Die Leitlinie des Fernhaltens vom Parlament

abstentionAlle Sozialisten, die diese Bezeichnung zu Recht tragen, stehen für die Notwendigkeit der Umwandlung des individuellen in gemeinsames Eigentum an der Produktionsmitteln ein. Das ist die Mindestbedingung für einen akzeptierbaren Frieden mit den Kapitalisten und sicherlich eine harte Friedensbedingung für die letzteren, denn sie bedeutet die Abschaffung des individuellen Besitzes von Kapital. Diese von uns gestellte Minimalforderung ist deshalb eine sehr große Sache: ihre Realisierung würde eine Revolution bedeuten, die die Welt noch nicht gesehen hat und alle kleineren Reformen der Zivilisation, an die bisher gedacht wurde oder die denkbar wären, wären darin eingeschlossen: keine politische Partei hatte je ein Programm, das gleichzeitig so bestimmt und so umfassend gewesen wäre. Viele Sozialisten wären zufrieden, wenn eine Partei nichts außer dieser Forderung vertreten würde; und wenn es keine Partei gäbe, die irgend etwas anderes als das fordern würde, dann glaube ich würden alle Sozialisten sich verpflichtet fühlen, die Richtung zu unterstützen, die diese Forderung am stärksten erhebt, denn der Schatten dieser gewaltigen Revolution, die die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln bedeuten würde, liegt auf jeder unserer gegenwärtigen Auffassungen und auf jeder Strategie. Wir müssen einfach darüber grübeln, was die Konsequenzen dieser Veränderung wären und wie sie sich auf das auswirken würde, was von unserer Zivilisation bliebe; nicht nur was die Güterproduktion betrifft, sondern auch Religion, Moral, Geschlechterbeziehungen, Regierungs- oder Verwaltungsmethoden, kurz, das gesamte soziale Leben: auf die meisten dieser Bereiche werde ich in diesem Text nicht weiter eingehen sondern nur kurz auf die hinweisen, die direkt mit der wirtschaftlichen Produktion und den Verwaltungsangelegenheiten zu tun haben.
Es gibt unter uns Sozialisten einige, für die die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln nur bis zu einem sich stabilisierenden Gesellschaftszustand führt und zu keiner weiteren Annäherung an den Kommunismus; dass also das Produkt der Arbeit mit den Rohmaterialien und Werkzeugen, die Gemeineigentum sind, nicht gemeinsam sein solle, sondern der Preis für Energie, Fleiß und Talent: „jedem entsprechend seiner Leistung“. Für den Fall, dass Nicht-Sozialisten im Raum sind, möchte ich herausstellen, dass dieser Zustand sehr verschieden vom jetzigen wäre. Die einem Leute können untätig leben und andere für sich arbeiten lassen, wenn sie das Glück haben, einen Anteil am Monopol an den Produktionsmitteln zu besitzen, dem Privileg ihrer Klasse. Wenn es auch ohne diese künstliche Hilfestellung stattfinden könnte, wäre das der tatsächliche „Aufstieg durch Talent“, von dem Napoleon ahnungslos meinte, dass sein bürgerlicher Cäsarismus ihn fördern würde. Aber einige von uns vermuten, dass uns das in neue Formen der Klassengesellschaft zurückbringen würde. Denn die, welche den größten Anteil von gewissen Befähigungen entwickeln (nicht immer die Nützlichsten in einer Gruppe), würden eine erhöhte Position gewinnen, von der aus sie die weniger Begabten zwingen könnten, ihnen zu dienen.

Und tatsächlich fassen diejenigen, die die Revolution des Sozialismus auf die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln begrenzen wollen, eine Gesellschaft ins Auge, in der die Ökonomie unter der Vormundschaft des Staates steht; wo der zentralisierte Staat willkürlich die Linie zieht, wo öffentliches Eigentum endet und privates beginnt, wo er Erbschaften oder Besitzakkumulation regelt, auf vielfache Weise wie ein Gebieter handelt und den Platz der alten Herren einnimmt: mit wohlwollender Absicht zwar, aber mit eingestandener Künstlichkeit und mit der Anwendung von offensichtlicher Macht, die überall gefühlt und zumindest manchmal umgangen oder der sich widersetzt würde und die zuletzt sogar eine neue Revolution auslösen könnte, die uns wieder für eine Zeit zurückwirft oder vorwärts trägt zu den Verhältnissen eines wahren Kommunismus, entsprechend der Reife oder Unreife der staatssozialistischen Revolution: kurz gesagt, einigen von uns erscheint diese Ansicht des Sozialismus nur als Kristallisation von etwas, was in sich selbst nicht stabil und nur ein Übergangszustand der Gesellschaft sein kann: wir vertreten also die Seite, die als das Ziel des Sozialismus die Gleichheit der Bedingungen ansieht: da Güterproduktion und Dienstleistungen immer eine Sache von Kooperation sind, kann man nicht (wenn es wünschenswert wäre) herausfinden, was die „Leistungen“ des Einzelnen sind. Und wenn man das könnte, würden wir nicht einsehen, warum für A, weil er mehr leisten kann, ein höherer Lebensstandard festgesetzt werden sollte als für B, während die Bedürfnisse beider gleich sind. Wenn die Gesellschaft B nützen soll, dann muss sie ihn gegen die Willkür der Natur schützen aber anstatt das zu tun, hilft sie im Gegenteil, die arme Person B dafür zu bestrafen, nicht mit derselben Anlage zur Ausbildung von Muskeln geboren worden zu sein wie A, und wenn er ein Mensch mit Temperament ist, wird er rebellieren.
Wir Kommunisten sagen deshalb, dass es nicht wirklich möglich ist, die Belohnung für Arbeit zu portionieren und wäre man dazu in der Lage, müsste man immer noch die Nachteile der Schwachen gegenüber den Starken durch Wohltätigkeit ausgleichen und könnte nicht ohne ein Armengesetz auskommen: die angemessene Verausgabung der Energien eines Menschen für das Wohl der Gemeinschaft und daneben zur eigenen Verwendung begründet die einzigen Ansprüche auf den Besitz von Wohlstand und Eigentum, als einziger Schutz gegen die Schaffung neuer Vorrechte, die ebenso verhindert und abgeschafft werden müssen wie die alten Privilegien.
Dem wird von vielen zugestimmt, die sich nicht Kommunisten nennen würden; weil sie nicht wollen, dass der Bevölkerung jetzt irgend etwas anderes vorgesetzt wird außer dieser Übergangsperiode. Und viele von uns Kommunisten selber sind bereit zuzugeben, dass da die Vergemeinschaftlichung der Produktionsmittel unvermeidlich auch zur Vergemeinschaftlichung der Produkte der Arbeit führen wird, das schon ein ausreichend großes Programm für die Leute unserer Generation ist und die Konsequenzen für ihre Realisierung somit erstmal sich selbst überlassen bleiben können. Ihr seht also, dass es an dieser Stelle kaum eine Streitfrage zwischen Sozialisten und Kommunisten gibt. Deshalb möchte ich in diesem Vortrag so sagen: das unmittelbare Ziel der Sozialisten ist die Überführung der Rohmaterialien und Arbeitsinstrumente von privatem in gemeinsames Eigentum um nun zu untersuchen, mit welchen Mitteln wir dahin kommen können.

