationalen und gemeinsamen Plan zu entwickeln.

Die Nationale Planung.

„Nationale Planung“ ist neuerdings ein vielverwendeter Begriff und sein Gebrauch ist nicht auf Sozialisten beschränkt.  Faktisch steht aber keinem Gremium die Macht zur Entwicklung der Wirtschaft zur Verfügung, solange es nicht direkt die Investitionen in Industrie und Dienstleistung und auch die Bankkredite kontrollieren kann.  Denn jede größere moderne geschäftliche Unternehmung braucht sowohl Kapital um Anlagen und Ausrüstung anzuschaffen wie Kredite, um die laufende Auftragsabwicklung vorzufinanzieren.  Jeder wirkliche nationale Plan verlangt deshalb die gesellschaftliche Organisation von Investition und Kredit oder, konkret ausgedrückt, die Schaffung eines Büros zur Sammlung und Investition der Ersparnisse des Landes und das öffentliche Eigentum und die Leitung der großen Banken.

Beide Projekte zusammen bilden die notwendige Grundlage für einen insgesamten Fortschritt auf den Sozialismus.  Denn wenn einmal öffentliche Gremien geschaffen werden können, um die Versorgung mit Kapital und Kredit zu leiten, wird der Staat die wesentlichen Instrumente für eine Politik der schnellen und progressiven Sozialisierung auf breiter Front in Händen halten.  Nichts daran muss den einfachen Menschen alarmieren wegen einer drohenden Zeit des Chaos zwischen Zusammenbruch des Kapitalismus und dem Aufbau der sozialistischen Ordnung.  Anstatt seine Ersparnisse den Risiken des Anlagemarktes auszusetzen, hat er die Möglichkeit, sie einem öffentlichen Amt mit dem öffentlichen Finanzwesen im Hintergrund zu leihen, damit dieses es in den Bereichen investiert, an denen das größte allgemeine Interesse besteht.  Er wird eine größere Sicherheit bekommen, während gleichzeitig auch die Allgemeinheit größere Vorteile erntet.  Und er wird wissen, dass die Arbeit der Bank darauf ausgerichtet ist, den Erfolg gerade der Unternehmungen abzusichern, in die die Ersparnisse investiert wurden und dass letztlich die Industrie- und Finanzpolitik unter der öffentlichen Kontrolle zu einem gemeinsamen Zweck gemacht wird – der Wohlfahrt und Entwicklung des Landes.

Dieses kleine Heft ist bestimmt nicht die Gelegenheit, um die Einzelheiten dieser Politik herauszuarbeiten.  Sie muss ausgearbeitet werden, mit größter Sorgfalt und auf gründlichst praktische Weise, mit der Hilfe besten Fachwissens und des besten Ratschlags, der zu bekommen ist.* Aber ich bin hier nicht mit den Einzelheiten befasst – so entscheidend wichtig sie sind – sondern mit der groben Darstellung des Wegs zur Wiederherstellung von sozialistischer Politik und Propaganda.  Es dient unseren Zwecken nicht, die Arbeit der Aktienbörse und des Bankensystems bloß anzuklagen, nicht mehr als uns helfen würde, den nahenden Tod des Kapitalismus zu weissagen.  Aber es wird uns helfen, in klaren und einfachen Worten zu zeigen, dass wir in fachmännischer Manier an die Schaffung der notwendigen konstruktiven Organe einer sozialistischen Ökonomie herangehen wollen; dass diese Organe eingerichtet werden und mit ihrer Arbeit beginnen können, nicht nur ohne eine Unterbrechung des ökonomischen Lebens der Gesellschaft, sondern mit positiven und unmittelbaren Vorteilen und mit einer wirklichen Zunahme der Sicherheit der Ersparnisse der einfachen Menschen und ihrer Aussichten, eine reguläre Arbeit für anständigen Lohn zu bekommen.

* Das New Fabian Research Bureau, dessen ehrenamtlicher Sekretär ich bin, versucht das gerade zu tun und hofft, in Kürze einen Bericht zu diesem Thema publizieren zu können.

Wie der Arbeitslosigkeit begegnet werden kann.

