Mrs Townshend: William Morris und das kommunistische Ideal

Kindheit.
William Morris wurde 1834 geboren und starb 1896.  Sein Arbeitsleben fiel damit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, genau in die Periode, als die Kommerzialisierung am zügellosesten war.  Es war eine Zeit des Friedens und der Prosperität.  Fabrikunternehmen strichen die Profite aus den großen Entdeckungen vom Anfang des Jahrhunderts ein, Eisenbahnen und Dampfschiffe gaben den Geschäften neue Impulse.  Die lange Regierungszeit einer tugendhaften und engstirnigen Monarchin begünstigte das Anwachsen einer vulgären Selbstgefälligkeit.  Es war eine schräge Zeit, eine Zeit rapid zunehmenden Reichtums, der schlecht verteilt war und schlecht ausgegeben wurde.
Morris war Teil einer wohlhabenden Mittelklasse-Familie.  Seine Kindheit verbrachte er in einem großen Haus am Rande von Epping Forest, das auf einen großen Streifen des fruchtbaren Landes von Essex blickt, wo sich die Themse durch die Marschen windet. Er durchlebte eine glückliche Kindheit in einem friedlichen, altmodischen, wahrhaft englischen Zuhause.  Mit vierzehn wurde er nach Marlborough geschickt.  Er beteiligte sich jedoch nur wenig am Schulleben, nahm nicht Teil an den Spielen der Schule und seine Schulkameraden erinnern sich an einen etwas seltsamen Jungen, der sich lieber mit sich selbst beschäftigte und lange Geschichten ‘‘voll von Rittern und Fabelwesen’’ erzählte.  Er war ‘‘stämmig und hatte einen festen Blick, gute Gesichtsfarbe und schwarzgelocktes Haar, war gutmütig und freundlich aber mit einem furchtgebietendem Temperament.’’  Er unternahm gern lange Spaziergänge, sammelte Vogeleier und machte ständig etwas mit seinen Händen.
Wie der Junge so der Mann!  Die merkwürdig verschiedenen Eigenschaften dieses beachtenswerten Menschen waren schon zu bemerken: ein Dichter ohne poetisches Gemüt, geduldig und doch geschäftig, freundlich und behutsam aber auch hastig und aufbrausend, ein Liebhaber des Alleinseins bei all seiner überquellenden Sympathie für die Menschheit.  Es war nicht die Schule sondern das Zuhause, wo er die ihm entgegenkommende Umgebung fand.  ‘‘Sicher musst du von mir als großem Dummkopf denken’’, schreibt er seiner Schwester, ‘‘weil ich immer an Zuhause denke, aber ich kann nichts dagegen machen.  Ich glaube nicht, dass es mein Fehler ist, denn da gibt es so viele Dinge, die ich tun und sagen will.’’

Leben in Oxford und Freundschaften. Kult des Mittelalters.
Obwohl es leicht ist, in seinem späteren Leben dem Einfluß seines friedlichen Zuhauses zwischen dem Wald und der Ebene nachzuweisen, war es doch Oxford, wo sein Talent die Kanäle fand oder grub, durch die es fließen sollte.  In seinem College (Exeter) und unter den Schülern seines Jahrganges hatte er das große Glück, einen Menschen zu finden, mit dem er seine innersten Gedanken teilen konnte.  Das Band zwischen Morris und Burne-Jones war keine gewöhnliche College-Freundschaft.  Sie hielt bis zum Tode und beinflusste das Leben von beiden, aber obwohl (oder vielleicht gerade weil) Morris der Größere von ihnen war, hatte der Austausch unter ihnen wesentlichere Auswirkungen auf seinen Lebensweg als auf den des Freundes.
Mit 20 Jahren — Morris war voller Vitalität und hatte viele ganz verschiedene Eigenschaften — sollte entschieden werden, auf welchem Gebiet er als Mann seine Zeichen in der Welt setzen sollte, aber die Art Arbeit, die da vor ihm liegen würde, war schwer vorauszusagen.  Wie sein Freund war er für die Kirche vorgesehen.  Beide hatten gleichermaßen den Einfluß der Welle mystischer Theologie verspürt, von der in jener Zeit die trockenen Gebeine der Anglikanischen Christenheit erfasst wurden und beide erlitten sie in ihrem ersten Jahr in Oxford eine tiefgehende Desillusionierung.  Ihre religiösen Studien dienten dazu, in ihnen das Feuer des religiösen Enthusiasmus zunehmend auszulöschen und an dessen Stelle eine Hingabe an ideale Schönheit, eigentümlich fern und exotisch, zu entfachen.  Sie waren verbunden mit einer Leidenschaft für das Mittelalter und die verschiedenen Zweige und Formen der Kunst, die in ihm aufgeblüht waren und natürlich mit Missachtung und Abscheu gegenüber der eigenen Zeit des brodelnden Durcheinanders des industriellen Fortschritts.  In diesen ruhigen Tagen in Oxford, verbracht in Langeweile mit kirchlicher Dichtung, mittelalterlichen Chroniken und Kirchengeschichte, war es kein Wunder, dass diese jungen Menschen auf die Welt durch ein enges Schlüsselloch blickten: das Wunder war, dass für einen der beiden sich dieses Schlüsselloch auch während eines ganzen Lebens angestrengten künstlerischen Schaffens nicht erweitern sollte.  Morris war ein zu großer Mensch, dass seine Sicht auf die Welt sich ständig auf diese Weise beschränken würde, aber im Ertrag seiner frühen Jahre und gewiss im künstlerischen Werk — ob literarisch oder von plastischer Form — seines ganzen Lebens finden wir den einengenden Einfluss seiner ersten Einführung in die Welt der Gedanken und Gefühle und den der lebenslangen Zusammenarbeit mit Burne-Jones und der Schule, der dieser angehörte.
Morris war Künstler von Natur aus.  Er war voller Begeisterung und Lebensenergie, schnell im Sehen und Empfinden, begierig etwas zu schaffen.  Die Präraffaelitische Bewegung mit ihrer Anbetung der Schönheit und ihrer Atmosphäre von Exklusivität und Entrücktheit beeinflusste ihn — nicht indem sie ihn zum Künstler machte, sondern indem sie ihn vom Leben seiner Zeit und seiner Generation abschnitt, der wahren Inspirationsquelle lebendiger Kunst.  Sein Leben ist die Geschichte einer Pilgerreise von einer mit Schatten bevölkerten Welt hinaus in die taghelle Welt seiner Freunde und Gefährten.  Unglücklicherweise blieben seine engsten Freunde in der Welt der Schatten und von Zeit zu Zeit zogen sie ihn wieder in diese zurück.