Ich hätte nicht über die verschiedenen Anschauungen des Sozialismus gesprochen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass sie die Sicht der Leute auf die Mittel der Verwirklichung beeinflussen. Die Ansichten über die Mittel sind nicht ganz gleichlaufend mit den zwei Schulen von den sogenannten Sozialisten und Kommunisten, aber es muss fast natürlich so sein, wenn die ersteren bereit sind, eine zentrale allmächtige Regierung als Notwendigkeit zu akzeptieren; wenn man so sagen will eine reformierte Ausgabe der jetzt bestehenden staatlichen Regierung, während die Kommunisten, obwohl im Unklaren, was deren Platz in der Zwischenzeit einnehmen wird, sich klar sind, dass wenn die Gewohnheit des sozialen Lebens schließlich etabliert ist, es nichts von der Art einer autoritären Zentralregierung brauchen wird.

For whom shall we vote -1Die moderaten Sozialisten oder die, die nur auf die Übergangsphase blicken, glauben als Mittel zum Zweck an etwas, was man ein System von kumulierten Reformen nennen könnte. Diese Reformen sollen durch das Parlament und eine bürgerliche Exekutive ausgeführt werden, der einzigen jetzt bestehenden legalen Macht, während die Kommunisten glauben, dass es für Sozialisten eine Zeitverschwendung wäre, ihre Energien für Reformen zu verausgaben, die weit entfernt, uns dem Sozialismus näher zu bringen eher dazu dienen, den jetzigen Zustand zu stärken. Sie glauben nicht an die Effizienz von Reformen, sie sehen keinen Grund, das Parlament in irgend einer Weise zu benützen; außer vielleicht, um es als Beispiel dafür vorzuzeigen, welch verachtenswertes Ding eine Körperschaft sein kann, die als Repräsentant eines ganzen Landes posiert und in Wirklichkeit nichts repräsentiert als die feste Entschlossenheit der privilegierten Klasse, an ihren Privilegien so lange zu kleben, bis sie gezwungen wird, sie preiszugeben.

Es gibt vor uns also, so scheint es, zwei Leitlinien, die ich, wenn ihr mir erlaubt, abgekürzt die Leitlinie der parlamentarischen Aktion und die Leitlinie des Fernbleibens vom Parlament nennen möchte (the Policy of Parliamentary Action and the Policy of Abstention). Aber bevor ich fortfahre, muss ich sagen, dass obwohl die Frage, welche der zwei Linien angewendet werden sollte, auf lange Sicht zweifellos sehr interessant ist: es gibt gegenwärtig nur eine für uns mögliche Grundlinie: das Predigen des Sozialismus zu so vielen Menschen wie möglich. Das erscheint vielen sicher als eine langweilige Aufgabe, die keine Belohnungen für jeden von uns bietet in der Art von Berühmtheit oder erreichbarer Stellung: aber nach allem ist es der Weg, den alle neuen Credos beschreiten müssen und wenn wir ihn in unserer Hast oder Ungeduld vernachlässigen, werden wir nie an den Punkt kommen, an dem eine definitivere Aktion ansteht.

Bei diesen zwei Leitlinien will ich nicht lange bei der ersten verweilen; nicht weil ich nicht mit ihr übereinstimme, sondern weil sie Euch schon oft und mit ausgiebigen Argumenten und Fürsprachen vorgestellt wurde: das Überzeugen der Wähler davon, dass sie Sozialisten ins Parlament schicken sollen, damit Maßnahmen im Interesse der arbeitenden Klassen beschlossen werden und um das bestehende Parlament schrittweise umzuwandeln – von einem reinen Instrument in den Händen der Eigentümer der Produktionsmittel zu einer Körperschaft, die dieses Monopol zerstören soll um dann die befreite Arbeit der Gemeinschaft zu leiten und zu verwalten. Das ist, denke ich, eine korrekte Darstellung der Ansichten derer, die die Leitlinie der parlamentarischen Aktion vertreten.

Ein solches Vorhaben wird sich für viele praktikabel und vernünftig anhören, da es ja richtig ist, sich einen Plan zu überlegen und die möglichen Hindernisse zu bedenken. Selbst wenn wir feststellen, dass er Nachteile hat, werden wir den Plan nicht unbedingt verwerfen: so will ich im Moment auch nichts über diese Nachteile sagen, die nach allem sogar denen bekannt sein müssen, die diese Politik für richtig und notwendig halten. Wenn kein anderer Schlachtplan für den Angriff auf das Monopol möglich wäre, müssten wir in der Tat alle Nachteile akzeptieren, alle Zweifel zurückstellen und ihn mit all unserer Kraft ausführen. Aber es gibt einen weiteren möglichen Schlachtplan, den ich Euch in ziemlicher Länge vorstellen muss unter dem Spitznamen, wie gesagt, der Leitlinie des Fernhaltens vom Parlament.