Denn wenn der Staat die Investitionsprozesse lenkt, wird es sichtlich möglich sein, viel von der Verschwendung von Kapital, die heute durch die Einleitung in falsche Kanäle stattfindet, zu vermeiden und im positiven einen vollständigeren Gebrauch von den produktiven Ressourcen zu machen und eine gleichmäßigere Entwicklung der verschiedenen Industrien und Dienstleistungen zu sichern, in Übereinstimmung mit einem gut erhobenen und umfassenden Überblick über die landesweiten Bedürfnisse.  Es wird sich für den Staat rechnen, Menschen in Arbeit zu bringen, wo es sich für den privaten Unternehmer nicht lohnt; denn der Staat wird anders als dieser, seine Kosten durch ihre Untätigkeit dem Produkt gegenrechnen, das ihre Beschäftigung schafft.  Wenn der Privatunternehmer jemand rausschmeißt, überträgt er die Kosten seiner Lebenshaltungskosten auf die Allgemeinheit.  Der Staat hätte sowohl die Kosten der Arbeitslosigkeit wie die Kosten der Schaffung von Arbeitsplätze zu tragen.  Die Trennung zwischen privater Verfügung über die Beschäftigung und staatlicher Zuständigkeit für die Arbeitslosen ist eine Grundursache dafür, dass wir Arbeitslosigkeit tolerieren und sie steht hinter den meisten Schwierigkeiten des bestehenden Systems der Arbeitslosenversicherung.

Ein ausgearbeiteter Plan, der ein nationales Investitionsbüro und ein nationales Bankensystem vorsieht, beide in enger Zusammenarbeit geführt von Experten, die unter der Aufsicht der Öffentlichkeit stehen, könnten entschieden und auf konstruktive Weise sozialistisch sein, ohne den einfachen Menschen zu ängstigen.  Das soll nicht heißen, dass sie immun gegen Angriffe wären, denn jede Politik, die so direkt in die kapitalistische Kontrolle des ökonomischen Systems eingreift, ist dazu bestimmt, von vielen Seiten wütend angegriffen zu werden.  Es wird z.B. gesagt werden, dass der einfache Bürger weder einem staatseigenen Investitionsbüro noch staatseigenen Banken vertrauen wird, weil er sie verdächtigt, im Interesse einer besonderen ökonomischen Politik zu handeln und nicht zu seinem eigenen Vorteil.  Aber dieser Angriff könnte leicht abgewehrt werden, denn der Kleinanleger weiß sehr wohl, dass er unter den jetzigen Bedingungen keinen fairen Anteil erhält und die Unzufriedenheit mit den bestehenden Banken ist weit verbreitet und nicht nur unter Sozialisten laut, sondern auch unter fast allen kleinen Neueinsteigern in Industrie und Handel.  Weder Banker noch Börsenspekulanten sind die Heissgeliebten des normalen Bürgers, der sie mit starkem und wachsendem Argwohn ansieht.  Er wird sich trotzdem mit ihnen abfinden, wenn ihm Chaos und Zusammenbruch als einzige Alternative angeboten werden.  Aber er wird der Überzeugung von einem Plan nicht abgeneigt sein, der ihm persönlich größere Sicherheit und dem Land eine vernünftige Leitung des ökonomischen Lebens insgesamt anbietet.

Es ist natürlich richtig, dass die gesellschaftliche Kontrolle von Investition und Kredit keineswegs der einzige Bestandteil eines sozialistischen Sofortprogramms ist.  Nicht weniger wichtig ist der zügige Ausbau der sozialen Dienstleistungen und ein wirksamerer Gebrauch der Besteuerung als Mittel zu einer mehr gleichmäßigen Verteilung des Reichtums.  Vor allem ist es notwendig zu erkennen, dass das Wachsen der sozialen Dienstleistungen und die Umverteilung des Reichtums keine Ziele sind, die isoliert erreicht werden können und dass ihr Vorankommen von einem Vorankommen bei der sozialistischen Umwandlung der Wirtschaft abhängt.  Wir können nicht durch Besteuerung mehr einnehmen, die sozialen Dienstleistungen ausweiten und die großen Besitzunterschiede reduzieren, solange jede neue Steuerlast die Geschäftstätigkeit hemmt und zusätzliche Arbeitslosigkeit schafft.  Nur wenn die Gemeinschaft selbst durch geeignete Gremien von Fachleuten die Produktion des Landes kontrolliert und organisiert, wird sie die effektive Steuerung der Einkommensverteilung in die Hand nehmen können.

