Walter Crane: Nachruf auf William Morris

William Morris – Dichter, Künstler, Handwerker
und Bildner einer neuen Gesellschaft.

1886-walter-craneWilliam Morris‘ Tod bedeutet eine Epoche für die Kunst wie auch für die soziale und ökonomische Ideenwelt. Die über ihn erschienenen Zeitungsberichte und Nachrufe betonen zumeist nur seine Leistungen als Dichter, Künstler und Handwerker; über seine sozialistischen Bestrebungen und seine fortschrittliche Denkweise gingen sie oberflächlich hinweg.
Abgesehen von allen Vorurteilen sehen eben Hunderte die Schönheit und die Pracht der Blüte, während nur Einer auch die Blätter und den Stengel beachtet oder die Wurzeln und den Boden, dem der Baum entspringt. Und doch kann die Größe eines Menschen nur nach seiner Vielseitigkeit ermessen werden, nach der Weite seines Gesichtskreises, nach dem Ziel seines Strebens.
In all den verschiedenen Zweigen seiner Tätigkeit erwarb sich Morris die Bewunderung – oder, was noch mehr für seine Kraft spricht, erregte er den Widerspruch – solcher Leute, die ausschließlich in einem dieser Fächer tätig waren.
Den Dichtern imponierte er durch viele hervorragende dichterische Eigenschaften. Er vereinigte prä-raphaelitische Lebendigkeit (wie in The Haystack in the Floods) mit träumerischer, sehnsuchtsvoller Anmut und fließender Erzählungsgabe; im Earthly Paradise fesseln uns die an ein reiches mittelalterliches Teppichgewebe mahnenden Verse voll legendenhafter Romantik; in Sigurd the Volsung der heroische Geist einer früheren Zeit, während in seinen späteren Prosa-Romanen sich alle diese Vorzüge vereinigt finden.
Seine architektonischen und archäologischen Kenntnisse wieder waren eines Architekten oder Altertumsforschers würdig. Sein klassisches und historisches Wissen gewann ihm die Achtung der Gelehrten. Seine geistige Ausrüstung als Zeichner und Handwerker, die auf seinem architektonischen Wissen und Können fußte, setzten ihn in den Stand, einen außergewöhnlichen Einfluss auf alle bildenden Künste auszuüben und verschafften ihm seine Stellung als Führer des Aufschwungs, den das englische Kunsthandwerk neuerdings genommen – die Stellung, in der er jedenfalls am weitesten bekannt ist.