Dichtung.
Der Impuls sich auszudrücken führte zuerst zur Dichtung und, obwohl der Zeichner und Handwerker der er war, lag zuletzt auch sein größtes Talent auf literarischem Gebiet.  Diese Begabung scheint eine plötzliche Entdeckung seiner College-Tage gewesen zu sein.  Canon Dixon gibt einen amüsanten Bericht, wie er und sein Freund Price eines Nachts nach Exeter kamen um die beiden Freunde zu sehen.  ‘‘Sobald wir den Raum betraten, rief Burne-Jones gestikulierend aus:  ‘Er ist ein großer Dichter!’  ‘Wer, fragten wir?’  ‘Wer wohl, Topsy’ — der Name, den er ihm gegeben hatte.  Wir setzten uns und hörten Morris sein erstes Gedicht vortragen, das erste, das er in seinem Leben verfasst hatte.  Es hatte den Titel ‘The Willow and the Red Cliffs.’  Als er es vorlas, fühlte ich, dass das etwas war, was ich niemals vorher gehört hatte  . . .  Ich drückte irgendwie meine Bewunderung aus wie wir alle und ich erinnere mich noch seiner Bemerkung: ‘Wenn das Dichtung ist, dann ist es leicht zu schreiben.’  Von dieser Zeit an kam er fast jeden Tag mit einem neuen Gedicht zu mir aufs Zimmer.’’
Er war flink und produktiv und seine Verse füllten viele Bücher.  Das bekannteste ist vielleicht die lange Folge von Vers-Geschichten ‘‘The Earthly Paradise.’’  ‘‘In der ganzen edlen Reihe unserer Dichter,’’ sagt Swinburne, ‘‘gab es seit Chaucer bis zu seinem Erscheinen keinen Geschichtenerzähler diesen Ranges.’’  Die Geschichten, teils in Versform, teils sogar noch besser in Prosa flossen aus seinem fruchtbaren Hirn bis ans Ende seines Lebens, mit der Ausnahme von sieben Jahren, die einer ernsteren Aufgabe gewidmet wurden, wie wir sehen werden.