Sozialismus und Sozialreform.

Die Zielsetzung größerer Gleichheit der Anteile am Reichtum kann nur auf Grundlage der gesellschaftlichen Kontrolle über die Quellen, die diesen Reichtum hervorbringen, verfolgt werden.  Ein rein karitativer Sozialismus, der versucht, die Einkommen umzuverteilen ohne Kontrolle über die Stellen, an denen Einkommen entsteht, blamiert sich selbst und ist zum Scheitern verurteilt.  In unserer Zeit gibt es keine Sozialreform ohne gleichzeitigen Fortschritt in Richtung Sozialismus.

Die unmittelbare Aufgabe vor uns ist also die Ausarbeitung einer konstruktiven sozialistischen Politik, die nicht darauf abzielt, dem kleinen Kapitalisten Angst einzujagen, sondern ihn erkennen zu lassen, dass die gesellschaftliche Kontrolle von Ökonomie und Finanzen ihm eine viel bessere Chance auf einen ordentlichen Anteil gibt.  Es gibt noch einen Teil der Bevölkerung, der sich mit der Schicht der kleinen Sparer und Anleger überschneidet und der relativ leicht dafür gewonnen werden kann, einem konstruktiven sozialistischen Appell zuzuhören.  Das ist die Schicht der Angestellten, Techniker, der Fachleute aller Professionen, die meist auf Gehaltsbasis die Wirtschaft am Laufen halten und nicht die kapitalistischen Direktoren und Finanziers, die die Firmenpolitik vorgeben.  Wenn zu Menschen dieser Schicht gesagt wird, dass das Wirtschaftssystem am Punkt des Zusammenbrechens ist und da aufgehört wird, dann bedroht sie das mit dem Verlust nicht nur ihrer Jobs, sondern auch des Hauptinteresses ihres Lebens.  Denn was immer der normale Arbeiter seinem Job gegenüber denken mag, der gewöhnliche Techniker oder Administrator macht den seinen gern und gewinnt Stolz daraus, ihn gut zu machen.  Er hasst den Gedanken an Zusammenbruch, denn für ihn bedeutet er ein Versagen in dem Job, den er in die Hand genommen hat.  Bedroht ihn mit Kollaps und stoppt dabei, und er wird gegen den Sozialismus stimmen und sich gegen ihn und auf die Seite des Kapitalismus stellen, jedes Mal.  Aber das nicht, weil er den Kapitalismus liebt.  Er hat üblicherweise wenig übrig für sachunkundige Direktoren, die seine Arbeit nur vom rein finanziellen Standpunkt aus betrachten und noch weniger für Aktienbesitzer, die nicht einmal vorgeben, irgend etwas von den Industrien zu verstehen, in denen ihr Geld angelegt ist.  Nur wenn er keine Angst vor Chaos und Auflösung haben muss, wird er sich erklären lassen, dass die Umwandlung seines Wirtschaftszweiges in eine öffentliche Dienstleistung erweiterte Möglichkeiten bieten wird und ihn von der kalten Hand der finanziellen Herrschaft befreien wird.  Denn während es dem Aktienbesitzer lediglich um die Dividende geht, liegt das öffentliche Interesse in der maximalen Effizienz der Produktion, um das Niveau des Lebensstandards zu erhöhen.  Die Ausübung ihrer Arbeit als Teil des Öffentlichen Dienstes bietet Technikern und Administratoren viel mehr Chancen der Freiheit, ihre Arbeit gut zu machen als es sich der Kapitalismus – geldgetrieben und verheiratet mit dem heiligen Testament der Knauserei –  unmöglich leisten könnte.  Entscheidend ist zu erkennen, dass die Angestellten und Techniker nie auf die Seite des Sozialismus gezogen werden können, solange ihnen von den Sozialisten selbst zu verstehen gegeben wird, dass das Vorspiel des Sozialismus eine Periode der Unordnung und Zerstörung sein muss, die ihnen die Chance nehmen würde, in ihrem Job weiter zu machen.  Gebt ihnen in diesem Punkt eine Rückversicherung und sie werden zu Tausenden zur Sache des Sozialismus herüberkommen.