Dieser Plan ist begründet durch die Notwendigkeit, den Klassenkampf für die Arbeiter klar zu legen; ihnen zu zeigen, dass solange das Monopol besteht, sie nur als Sklaven existieren können, weshalb das Parlament und alle existierenden Institutionen den Zweck haben, diese Sklaverei zu befestigen; dass ihre Löhne nichts sind als Sklavenrationen, auch wenn sie zehnfach erhöht würden; dass sie allerdings an ihr teilnehmen können, solange die bürgerliche Herrschaft existiert, zu der Bedingung, dass sie nicht das große Bauwerk angreifen, das auf ihrer Sklaverei errichtet ist. Mehr als das: dass sie aufgefordert sind zu wählen und Vertreter ins Parlament zu schicken (wenn „Arbeiter“, dann umso besser), damit sie Hinweise auf Zugeständnisse einbringen, die für die herrschende Klasse notwendig sein können um die Sklaverei der Arbeiter zu verlängern: in einem Wort, das Wählen der Fortsetzung ihrer eigenen Sklaverei ist die einzige parlamentarische Tat, die ihnen im bestehenden Regime erlaubt ist. Liberale Vereinigungen, Clubs der Radikalen, Mitglieder aus der Arbeiterschaft heute und in der Zukunft Sozialisten werden von den regierenden Klassen mit Wohlbehagen gesehen: im Dienste zur Vervollkommnung der Stabilität der Gesellschaft der Räuber – auf sicherste und am wenigsten mühevolle Weise, in dem man sie verführt, selber an ihrer eigenen Beherrschung teilzunehmen. Eine große Erfindung, die den Ruf der Briten für praktische Veranlagung – und Schwindel – bestätigt! Wie viel besser doch als die rohe, althergebrachte eiserne  Unterdrückung durch den Stümper Bismarck, die die Arbeiter reizt, zusammenschließt aber gleichzeitig für ihren zeitweiligen Erfolg abhängig ist vom Fehlen solcher Ereignisse wie einer plötzlicher Wirtschaftskrise oder einer Niederlage der deutschen Armee.

Weiter ist die Leitlinie des Fernbleibens vom Parlament auf der Ansicht begründet, dass die Interessen der beiden Klassen, der Arbeiter und der Kapitalisten, unvereinbar sind. Solange die Kapitalisten als Klasse existieren, haben sie das Monopol an den Produktionsmitteln und alle legale Macht der Gesellschaft. Aber die Anwendung dieser Macht zur Niederhaltung einer unrecht behandelten Bevölkerung, die das spürt und sich zum illegalen Widerstand organisiert, wenn sich die Gelegenheit bietet, legt eine kaum zu tragende Last auf die regierenden Klassen, unter der sie schließlich zusammenbrechen und einen von zwei Wegen einschlagen müssen: einer ist die Geburt einer instinktiven Furchthandlung, die allen Organismen eigen ist, um ihr Leben zu erhalten und zu verlängern. Ein anderer Weg wäre es, die Wirkung von pauschalen Zugeständnissen zu erproben, oder welche, die geeignet scheinen, die Zahl der Unzufriedenen zu verringern. Dieser Weg würde ziemlich sicher zumindest teilweisen Erfolg haben, aber ich bin mir sicher, keinen großen Erfolg in der Verzögerung der Revolution, wenn er ohne ausgesprochene Zustimmung von sozialistischen Vertretern im Parlament erfolgt. In diesem Fall würden die Zugeständnisse als Siege angesehen werden; wären sie dagegen das Werk einer verhassten Regierung, zu der das Volk Abstand hält, würden sie als Köder verschmäht und als letztes Hilfsmittel einer hilflos werdenden Tyrannei verhöhnt.

Der andere Verlauf wäre massive Repression von allem, was ihr gefährlich scheint, das heißt, der Meinungen und Bestrebungen der arbeitenden Klassen im Ganzen: zumindest in England gäbe es keinen Versuch, diesen Kurs einzuschlagen, bis die Meinung so angewachsen und organisiert wäre, dass für die Besitzenden unmittelbare Gefahr besteht. Kurz, die beiden Wege sind Betrug und Gewalt, und in einem Handelsland wie diesem würden die Möglichkeiten des Betrugs ausgeschöpft werden, bevor die herrschende Klasse zu offener Gewalt greift. Ich behaupte, dass jeder dieser Wege einen Zusammenbruch der Klassenregierung anzeigt und meiner Meinung nach würde es schneller dazu kommen, wenn keinerlei Hilfe gegeben wird in Form von Linderungsbestrebungen im Parlament und damit ein Ausweg angeboten wird, um die Revolution abzuwehren.

Es ist dabei selbstverständlich, dass dieses Fernhalten als Waffe, um die herrschende Klasse in größte Not zu bringen, von einer weit verbreiteten Meinung gestützt sein muss, von der Überzeugung einer großen Anzahl von Menschen, dass die Grundlage der Gesellschaft verändert werden muss durch die Befreiung der Arbeit durch  Abschaffung des Monopols an den Produktionsmitteln. Und natürlich ist die Notwendigkeit, diese Masse an Zustimmung zu bekommen, nicht auf die Sozialisten beschränkt, die für das Fernhalten vom Parlament eintreten: das Gewinnen neuer Sozialisten ist Grundvoraussetzung dafür, um die Frage stellen zu können, was Sozialisten tun sollen. Der erste Schritt zu diesem Ziel ist das Aufstellen der Prinzipien des Sozialismus und ihr Predigen, so breit wie möglich – das ist praktisch gesehen alles, was wir gegenwärtig tun können und welchen Erfolg wir damit auch haben werden (darüber gibt es verschiedene Meinungen), wir werden es mit beachtlicher Energie tun. Aber es wurde gesagt, dass das reine Predigen der Prinzipien nicht genügt, dass man den Neugeworbenen etwas anderes zu tun geben muss darüber hinaus, die Armee der Prediger zu vergrößern. Dem stimme ich soweit zu, dass wenn für eine solche Bewegung der Zeitpunkt gekommen ist, um von einer rein ideellen Bewegung zu einer der Aktion zu werden, dieser Zeitpunkt auch genutzt werden muss. Wenn es keinen guten, fertigen Aktionsplan gibt, wird die Bewegung sicherlich einen schlechten annehmen als Ersatz für nichts. Den von einigen unserer Freunde vorgebrachten Plan, das Parlament mit konstitutionellen Mitteln in die Hand zu bekommen um es für nicht verfassungskonforme Zwecke zu verwenden, sehe ich aus besagten Gründen als schlechten Plan an und werde versuchen, das noch vollständiger und weiterführender zu begründen. Denn wenn dieser Plan aus etwas Soliderem als nur Ungeduld geboren ist und da der kleinen Minderheit, die die Revolution predigt, mühevolle Arbeit wahrlich sicher ist, so ist es doch ein hoffnungsvolles Zeichen, dass dieser Plan aufgestellt wird und in einer Weise, die uns, die wir nicht damit einverstanden sind, zum Dagegenhalten von Alternativen zwingt – obwohl wir glauben, was ich für meinen Teil tue, dass alle Aktionspläne im Moment noch verfrüht sind.