membershipDie Kraft und Schönheit von William Morris‘ Werken ist in all diesen Fächern von seinen Handwerkskollegen, wie auch vom großen Publikum willig anerkannt worden.
Und dennoch gibt es noch eine Richtung, in der seine Stärke und seine persönliche Überlegenheit mit all dem Feuer eines glühenden Naturells sich geltend machten, wo aber die Bedeutung und Wichtigkeit seiner Arbeit bis jetzt noch nicht volle Würdigung gefunden. Ich meine seine Tätigkeit für die Sache des Sozialismus, für den er als Denker, als Propagandist und als Streiter wirkte.
Ohne Zweifel waren viele der glühendsten Bewunderer von Morris als Poet, Künstler der Dekorateur nicht im Stande, ihm auf diesem Weg zu folgen, während andere seinen sich selbst aufopfernden Enthusiasmus beklagten oder sogar öffentlich rügten. Manchen Gemütern war es, wie es scheint, unbegreiflich, dass der Mann, der das „irdische Paradies“ geschrieben, sich auch dazu hergab, dasselbe auf Erden schon anzustreben, nachdem ihm die Vorahnung davon einmal aufgedämmert war.
Man irrt sehr, wenn man in Morris einen sentimentalen Schwärmer sieht, der, nachdem er sich aus Kunst und Poesie ein Traumschloss errichtet hat, über das Getümmel der Welt seufzt und sich Sozialist nennt, weil die Fabrikschlote sein Auge beleidigen.
Diese Leute vergessen, dass, um mit Emerson zu sprechen, „ein Mensch nur seiner eigenen Natur gehorchen kann“. Sein Leben muss notgedrungen nach seinem Mittelpunkt gravitieren. Der Zufall, dass er durch die Kunst und die Poesie zur Ökonomie und Politik gelangte, bildet durchaus keinen Grund, einem Mann das Recht abzusprechen, gehört zu werden, sondern begründet bloss seinen Anspruch, dass ein gebildeter Geist und eine kraftvolle Phantasie sich stützen sollen auf die harten Tatsachen der Natur und der Wissenschaft.
Die Ausübung seiner Kunst, seine Stellung als Arbeitgeber, seine ungemein praktische Kenntnis einiger Handwerke – alles dies brachte ihn in unmittelbarste Berührung mit der großen Arbeiterfrage; und die Tatsache, dass er Künstler und Dichter, ein Mensch voll Phantasie und Gefühl und auch von scharfem Verstand war, bot ihm außergewöhnliche Vorteile, sie zu lösen – theoretisch wenigstens. Seine offene und praktische Natur trieben ihn an, sich mit Männern zu vereinigen, die ein durchführbares Programm entwarfen oder die wenigstens eine Möglichkeit zeigten, wie ein neues gesellschaftliches System anzubahnen sei.
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Seine eigene persönliche Ansicht von einer auf einer völligen ökonomischen Umwälzung basierten Gesellschaft ist höchst anziehend und malerisch dargestellt in News from Nowhere. Er nannte es Utopie; aber nach seiner Ansicht und unter den gegebenen Bedingungen war es eine vollständig durchführbare Utopie. Er gab sogar (durch den Mund eines Überlebenden aus der alten Zeit) Rechenschaft über den möglichen Verlauf der Dinge, der zu solch einer Veränderung führen könnte. Das Buch war als eine Art Gegenstück zu Edward Bellamys Looking Backward geschrieben, das bei seinem Erscheinen zu beiden Seiten des Ozeans ungemein viel gelesen wurde und dessen Schilderung eines sozialistischen Staates eine Zeit lang als die einzig mögliche hingenommen zu werden drohte. Es ist ja zum Teil erklärlich, dass man in gewissen Kreisen die Empfindung nicht los wird, ein sozialistisches System müsse notgedrungen ein rein mechanisches sein. Aber die in Looking Backward geschilderte Gesellschaft ist denn doch nicht viel weiter gediehen als die jetzige Gesellschaft Amerikas; wir finden da die Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse des Durchschnittsbürgers durch mechanische Mittel. Den Haupthebel bildet die Maschine, bloß dass diese nicht mehr zum Profit des Individuums, sondern im Interesse der Allgemeinheit angewendet wird. Das Buch hat zweifellos seine Schuldigkeit getan und es hat mit bemerkenswerter Kraft auf Köpfe von einer gewissen Bildung und mit gewissen Neigungen gewirkt, und wir müssen Bellamy die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er die Frage damit nicht für erledigt hielt.