Mir ist klar, dass einige die hier vorgeschlagene Ausrichtung mit einer Bestätigung der „moderaten“ Position verwechseln werden, denn das Ziel der „Moderaten“ war zu vermeiden, potentielle Unterstützer durch irgendwelche Drohungen einer herannahenden Unordnung abzuschrecken.  Tatsächlich sind die beiden Vorgehensweisen wesentlich verschieden, denn die „Moderaten“ gaben in ihrer Furcht, die Öffentlichkeit zu erschrecken, den Sozialismus auf und nahmen die Sozialreform.  Sie wagten es nicht, die zentralen Bollwerke des Kapitalismus anzugreifen und in der Praxis kam ihre Politik zu nichts anderem herunter als einer Ausweitung der sozialen Dienstleistungen und einem Versuch, die Steuern zur Umverteilung der Einkommen zu nützen.  Wenn sie in Verfolgung dieser Linie an eine blanke Wand stießen, sahen sie keinen Weg um das Hindernis herum und einige von ihnen, wie die nunmehrigen Überläufer in die „Nationale Regierung“, warfen praktisch ihren Sozialismus vollständig weg und bestätigten ihren geistigen Bankrott durch die Verbindung mit den Repräsentanten der Klasse der Kapitalisten.  Die von ihnen gewählte Politik hatte ihre Grenzen erreicht und nachdem sie für karitativen Sozialismus alle Steuern, die sie erheben konnten, ausgegeben hatten, hatten sie nichts mehr vorzuschlagen.  Ihr eigenes Scheitern erkennend, gingen sie leiblich auf die Seite der Reaktion über.

Die von mir vorgeschlagene Richtung unterscheidet sich grundlegend von dieser selbstzerstörerischen Form des Reformismus.  Sie setzt auf einen Frontalangriff auf die kapitalistische Festungen, aber ohne die Absicht, sie zu zerstören, sondern sie vielmehr sicher für die sozialistische Sache einzunehmen.  Sie zielt darauf, den Sozialismus schnell zu bekommen, aber ohne eine Bruch oder ein Zwischenstadium voll Elend und Katastrophen.  Zweifellos kann auch das fehlschlagen, denn die kapitalistischen Gegner, wenn sie die Gefahr realisieren, dass sie friedlich verdrängt werden könnten, werden zu Sabotage und Zerstörung greifen, damit ihnen die Herrschaft nicht entgleitet.  Wenn wir aber unsere sozialistische Propaganda mit einer konstruktiven Ausrichtung durchführen, dann besteht gute Hoffnung, die kapitalistisch Orientierten zu isolieren, ihren Widerstand zu schwächen und auf unsere Seite den besten Teil der Techniker und der praxisnahen Angestellten zu ziehen, als die Leute, die wirklich wichtig sind für das effiziente Weiterlaufen der Industrie.   Wir hoffen auch, dass die Menschen mit einigen hundert gesparten Pfund, die Facharbeiter mit regulärer Arbeit, die Beamten und Lehrer, die ihr Haus gekauft haben und ihren Kindern zuliebe die Sicherheit am höchsten bewerten, vor Schreck erstarren vor einem nahen Untergang, sondern zu der Erkenntnis gebracht werden können, dass der Sozialismus für sie größere Sicherheit und erweiterte Möglichkeiten bietet.  Es ist nichts Unehrenwertes in der Leidenschaft der Leute für Sicherheit, denn ist Sicherheit nicht gerade das, was wir Sozialisten für jede Frau und jeden Mann der Gemeinschaft fordern?   Nichts Überraschendes ist an ihrer Ablehnung, Risiken einzugehen, denn die Sicherheit, die sie haben ist zu mühsam und prekär errungen um sie ohne guten Grund aufs Spiel zu setzen.  Wenn wir überhaupt den Sozialismus schaffen können, müssen wir diese Leute nehmen wie sie sind und es so angehen, dass von ihnen nicht unmögliche Risiken und Opfer verlangt werden.  Im modernen Britannien gibt es keinen Platz für eine Politik, die mit der Annahme operiert, dass die britische Arbeiterklasse hauptsächlich aus Verzweifelten und Verarmten besteht, die zu gewaltsamen Abenteuern bereit sind, weil sie nichts zu verlieren haben.