Also, ich habe Euch einen Teil unseres Plans vorgestellt: striktes Fernhalten von der Teilnahme an einer Regierung, deren Ziel die Aufrechterhaltung des Besitzmonopols ist. Ihr werdet natürlich sagen, das ist keine Aktion, aber ich sage, das ist es wohl, wenn es kombiniert wird mit dem resoluten Predigen der Prinzipien mit einem Vorausblick auf Aktion, wenn diese möglich sein wird, ohne sie durch eine Allianz mit genau der Tyrannei zu beflecken, zu deren Zerstörung wir uns verbündet haben: dann wird es zur Grundlage des großen Angriffinstruments gegen ein Übergewicht von brutaler Gewalt, bekannt als „Boykott“. Denn bevor wir damit beginnen können, müssen wir durch das volle Bewusstsein verbunden sein, dass wir von einer Klasse unterdrückt werden, die nicht anders kann als uns zu unterdrücken und deren Unterdrückung wir uns widersetzen müssen.

Wiederum könntet Ihr sagen, dass wir eine relevante Anzahl brauchen, um einen Boykott starten zu können: Wie könnte sie anders gewonnen werden, als durch das Interesse einer großen Gruppe an Reformen mit einer plausiblen Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage? Das ist eine gewiefte Frage, aber ich hoffe, sie befriedigend beantworten zu können. Es wird unsere Aufgabe sein, all der glimmenden Unzufriedenheit der Arbeiter und dem ständigen Kampf der Arbeit gegen das Kapital, der jetzt schwach und partiell von den Gewerkschaften organisiert wird, eine neue Wendung zu geben. Diese Organisationen, die zu einer Zeit mächtig wurden, als das Prinzip des Kapitalismus unangefochten war, können, bis sie radikal verändert werden, nur auf seine unterschiedlich auftretenden Missstände reagieren und sie haben gerade die wesentliche Eigenschaft von Unterstützungsvereinen; was ja alles ganz schön wäre, wenn sie das Recht des Kapitals insgesamt verneinen würden und ausgemacht kämpferische Organisationen wären. Dann hätte die Unterstützungstätigkeit die Bedeutung einer „Truppenversorgung“, aber so, wenn die Rechte des Kapitals anerkannt werden und alles was verlangt wird ein proportionaler Anteil an den Profiten ist, bedeutet es eine Art Entlastung der „Arbeitgeber“, eine zusätzliche Armen-Abgabe, die von den Arbeitern eingetrieben wird. So wie es jetzt läuft, ist die Position der Gewerkschaften, nichts anderes zu sein als Unterstützungsvereine, unmöglich geworden.

Was sie den Herren sagen, ist kurz gefasst dies: Wir mischen uns in euer Management unserer Angelegenheiten nur so weit ein, dass wir euer Einkommen als unsere Manager klein halten wollen. Wir erkennen an, dass wir Maschinen sind und durch eure Hände geführt werden, aber wir möchten so wenig wie möglich für eure Führung bezahlen und werden euch an diesem Punkt bekämpfen.
Darauf können die Herren antworten: Ihr würdet nicht nur unsere Profite, sondern auch unsere Leitungsfunktion beenden und da ihr, wie ihr zugebt, unsere Maschinen seid, dann verliert ihr mit unserer Führung auch den Lebensunterhalt. Nein, wir kennen eure Interessen besser als ihr selbst und werden uns euren lahmen Versuchen, unser Einkommen zu kürzen, widersetzen und da wir eure Arbeit organisieren und den Weltmarkt, den sie versorgt, werden wir eure Löhne genauso managen wie alle andere Angelegenheiten.

Genau das ist die Sackgasse, in die die Gewerkschaften jetzt geraten sind: ich sage noch mal, wenn sie sich dafür entschieden haben, Herren zu haben, die ihre Angelegenheiten managen, dann müssen sie umgekehrt auch für diesen Luxus bezahlen. Um weiter zu gehen, müssen sie aus dieser Sackgasse heraus kommen auf die offene Straße, die zum Sozialismus führt. Sie müssen darauf hinarbeiten, ihre Dinge selber zu managen, und das sind in der Tat die Angelegenheiten der ganzen Welt: vergesst nicht, der Preis, den sie den sogenannten Industriekapitänen bezahlen, ist keine reine Geldzahlung – kein bloßer Tribut, der sie dann frei tun lässt, wonach ihnen ist, sondern ein autoritäres Befohlenwerden des ganzen Inhalts ihres Lebens: was sie essen, trinken oder anziehen sollen; welche Häuser sie haben sollen; welche Bücher oder Zeitungen sie lesen sollen; bis hin zu den besonderen Tagen, an denen sie ihren Urlaub nehmen wie eine Kuhherde, die aus dem Stall auf die Wiese getrieben wird.