Aber News from Nowhere darf man als den völligen Gegensatz zu diesem Buch betrachten, abgesehen von dem Prinzip des Gemeininteresses als entscheidendem, bildenden Faktor des gesellschaftlichen Systems, das beiden zugrunde liegt.
Nach Bellamy ist offenbar das Stadtleben die einzig lebenswerte Existenz, und des Lesers Aufmerksamkeit wird auf die Organisation der Erzeugung und Verteilung jener Güter gelenkt, die für den Gebrauch der Stadtbewohner unumgänglich nötig sind.
Bei Morris hingegen ist sichtlich das Landleben das großartigere, das ideale Leben. Häusergruppen, nicht zu ausgedehnt, mit gemeinsamen Hallen für Gäste versehen, mit großen Gärten und Waldgründen, nehmen die Stelle der Städte ein. So verschwindet das London, wie wir es kennen.
Was ist dies anderes als ein Weiterbauen auf den heute wissenschaftlich begründeten Tatsachen, dass die Bewohner großer Städte physisch herabkommen und ausstürben, käme nicht immer neues frisches Blut aus den Landbezirken?
In Looking Backward ist die Arbeit noch eine harte Notwendigkeit, so dass alle jene, die der Gesellschaft bis zu ihrem fünfundvierzigsten Jahre als Verkäufer, Kellner der sonst was immer gedient haben, frei sind.
Bei Morris ist die Arbeit die Würze des Lebens, und jede Beschäftigung wird durch die Kunst geadelt; sogar der Kehrrichtsammler kann sich daran erfreuen, indem sein Kleid reich bestickt ist. Das Gespenst der Arbeit ist verbannt durch das Vergnügen der Betätigung mit reichlicher Muße und der Freude an der äußeren Schönheit von Natur und Kunst.
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Die Frauenfrage wird in seiner Utopie nie aufgeworfen. Er dachte offenbar, dass mit dem Verschwinden des industriellen Konkurrenzkampfes und der durch die Monopolisierung der Existenzmittel hervorgerufenen „künstlichen Hungersnot“, wie er es nannte, der Anspruch der Frauen, mit den Männern um die Erringung einer Existenz wetteifern zu müssen, erlöschen würde. Da gäbe es keine Notwendigkeit mehr für Mann oder Frau, sich zu verkaufen, denn in einem wirklichen sozialistischen Gemeinwesen fände jedes den ihm zusagenden Wirkungskreis. Morris sagte es tatsächlich einmal selbst: „Löst die ökonomische Frage und ihr habt die anderen Fragen alle gelöst. Sie ist der Zauberstab für alles Übrige.“ Ich nehme an, dass er wünschte, Mann und Frau sollten frei sein, doch keineswegs den Geschlechtsunterschied ausgelöscht und verneint sehen wollte, noch all die feinen und duftigen Empfindungen, die daraus entspringen und die jene zarten Fäden und Gewebe schlingen, welche das Leben so sehr verschönern.
Man mag nun kritisieren wie man will und einwenden was man will, die Auffassung der Möglichkeit einer solchen gesellschaftlichen Ordnung, die Aussicht auf eine Leben auf einer neuen ökonomischen Basis, wie sie in diesem entzückenden Buch gegeben wird, ist gesund, liebenswürdig und menschlich. Wenn es dem größten Teil der Menschheit unter den jetzt bestehenden Einrichtungen nicht gegönnt ist, gesund, vergnügt und menschlich zu leben, um so schlimmer für diese Einrichtungen. Die Menschheit hat sich gewöhnlich besser wie ihre Einrichtungen gezeigt, und der Mensch zeichnet sich vor den Tieren dadurch aus, dass er die Macht hat, seine Lebensbedingungen umzugestalten. Das Leben bedeutet Wachstum und Veränderung, und die menschliche Entwicklung zeigt uns einen stufenweisen Fortschritt, einen allmählichen Triumph der höheren Organisation und Intelligenz über die niedrigere, aufgehalten durch das unerbittliche Walten der Naturgesetze, welche Sühne fordern für die Vergehen gegen Moral und Gesetz und unablässig die Grundlagen der Gesellschaft prüfen. Der Mensch ist geworden was er ist durch die Fähigkeit zu gemeinnützigem Wirken. Die besonderen Formen der gesellschaftlichen Organisation sind aus dieser Fähigkeit entstanden. Es sind bloß Eierschalen, die abgestreift werden, wenn sie Fortschritt oder Wachstum hindern, und dann sucht oder bildet der lebendige Organismus, sei er nun gesellschaftlich oder individuell, eine neue Hülle.
Wie nach seiner Idee und seinem Ideal die Form und die Farbe des neuen Heims für die neugebildete Gesellschaft und das neugeschaffene Leben sein sollte, darüber hat uns William Morris keinen Zweifel gelassen.
Es mag sonderbar scheinen, dass ein Mann, der das Mittelalter so sehr erforscht hatte und der sich an einer eingebildeten romantischen Welt voll heroischer Gestalten entzückte, dennoch es vermocht, von jener Traumwelt sich abzuwenden und sich mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit in den tobenden sozialen und industriellen Kampf des modernen England zu stürzen; dass der „sorglose Sänger eines müßigen Tages“ den Ansprüchen und Hoffnungen der Arbeit seine Stimme leihen, auf dem Trafalgar Square für das Recht der freien Rede eintreten und im Hyde Park von einer Tribüne herab sprechen würde, mag diejenigen überrascht haben, die ihn nur einseitig kannten. Jene aber, die seine ehrliche, aufrichtige, feurige Natur voll erkannten, war solches Vorgehen nur deren Ergänzung und logisches Ergebnis, und sicherlich gereicht es dem Künstler, dem Gelehrten und dem Dichter, den wir heute beweinen, nur zur Ehre, dass er auch ein ganzer Mann war.