In Wirklichkeit haben sie viel zu verlieren – alles was sie von der halb verhungerten, erbarmenswert überarbeiteten, ungesund behausten, geknechteten Fabrikbevölkerung von vor hundert Jahren unterscheidet.  Ein Teil der britischen Arbeiterklasse ist heute kaum besser dran als die Hungerleider, an die der Chartismus seinen Appell richtete.  Aber es ist heute, sogar in der Zeit tiefer Depression und einer reaktionären Regierung nicht mehr als ein Teil der gesamten Arbeiterklasse.  Das ist mit Sicherheit keine Grundlage, auf dem ein konstruktiver Sozialismus gebaut werden kann.  Wenn wir auf irgendetwas bauen, dann müssen wir auf die Männer und Frauen bauen, die definitiv besser ernährt sind, besser wohnen, besser gekleidet und gebildet und sich dessen viel mehr bewusst sind als ihre Väter und Großväter, dass sie etwas zu gewinnen, aber auch etwas zu verlieren haben.

Für einen klugen Extremismus.

Aber wir müssen auf diese Menschen bauen.  Nicht indem wir den Sozialismus auf dem Altar ihres ängstlichen Respekts opfern, sondern indem wir ihnen den Sozialismus in konstruktiver statt in destruktiver Weise vorstellen.  Das heißt nicht, dass wir moderat werden sollen: es heißt nur, dass wir klug sein müssen.  Niemand von uns will Chaos, kein geistig gesunder Mensch unter uns würde sich wirklich freuen, wenn morgen das kapitalistische System ruinös zusammenbräche.  Denn wir wissen sehr gut, dass wir nicht darauf vorbereitet sind, es zu ersetzen.  Aber wir wissen auch – die unter uns, die die Entwicklung der letzten Dekade beobachtet haben – dass reiner Reformismus und Mäßigung in äußerster Sterilität daher kommen und dass, damit das Herankommen an den Sozialismus geordnet abläuft, es sowohl schnell wie gut gemacht sein muss auf der Grundlage einer raschen und gleichzeitigen Besetzung der Schlüsselpositionen des Wirtschaftssystems und nicht nur mit stückweisen Maßnahmen vereinzelter Sozialisierungen.  Denn unser Ziel ist mehr als nur eine Serie von Reformen durchzubringen, sondern eine weitreichende Revolution: und unsere Aufgabe ist es, diese Revolution mit dem friedlichen und sicherheitsliebenden Menschenschlag zu machen, der sie allein machen kann – oder dem im Weg zu stehen.