Deshalb sage ich, dass die wirkliche Aufgabe von uns Propagandisten darin besteht, dieses Ziel einzuträufeln: dass die Arbeiter Bestimmer ihrer eigenen Zielsetzung werden, ihres eigenen Lebens – und das kann erreicht werden, wenn eine genügende Anzahl von ihnen vom Plan des Aufbaus einer großen Organisation der Arbeit überzeugt wird – einer Föderation entsprechend ihrer Berufe, wenn ihr wollt; von allen Arbeitenden, die die Tatsache erkannt haben, dass sie Sklaven des Besitzmonopols sind und dadurch aufgeweckt wurden; auch der Rebellen, die überzeugt sind, dass die Rohmaterialien und Arbeitsinstrumente nur denen zustehen, die sie zu benutzen wissen: lasst sie ihr Programm der Umwandlung dieser Dinge in Gemeineigentum präsentieren und alles herausfinden, was sie zu tun haben werden, bis dieses Programm verwirklicht ist, denn es gibt soviel notwendige Arbeit für sie, um unterwegs leben zu können, bis sie das große Kampffeld erreicht haben. Lasst sie z.B. festlegen, welche Löhne von ihren gegenwärtigen Managern zu zahlen sind oder wie viele Arbeitsstunden angemessen sind; lasst sie das Nötige tun, um Vorräte anzulegen, die Kranken, Entlassenen und Erwerbslosen zu versorgen; lasst sie erlernen, ihre eigenen Angelegenheiten zu verwalten. Mir fehlt die Zeit und auch die Kraft für eine Beschreibung, wie all das gemacht werden könnte, aber die Bildung einer solchen Organisation vorausgesetzt, kann ich mir nur vorstellen, dass sie für die beiden letzteren Zwecke das sogenannte Konzept der Kooperation* anwenden würden.

Nun, ich gehe davon aus, dass alle Sozialisten mit mir in der Befürwortung der Gründung dieser großen Organisation der Arbeiterklasse übereinstimmen und auch darin, dass die Förderung einer solchen Vereinigung ein sehr großes Werk wäre und jeden Aufwand wert. Worin einige Sozialisten sich unterscheiden werden, wird sein, dass sie nicht erkennen können, warum das alles nicht parallel oder gleichwertig zur parlamentarischen Tätigkeit geschehen könne. Ich glaube auch, dass sie zustimmen werden, dass es notwendig ist, den Arbeitern die Unversöhnlichkeit zwischen freier Arbeit und individualistischem Kapitalismus aufzuzeigen. Und um diese Tatsache zu verdeutlichen, müssen die zwei Lager von Arbeit und Kapital so fern voneinander wie nur möglich gehalten werden.

Wenn eine Arbeiterorganisation, wie ich sie Euch vorgestellt habe auf die Beine gestellt wird, Wurzeln schlägt, wächst und sich ausbreitet, wie sie es tun wird wenn die Zeit reif ist für diese oder eine andere Form der Vorbereitung von Aktionen – wie wäre dann der Zustand des Landes? Auf der einen Seite die nützlichen Klassen, verbunden in der Absicht der Veränderung der gesellschaftlichen Basis, die ihre eigene Nützlichkeit und die aller anderen anerkennen würde, die alle Klassen abschaffen würde – auf der anderen Seite ein Komitee der unnützen und besitzenden Klasse, deshalb herrschend, weil es das Kommando über Armee, Marine und Polizei hat, aber ohne Macht, etwas anderes zu tun als diese Zerstörungskräfte auf die loszulassen, die alles tun was getan wird. Womit sie ihren eigenen Lebensunterhalt zusammen mit dem ihres Gegners zerstören, ohne die Möglichkeit, sie durch Zugeständnisse zu bestechen, denn die Seite des Volkes verlangt nur eines, die Abschaffung der Klasse, die ihrerseits die Herrschaft beansprucht.

Was wird aus dem Gegensatz dieser beiden Kraftpole herauskommen – die nützliche, arbeitende Gesellschaft und die unnütze Klasse die nichts fordert, als von jener zu leben? Was kann aus diesem Gegensatz entstehen außer dem Niedergang der Nutzlosen? Könnte die bewaffnete Reaktion triumphieren? Gewiss nur für eine Weile, im schlimmsten Falle, aber wahrscheinlich würde sie nicht einmal zum Kampf antreten. Es gäbe sicher einige schwache Versuche, das vereinigte Volk mit Macht zu unterdrücken, aber es bliebe halbherzig und wäre bald zu Ende, wenn die Seite des Volkes sich treu bliebe und die Kraft ihrer Vereinigung spürt.

Worin bestünde der Nutzen für die herrschende Regierung, Gesetze für Leute zu erlassen, die ihr dieses Recht absprechen und es als ihre Pflicht ansehen, sich ihnen an jeder Stelle zu entziehen und zu widersetzen? Sie würden nichts bewirken, sondern einfach ins Leere gehen. Und jetzt beachtet, dass diese Bewegung, diese Kraft der Revolution, die wir alle herbeirufen, nur voll entstehen kann aus diesem bewußten Gegenüberstehen der beiden Mächte, der Herrschaft der Besitzenden und der freien Arbeit: alles, was dazu tendiert, diesen Gegensatz zu maskieren, zu verwirren, schwächt die Kraft des Volkes und verschafft der Reaktion neue Lebensfrist. Aber sie kann nichts mehr erschaffen, kann sich nur eine Weile über Wasser halten dank solcher Verschleppungen und Schwächen der Volkskräfte. Wenn unsere eigenen Leute einen Teil des Parlaments bilden, des Instruments des Feindes, dann helfen sie gerade die Gesetze zu machen, die wir nicht befolgen wollen. Wer ist dann der Feind? Was können wir tun, ihn anzugreifen? Der Feind ist etwas Prinzipielles, könnte man sagen, richtig, aber das Prinzip muss verkörpert sein und wie könnte es besser verkörpert sein als durch diese Versammlung von Abgesandten der Besitzenden, um ihr Monopol in allen Punkten zu verteidigen? Die Schwierigkeiten der Monopolisten glätten, sogar auf Kosten eines sichtlichen Opfers ihrer Interessen „für die Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen“? Freundschaft mit den sogenannten „Moderaten“ vorgeben (als ob es im Umgang mit einem Monopol etwas Moderierendes gäbe, statt Für oder Wider)? Kurz, einen Teil des Volkes von der Seite des Volkes abtrennen, damit es dazwischen steht, hilflos, betäubt, ermüdet von endlosen Kompromissen oder sicher geglaubter Niederlage, um dennoch der Welt als Vorhut der revolutionären Partei vorgezeigt zu werden, als Repräsentanten der aktiven oder praktischen Seite der Partei des Volkes? Das ist kein spekulativer, sondern der reale Vorteil, den das Senden von Sozialisten ins Parlament den Reaktionären in die Hand geben würde: lasst uns vielmehr darangehen, einem großen Zusammenschluss der Arbeiter außerhalb des Parlaments Kraft zu verleihen; nennt ihn Arbeiterparlament, wenn ihr wollt, und wenn das geschehen ist, seid sicher, dass seine Dekrete befolgt werden und nicht die des Westminster-Komitees.