Artikel aus der Neuen Zeit (dem theoretischen Monatsblatt der SPD vor 1918), Anfang 1897.
Den Artikel schrieb Walter Crane auf Anfrage der Neuen Zeit, er erschien im November 1896 auch in der Progressive Review. Da die Übersetzung der Neuen Zeit nicht immer ganz treffend ist, hier neben den Seiten aus der Neuen Zeit auch den englischen Text: NeueZeit und Progressive Review

Walter Crane (1845 – 1915) war ein hervorragender und international einflussreicher Zeichner und Buch-Illustrator und ein enger Freund von Morris. Gemeinsam traten sie 1884 der Social Democratic Federation bei und gehörten bis zu Morris‘ Tod denselben sozialistischen Organisationen an. Auch in der Arts and Crafts Society arbeiteten sie eng zusammen.
Triumph-der-Arbeit-webWalter Crane schuf eine ganze Reihe weit verbreiteter Zeichnungen für die sozialistische Sache, darunter eine Zeichnung zum allerersten 1. Mai von 1890 (groß abgebildet) und einen Holzschnitt im Posterformat zum 1. Mai 1891, hier abgebildet aus der Maifestschrift der SPD von 1891. Dazu schreibt er in seinen Erinnerungen: „In diesem Jahr brachten wir auch den großen Holzschnitt heraus, den ich für den 1. Mai-Tag der Arbeiter entworfen habe. Er war von Heinrich Scheu vorgeschlagen worden, der auch das Stechen ausführte, da er sich in dieser Zeit graphisch betätigte. Das Bild wurde Der Triumph der Arbeit benannt und stellt eine Prozession von Arbeitern verschiedener Berufe der Hand und des Geistes dar, die Banner und Embleme tragen, die ihre Ideale zeigen, wie Das Land dem Volk – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Lohnarbeiter aller Länder, vereinigt Euch – Internationale Solidarität der Arbeit – Arbeit ist die Quelle allen Reichtums. Da der Druck gleichzeitig in verschiedenen Ländern veröffentlicht werden sollte, wiederholte ich die Leitgedanken in Französisch und Deutsch und ich glaube auch in Italienisch. William Morris sagte mir, er halte es für ‚das Beste, was ich je gemacht hätte‘.“ 

Die Lebenserinnerungen von Walter Crane mit vielen Bezügen zu Morris:
https://archive.org/details/cu31924089404721
Bücher zur Kunsttheorie: „William Morris to Whistler“
https://archive.org/details/williammorristow00cran
„Die Forderungen der dekorativen Kunst“
http://goobipr2.uni-weimar.de/viewer/ppnresolver?id=PPN651709199