In dieser Schrift konnte ich nicht mehr tun, als in allgemeinster Form das Wesentliche einer sozialistischen Politik und Propaganda zu umreißen, die sich an die Sorte Menschen wendet, mit deren Hilfe der britische Sozialismus verwirklicht werden muss, wenn er überhaupt verwirklicht werden sollte.  Diese Leitgedanken weiter auszuarbeiten und die daraus folgenden richtigen propagandistischen Appelle herauszufinden, ist die dringendste Verpflichtung für die sozialistische Bewegung in den nächsten Jahren.  Ich jedenfalls bin weit entfernt von einer Entmutigung wegen des Rückschlags, den der Sozialismus in der Wahl von 1931 erlitten hat und bin aufrecht gehalten durch mein Vertrauen, dass wir unsere Lektion gelernt haben und einen neuen und besseren Start machen werden – indem wir einerseits den Katastrophismus ablehnen, der nur Millionen potentieller Unterstützer verschreckt, die dann ins kapitalistische Lager flüchten und andererseits den wohltätigen Reformismus, der uns nur vor eine leere Wand führt und die Herzen gerade der Leute bricht, auf deren Hilfe wir uns bei der Weiterverbreitung der Überzeugung und des Wissens sozialistischer Politik und Ideen verlassen können.  Es gibt einen konstruktiven Sozialismus, der diese Belastungen von sich fern halten kann und es ist unsere Aufgabe, ihn auszuarbeiten und mit größtmöglichem Tempo anzuwenden.  Denn Zeit ist eine wesentliche Bedingung und wenn wir nicht schnell Menschen von einem konstruktiven Sozialismus überzeugen können, wird nichts vorbereitet sein, um an seine Stelle zu treten, wenn der Kapitalismus zusammenbricht.  Dann wird sich Chaos und Zerstörung ausbreiten, woraus was, wer weiß es, herauswachsen wird nach vergeblicher Agonie und Verzweiflung?   Wenn wir diese Katastrophe vermeiden wollen, dürfen wir nicht moderat sein, sondern müssen klug und extrem konstruktiv sein, müssen wir unsere Punkte für die Einrichtung einer geplanten sozialen Organisation des Lebens der Gemeinschaft sorgsam wählen und jeden an unserer Seite aufnehmen, der die Dringlichkeit spürt, eine nützliche Arbeit gut zu machen.  Wir müssen die Partei und die Bewegung der Produzierenden und Dienstleistenden sein – der konstruktiv Orientierten in allen Sphären der menschlichen Aktivität.  Und vor allem müssen wir das Ziel haben, Zutrauen zu schaffen, nicht in unsere zerstörerische Macht – denn damit werden wir nichts erreichen – sondern in unsere fachliche Kompetenz, mit dieser Aufgabe fertig zu werden.  Daran arbeiten einige von uns im New Fabian Research Bureau und in anderen Organen des sozialistischen Denkens und sozialistischer Propaganda, die unter dem Eindruck der politischen Niederlage aus dem Boden sprossen und das Gleiche versuchen.  Und wir möchten mit allen Sozialisten zusammenarbeiten, die der Unentbehrlichkeit dieses praxisorientierten und konstruktiven Appells zustimmen.  Die Lehre aus der letzten Wahl ist nicht nur, dass wir unsere Politik frisch überdenken müssen, sondern dass wir sie in Begriffen genau der Männer und Frauen denken müssen, an die wir unseren Appell richten.  Allein die Furcht hält Millionen dieser Menschen davor zurück, Sozialisten zu werden und nur ein klar entworfenes und zwingendes Programm des konstruktiven Sozialismus wird diese Furcht überwinden.  Das ist unsere Aufgabe und wir haben innerhalb unserer Bewegung die fähigen Hirne und die Energie, um das leisten zu können, wenn wir nur mit einem klar definierten Ziel zusammen daran arbeiten.  Die Niederlage der politischen Ausrichtung von Labour ist die Gelegenheit für konstruktiven Sozialismus.  Denn die britische Wählerschaft ist nicht konservativ sondern nur ängstlich und erst eine gut geplante, breit aufgestellte, auf die Praxis ausgerichtete Politik des sozialistischen Aufbaus wird ihre Furcht überwinden.

„Some Essentials of Socialist Propaganda. A Tract for the Times.“, Fabian Tract Nr. 238, 1932

Eigene Übersetzung 2015

Nachbemerkung: Cole war als Gildensozialist kein Freund des Staates. Das Ziel war die Selbstverwaltung der Wirtschaft durch die Produzenten, vermittelt durch landesweite Gilden, d.h. Organe der Beschäftigten nach Branchen. Das Eigentum an den Produktionsmitteln sollte danach bei dem dezentralisierten „Staat“ liegen, als Organ der Bevölkerung als Konsumenten. In den dreissiger Jahren sah er in der Sozialisierung der Produktionsmittel durch eine Labour-Regierung einen entscheidenden Schritt in diese Richtung.

Der Text im Original: Fabian Tract Nr. 238

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