Und was immer über die Möglichkeit eines solchen Plans in anderen Ländern gesagt werden kann, in Britannien ist er durchführbar, weil politisch gesehen die Situation der Arbeiter hier besser ist als irgendwo in Europa. Sogar obwohl es Länder gibt, in denen das Wahlrecht umfassender ist: die Gewohnheit der Demokratie hat die Oberherrschaft auch über jene Leute und Parteien gewonnen, die in ihrem Fühlen und Bestreben am wenigsten demokratisch sind, und sie können nicht so wie sie wollten, so dass jede englische Regierung, ob von den Tories oder Liberalen, in ihren reaktionären Vorstössen behindert ist und es nicht wagen wird, eine offene Meinungsäußerung anzugreifen, außer wenn sie zur Verzweiflung getrieben ist. Die Vereinigung der Arbeit, die ich euch vorgestellt habe, wird von ihrem Gegner, dem Parlament, nicht offen angegriffen werden bis es dazu zu spät ist. Bis sie ihre erste Arbeit erfüllt hat, Hoffnung unter allen Arbeitern zu wecken; die Hoffnung, ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen und sich von den Monopolen zu befreien.

Nun wird natürlich richtig gesagt werden, dass die Befürworter der Parlamentsbeteiligung unter uns ebenso erwartungsvoll wie wir dieser großen Arbeitervereinigung entgegen sehen: aber erstens kann ich es mir nicht anders denken, als dass in der Praxis das parlamentarische Projekt der Bildung dieser breiten Organisation im Wege stehen wird, deren konzentriertes Ziel und deren Direktheit im Vorgehen mir als genau das erscheint, was wir brauchen: dass der Aufwand für Erfolge im Parlament jeden anderen Aufwand verschlucken wird, dass ein Erfolg in dieser Richtung dann als das Ziel selbst angesehen werden wird. Man könnte jedoch wieder sagen, dass man sich gegen diesen Fehler schützen und ihn vermeiden könne, aber ich bin weit davon entfernt, das als sicher anzunehmen. Aber gut, die Organisation an die ich denke, hätte einen wesentlichen Punkt der Unterscheidung von jeder anderen, die als Teil des parlamentarischen Aktionsvorschlags aufgebaut werden könnte: ihr Ziel wäre es, direkt zu agieren; was immer getan würde, es würde von den Leuten selbst getan, deshalb gäbe es keine Möglichkeit für Kompromiss oder dazu, dass diese Vereinigung sich zu etwas anderem entwickeln würde als beabsichtigt; nichts könnte ihren Platz einnehmen; vor allen ihren Mitgliedern würde nur eine Alternative zum vollständigen Erfolg  stehen, nämlich der vollständige Misserfolg. Kann ebenso viel von irgendeinem Plan gesagt werden, der die Repräsentanten des Volkes in die Formierung einer Teilorganisation einbindet, dessen Zweck die weitere Versklavung des Volkes ist?

Ich denke dass ich meine Ansicht über diese beiden Aktionspläne besser erklären kann mit einer Beschreibung dessen, was ich mir erwarte, wenn sie jeweils angewandt werden. Das sollte nicht als Prophezeiung missverstanden werden, ich versuche nur, die logischen Konsequenzen darzustellen. Nehmen wir als erstes die nicht-parlamentarische Linie und beginnen wir da, wo wir jetzt sind, das heißt bei einer sozialistischen Bewegung, die sich noch in ihrer ideellen Phase befindet. In diesem Stadium sehen nur die, die über die Sache nachgedacht haben, die Notwendigkeit, die Gesellschaft auf eine neue Basis zu stellen; es ist noch die Zeit, in der die unmittelbaren Bedürfnisse diese Notwendigkeit nicht aufzwingen. Solange das so bleibt, werden nur diejenigen sich ernsthaft der Bewegung anschließen, die genügend Intelligenz haben um Prinzipien zu akzeptieren und aus ihnen folgende Ereignisse vorwegzunehmen. Aber sie werden eine solide Gruppe bilden, die deshalb nicht unterdrückt werden kann und durch aufgeschobene Hoffnungen nicht entmutigt wird. Sie werden andere unterrichten und beim Unterrichten selbst hinzulernen und wenn der erwartete Zusammenbruch des Monopolsystems näher kommt, werden immer mehr Menschen durch die Umstände zu dieser Überzeugung gebracht, bis zuletzt die reinen Notwendigkeiten des Lebens den Hauptteil der Arbeiter zum Anschluss drängen. Diese werden nicht nur eine Haufen Unzufriedener vorfinden, sondern einen Kreis von Menschen, die die Ziele des Sozialismus vermitteln und besonnen über Wege und Maßnahmen beraten können. Sie werden dann zu der kräftigen Vereinigung gewachsen sein, von der ich gesprochen habe, zur Repräsentanz der Gesellschaft der Produktion, der direkten Opposition gegen die Gesellschaft der Ausbeutung, die nach der Verfassung durch die Regierung repräsentiert wird, durch ihre Gesetze und die von ihr ausgeübte organisierte brachiale Gewalt. Die revolutionäre Vereinigung wird ihre Pflichten in zwei Bereiche aufgeteilt sehen: die Erhaltung und Betreuung ihrer Leute während die Dinge sich dem letzten Kampf zubewegen und der Widerstand gegen die verfassungsmäßige Autorität unter Einschluss des Umgehens oder des Widerstands gegen ihre willkürlichen Gesetze.