Dieses Buch wurde auch in Deutschland gut aufgenommen. So schreibt der Münchner Universitätsprofessor Richard Streiter 1896 folgendes über Walter Crane und die Engländer:
„Die wahrhaft reformatorische Bedeutung der Rossetti, Edward Burne-Jones, William Morris, Walter Crane auf allen Gebieten des Kunstgewerbes und der dekorativen Kunst lernt man erst richtig beurteilen, wenn man Walter Cranes unlängst in deutscher Übersetzung von Otto Witsch erschienenes Buch „Claims of Decorative Art“ (Die Forderungen der dekorativen Kunst, Berlin, 1896) liest. Viele, die die Zeichnungen dieses Künstlers in unseren Ausstellungen betrachteten, werden sich vielleicht gewundert haben, dass von diesem Manne so gar viel gesprochen und geschrieben wird; sie werden manches in seinen Entwürfen zu weich, zu süß gefunden haben und werden gedacht und gesagt haben: Leute, die so etwas machen können, haben wir in Deutschland auch, wir haben sie schon gehabt zu Zeiten unserer Romantiker. Nun, das kann wohl nicht bestritten werden, soweit man nur die einzelne malerische Leistung im Auge hat. Gewiss, manche unserer Romantiker, Moritz v. Schwind an der Spitze, haben auf dem Gebiete der Märchenillustration, der Buchornamentik vieles geschaffen, was Walter Cranes Blättern mindestens ebenbürtig ist und wir haben unter unseren jetzt lebenden Stilisten Meister der Zeichnung, die weitaus kräftiger, sicher, tiefer sind. Aber Walter Crane unterscheidet sich doch von diesen unsern Meistern wesentlich dadurch, dass er bewusster und konsequenter immer und überall auf das Dekorative hin arbeitet und dass er – was vor allem seinen außerordentlichen Einfluss erklärt – Kunstsozialist ist. Das Ideal, dem der Künstler sein ganzes Leben und Streben geweiht hat, ist eine Volkskunst im weitesten und edelsten Sinne, eine Kunst, die nicht nur ein Luxus für die Reichen, ein teures Reiz- und Genussmittel für die Feinschmecker unter den oberen Zehntausend, sondern eine alles durchwärmende und verklärende Verschönerung unseres täglichen Lebens sein soll. Walter Crane will, wie ein rechter Messias, die erquickenden und befreienden Segnungen der Kunst unter die breiten Schichten des Volkes tragen, unter die Millionen der modernen Sklaven der Arbeit. Deshalb wird, was die meisten Leser wundern mag, in seinem Buch über die dekorative Kunst die soziale Frage so oft berührt und so eingehend behandelt, deshalb wird immer und immer wieder auf den Zusammenhang der Kunstzustände mit den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen hingewiesen. Mit einem an Fanatismus grenzenden leidenschaftlichen Eifer verklagt Crane die kunstfeindliche Herrschaft des Kapitalismus und Industrialismus, den nur auf den Profit bedachten, nüchternen, geschäftlichen Geist unserer Zeit; mit radikaler Schärfe und Konsequenz geißelt er die jetzigen Kunstzustände mit ihrer Überproduktion, dabei übertriebenen Schätzung von Staffeleibildern, dem ungesunden Ausstellungswesen, dem Mangel an Sinn für die angewandte Kunst, das Dekorative. (…) Jedenfalls lässt Walter Cranes eigenartiges und geistvolles Buch, das den Künstler auch als gewandten Schriftsteller zeigt, zu der Überzeugung gelangen, dass die englische Bewegung in den dekorativen Künsten keine Mode ist; dass sie hervorgerufen und zum Siege geführt ist von Männern, die die Lebensfragen der angewandten Kunst bis in die tiefsten Wurzeln hinein untersuchen; die offen und unerschrocken den Kampf aufnehmen mit den feindlichen Mächten; die sich nicht zu hoch dünken, mit allen handwerklichen und industriellen Techniken sich vertraut zu machen; die unermüdlich darauf hinarbeiten, jede Form, jede Äußerung des alltäglichen Lebens mit einem künstlerischen Hauch zu veredeln. Und wie es Walter Crane, der Tafelbilder großen Stils wie den „Wettlauf der Stunden“, „Die Brücke des Lebens“ malt, nicht verschmäht, neben zahlreichen, prächtigen Entwürfen für Tapeten, Friese, Stuckreliefs, Mosaiken auch die einfachsten Muster für Vorlegepapier zu Bucheinbänden zu zeichnen, so haben seit dreißig Jahren Rossetti, Morris, Burne-Jones und ihre Schüler und Anhänger reformatorisch auf allen Gebieten des Kunstgewerbes eingegriffen und zugleich in unermüdlicher Agitation durch Ausstellungen, Vorträge, Schriften das Publikum für ihre Vorstellungen gewonnen.“

aus: Richard Streiter, „Das deutsche Kunstgewerbe und die englisch-amerikanische Bewegung“, in: Ausgewählte Schriften zur Ästhetik und Kunstgeschichte, München, 1913
Biographisches zu Richard Streiter und ein interessanter Artikel über Münchner Architektur: Richard Streiter

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