Ihre hauptsächlichen Waffen in dieser Phase werden die eigene Zusammenarbeit und Boykott sein und der letztere wird alle Streiks einschließen, die notwendig sein werden. Ob es dazu kommt, dass andere Waffen verwendet werden, hängt vom Verhalten der Reaktion ab: ihr Lager wird wahrscheinlich durch den stetigen Vormarsch der Revolution paralysiert und  wahrscheinlich wie in Frankreich in der vergangenen Revolution seine hochgerüstete brutale Gewalt auf unentschlossene, halbherzige Weise nützen: es ist auch jetzt keineswegs sicher, wie in den Zeiten des Chartismus, dass die Drohung mit einem Generalstreik für die Reaktion zum Signal würde, ihre Armee auf das Volk loszulassen.

Im angenommenen Fall einer solchen Krise könnten die Revolutionäre einer wirklichen Schlacht zuvorkommen und einmalig und zu einem ganz bestimmten Zweck das feindliche Parlament benützen, indem sie Mitglieder hinein schicken um die Reaktionäre aus eben diesem Grund zu überstimmen: wenn sie dadurch auch nicht die Befehlsgewalt über die Armee bekommen, würden sie zumindest ihre Aktionen lähmen, indem sie ihre Legalität zweifelhaft machen. Denn wenn zwar ein Revolutionär mit dem Strick um den Hals gut kämpfen kann, so ist ein derartiges Halsband für den Konterrevolutionär eine verfängliche Zierde. Von den Revolutionären jenseits dieser Schwelle kann ich nichts sagen, außer dass durch ihre lange Erfahrung, die sie in den Anfangsphasen einer Arbeiterorganisation gewonnen haben werden (durch die Vertretung der Interessen der wirklichen Produzenten und noch mehr durch die Leitungserfahrung, die sich in dieser Phase verbreitern wird), der Morgen der Revolution ihnen zu einer leichteren Phase wird als für eine Bewegung, die es noch nicht gelernt hat, sich selbst zu helfen. Im übrigen sollte ich sagen, dass der letzte Artikel unseres Freundes Paul Lafargue in Commonweal klar genug die Richtung der zu unternehmenden Schritte in der Reorganisierung der Gesellschaft aufgezeigt hat.

Jetzt eine kurze Geschichte des Plans der parlamentarischen Aktion: Vom selben Punkt ausgehend wie die Anti-Parlamentarier müssen sie die absolute Notwendigkeit einer Wahlkampagne predigen und so bald wie möglich darangehen. Dann werden sie ein Reformprogramm herausbringen müssen, das aus den Prinzipien des Sozialismus abgeleitet ist, wobei wir voraussetzen, dass sie dabei so weit wie möglich gehen. Sie werden um Unterstützung (d.h. die Stimmen) einer großen Zahl von Leuten werben müssen, die keine überzeugten Sozialisten sind und und ihr Reformprogramm wird der Köder sein, um diese Stimmen einzufangen. Und für den gewöhnlichen Wähler wird dieser Köder das interessante Stück dabei sein und nicht das Prinzip, zu dessen Beförderung er als Instrument dienen soll: wenn der gewonnene Wähler das Manifest der parlamentarischen Gruppe liest, wird er kaum Notiz von der davor stehenden Prinzipienerklärung nehmen, sondern eifrig die Maßnahmenvorschläge kritisieren, die er darunter findet. Und wenn korrekt mit ihm umgegangen wird, muss ihm gesagt worden sein, dass diese Maßnahmen nicht als Lösung der sozialen Frage vorgeschlagen wurden, sondern – kurz gesagt – als Grundköder für ihn, damit er schlußendlich dazu gebracht wird, sich die wirklichen Prinzipien des Sozialismus anzusehen und sie anzunehmen. So bleibt es unmöglich, ihm gerecht zu werden und die sozialistischen Mitglieder werden, wenn sie ins Parlament kommen, eine heterogene Sammlung von Meinungen repräsentieren: ultra-radikal, demokratisch, unzufrieden-unpolitisch – eher das als einer festen Gruppe von Sozialisten und es werden diese Meinungen und Vorurteile sein, die das Handeln der Mitglieder des Parlaments beeinflussen. Mit diesen Fesseln müssen die sozialistischen Abgeordneten handeln und was immer sie vorschlagen, es wird eine Kompromissangelegenheit sein. Aber selbst diese Maßnahmen werden sie nicht durchbringen, denn lange bevor ihre Partei mächtig genug sein wird, um eine respektable Allianz mit anderen Parteien zu schließen, wird die eine oder andere Sektion von gewöhnlichen Politikern (aus ihren Reihen) etwas auftischen, was ganz ähnlich wie das geforderte Ding der Sozialisten aussieht und als solches durchgeht: denn wenn es einmal sozialistische Abgeordnete gibt, werden sie der breiten Öffentlichkeit als Vertreter eines „einzigen“ Sozialismus erscheinen. Das Resultat eines solchen „Erfolges“ wird also sein: die Notwendigkeit das sozialistische Programm zu erneuern auf der einen Seite und auf der anderen eine Stärkung der moderaten Kräfte. Und in dieser Art des Handels wird es immer so weitergehen mit zumindest dem Ereignen einer weiteren Niederlage und einem weiteren zeitlichen Gewinn – aber nicht für die Sozialisten, sondern entweder für die Reaktionäre oder die Demokratische Partei. Die letztere (immer eine schwache und wenig effektive Partei in diesem Land) wird bis zu einem gewissen Punkt von einer Art Halb-Sozialismus durchtränkt und dadurch viele ihrer Mitglieder an die „moderaten“ Reaktionäre verlieren, auf der anderen Seite ein Rekrutierungsfeld für die Sozialisten bieten.

Nun, das wird so laufen bis entweder die sozialistische Partei in der fortgeschrittenen demokratischen Partei aufgeht oder bis sie sich umsehen und herausfinden, dass sie, wenn immer noch als Sozialisten, nichts erreicht haben, außer den Reaktionären Möglichkeiten gegeben zu haben, die Basis für das Monopol zu verbreitern durch Schaffung einer neuen Mittelklasse unterhalb der bestehenden und so den Tag der großen Veränderung hinausgeschoben zu haben. Und wenn sie sich dessen bewusst werden und die parlamentarische Arbeit als Fehler entdeckt wird – was bliebe ihnen übrig, als noch mal von vorne zu beginnen und zu versuchen, diese beiden Lager gegenüberzustellen? – beide sich ihrer wahren Position bewusst: die einen als Monopolisten, die anderen als die Sklaven der Monopolisten.

Selbst angenommen, dass sie erfolgreich sind, das konstitutionelle Parlament zu vermehrten Reformen hinzuquälen und bis zu einer revolutionären Krise zu gelangen, dann wären ihre Schwierigkeiten noch lange nicht zu Ende: denn sie müssten dann eine Bevölkerung regieren, die unwissentlich und getäuscht in den Sozialismus geführt wurde, anstatt ihn als verstandene Notwendigkeit anzunehmen, und im Regieren einer solchen Bevölkerung hätten sie den Nachteil, nicht über die Erfahrung zu verfügen, die sie durch Beteiligung an der Organisierung des produzierenden Teils der Gesellschaft erworben hätten, die sie darin wie schon im Vorgriff auf die Zukunft angelernt und ihnen die sozialen Verhaltensweisen vermittelt hätte, ohne die jeder sozialistische Versuch ein Mühlrad ohne antreibende Kraft bleiben wird. Gerade erst ihr Erfolg würde dann zur Konterrevolution führen, denn sie müssten den Mangel an Erfahrung, die sie sich in ihrer Kampfzeit nicht erarbeitet haben, mit roher Gewalt verdrängen. Zweifellos würde uns diese Konterrevolution auf lange Sicht auch wieder zu dem Zustand einer wahren Gesellschaft führen: aber müssen wir durch all diese Schwierigkeiten, durch Konfusion und Elend gehen? Lasst uns anfangen, gegen die Konterrevolution zu arbeiten, indem wir uns ein sicheres Verständnis erarbeiten, was wir als Sozialisten wollen, um uns in unserem neuen Heimatland zuhause zu fühlen, wenn wir dort ankommen – wir und alle anderen, die wir in das neue Land führen.

Doch ich möchte im Moment nichts mehr gegen die parlamentarische Tätigkeit sagen, die manche unserer Freunde für den jetzt notwendigen Schritt zum Voranbringen des Sozialismus halten. Ich möchte vor allem versuchen, das zusammenzufassen, was ich zugunsten der Nichtanwendung dieser Strategie zu sagen hatte: Vor allen anderen Dingen ist es notwendig, dass die arbeitenden Klassen ihre gegenwärtige Position verstehen; dass sie nicht aus Zufall in einer untergeordneten Position sind, sondern als Konsequenz der Position der anderen Klassen, die von ihrem Besitzmonopol leben. Wenn sie das gelernt haben, werden sie damit auch die Notwendigkeit einer Veränderung der Basis der Gesellschaft erkennen: sie werden stark genug sein, wenn sie sich entsprechend vereinigen, um diese Veränderung herbeizuführen. Aber ihre wirkungsvolle Vereinigung hängt von der Erkenntnis ab, dass sie nach den bestehenden Regeln der Gesellschaft von dieser nichts bekommen werden außer Zugeständnissen, die ihre Sklaverei aufrecht erhalten sollen: sie müssen wissen, dass sie eingeladen werden zum Mit-Wählen und zu einer gewissen Beteiligung an der Regierung, damit sie ihren Beherrschern herausfinden helfen, was zugestanden werden muss und was den Arbeitern verweigert werden kann; und um ihnen den Anschein von Betätigungsfreiheit zu geben.

Aber die Arbeiter können auch eine Organisation bilden, die, ohne sich um das Parlament zu kümmern, von den Herrschenden die notwendigen Zugeständnisse in der Gegenwart erzwingt und die die vollkommene Abschaffung der besitzenden Klassen und ihrer Herrschaft zum Ziel hat. Durch die Aktivitäten, die vor einer solchen Organisation stehen, würden die Mitglieder in Leitungsaufgaben ausgebildet, wodurch sie mit gründlichem Wissen über Fähigkeiten und Bedürfnisse der Arbeiter bei Beginn der Revolution in der Lage wären, den Wirtschaftsbetrieb mit geringsten Missgriffen weiterzuführen und möglichst all das zu unterlassen, was besser nicht getan wird, um einer Gegenrevolution keine Gelegenheit zu geben. Das scheint mir der direkteste Weg zum Sozialismus zu sein und damit auf lange Sicht der kürzeste.

Ich weiß, dass das von den Pionieren die Eigenschaften von Geduld und Hingebung und das Sich-selbst-Zurückstellen abverlangt, aber es wäre ein Gemeinplatz zu sagen, dass Ungeduld, Sorglosigkeit und Egoismus Hindernisse für jede Sache darstellen und bekämpft werden müssen. Wenn der kämpferische Sozialismus es nicht schafft, Köpfe einzugliedern, die irgendwie über dem Durchschnitt sind und solche fern zu halten, die um einiges darunter sind, dann kann nichts getan werden außer still zu sitzen und zu sehen, was passiert. Das aber können und werden wir nicht tun; etwas müssen wir tun, wie fatalistisch wir auch sein mögen: meine Hoffnung liegt darin, dass wir uns in der Quintessenz und im Geist schon jetzt als Sozialisten erweisen, auch wenn wir noch nicht Sozialisten im ökonomischen Sinne sein können.


„The Policy of Abstention from Parliamentary Action“. Der Text wurde im Sommer 1887 mehrmals vorgetragen, so am 30. Juli auf einem Treffen der Hammersmith Branch der Socialist League und am 24. August vor der Clerkenwell Branch im Saal der Socialist League, Farringdon Street.

Erstveröffentlichung 1936 in William Morris: Artist, Writer, Socialist durch May Morris.

Eigene Übersetzung, 2013
Der in manchen Begriffen nicht leicht zu übersetzende Text im englischen Original: http://www.marxists.org/archive/morris/works/1887/policy.htm

* Das Wort „Co-operation“ war damals von der weniger revolutionären Genossenschaftsbewegung geprägt. Die Übersetzer interpretieren diese Stelle als freundschaftlichen Seitenhieb.

For whom shall we vote? Ein Flugblatt aus der Anfangszeit der Socialist League, verfasst von William Morris.

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