Wahl der Lebensaufgabe.
Obwohl sein stärkster und andauerndster Impuls zum phantasievollen Schreiben ging, strahlt sein Licht nicht so sehr als das eines Poeten zu den Menschen.  Hätte er den vollen Strom seiner Schöpferkraft in diesen Kanal gelenkt, England hätte der Liste seiner großen Dichter einen neuen Namen hinzugefügt, aber es gibt Dinge, die das England von heute dringender braucht als Dichtung.  Seine Bewohner müssen begreifen, dass eine Arbeit, die nur in mühseliger Schufterei besteht, nicht nur die degradiert, die sie ausüben, sondern auch die, die ihre Früchte ernten; dass der genussvolle Konsum von billigem, maschinenproduziertem Luxus ebenso degradierend ist wie seine Herstellung; dass die Herren einer geschundenen arbeitenden Klasse mit Sicherheit eine kulturlose, unzivilisierte Plutokratie sein müssen.  Das waren die Kernpunkte, die Morris jenen einprägte, die sehen und hören wollten.  Er hätte es nicht so erfassen und weitergeben können, hätte er in der Studierstube lockeren Lebens Verse gedichtet.  Seine Aktivitäten waren vielseitig und er setzte Herz und Geist in allem ein, was er tat.  Das Signifikante seiner Lebensgeschichte besteht darin, dass er eine gute berufliche Karriere und eine vorzügliche Persönlichkeit aus den Alltagserfahrungen heraus bildete, die uns allen zur Verfügung stehen.  Die äußere Welt, die Werke Gottes und der Menschen sah er nicht mit halb geschlossenen Augen und schläfriger Indifferenz wie die meisten von uns, sondern mit lebhafter Neugier und Staunen.  Freundschaft und Liebe, der Impuls zur Gestaltung des Heims und das Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit kamen auf ihn zu wie auf jedes andere menschliche Wesen, aber er empfing sie nicht lustlos und träge und noch weniger mit dickköpfigem Widerstand, sondern wach mit und mit dem Enthusiasmus eines vollen Herzens.  Jede neue Stufe der Erfahrung war gekennzeichnet durch einen Schub an Aktivität und das Bemerkenswerteste daran war, dass keine neue Unternehmung die früheren auslöschte.  In einer Prosaerzählung, die er während seiner Zeit in Oxford schrieb, hat er uns einen suggestiven autobiographischen Eindruck hinterlassen:  ‘‘Ich konnte schnell herausfinden’’, so sagt in ihr der Held, ‘‘ob eine Sache für mich machbar ist oder nicht; wenn es nicht so war, legte ich sie weg für immer und dachte nie mehr daran zurück, aber wenn sie möglich war und ich mich für sie entschied, begann ich mit ihr auf der Stelle und erledigte sie in kurzer Zeit und drehte mich nicht nach links oder rechts, bis es getan war.  So machte ich es mit allem, was ich anfasste.’’
Das war das Leitbild von Morris und danach war sein Verhalten.  Es beschreibt den Grundzug seines ganzen Lebens genauso wie die Neigungen seines Charakters, obwohl der nüchterne Bericht dieser ersten Jahre auch einen ganz anderen Eindruck vermitteln mag.  Wir sahen, dass seine Bereitschaft, Verpflichtungen anzunehmen, nicht lange die erste Zeit des Lernens und der Beschäftigung damit in Oxford überdauerte und dass die Kunst in vielfältiger Form und besonders die Kunst des Mittelalters den Horizont seines Geistes bildete.  Im Glanz der Begeisterung, die die Kathedralen Nordfrankreichs während zweier ihn bezaubernden Ausflüge erweckten, war es nur zu verständlich, dass die Architektur die Kirche als seine zukünftige Profession ersetzen sollte, als der Betätigung, mit der er seinen Lebensunterhalt verdienen wollte.  Obwohl seine Lehrzeit bei dem Architekten Street nur von kurzer Dauer war und er nie ein Architekt wurde, erfuhr der Vorsatz, der diesem Wechsel der Perspektive zugrunde lag, keine Veränderung mehr.  Die Beschäftigung seines Lebens — eine Arbeit mit nie nachlassender Intensität, die bedeutenden weltlichen Erfolg einbrachte — bestand darin, das moderne Haus lebenswert zu machen.  Alle Handwerke, denen er seine Hände zuwandte — Malen, Möbelherstellung, Färben und Weben — waren diesem Ziel untergeordnet, bewusst untergeordnet; alle mit der einen Ausnahme des Bücherdruckens, dem geliebten Benjamin unter seinen Tätigkeiten.  Diese wuchs nicht so sehr aus seiner lebenslangen Liebe zum schönen Haus, sondern aus der ebenso langen Leidenschaft für Literatur — den Gedanken und Worten von Menschen.

Malerei.
Es war unter dem Einfluss von Rosetti, dessen besondere Kraft der Faszination viele Leben veränderte, dass Morris zu malen anfing, zunächst nebenbei, dann, die Architektur fallen lassend, als Hauptbeschäftigung.  ‘‘Rosetti sagt, ich solle malen’’, schreibt er kurz nach seinem Umzug von Oxford nach London als 24-jähriger, ‘‘er sagt, ich könne das.  Nun, da er ein sehr großer Mann mit Autorität ist und nicht wie ein Schriftgelehrter spricht, muss ich es versuchen.  Ich erhoffe mir selbst nicht viel, will aber mein Bestes versuchen . . . die Architektur nicht aufzugeben, aber sehen, ob es möglich ist, sechs Stunden des Tages neben der Büroarbeit dafür frei zu bekommen.  Ich weiß gut, dass das Leben bei dieser Rate nicht sehr vergnüglich sein kann, aber das spielt keine Rolle: ich habe kein Recht danach zu fragen, denn in jedem Fall: Liebe und Arbeit, diese beiden Dinge nur  . . .  Für politische und gesellschaftliche Angelegenheiten kann ich nicht das geringste Interesse aufbringen, denn ich sehe diese Dinge insgesamt als Kuddelmuddel und habe dafür keine Kraft und auch keine Ahnung, wie man sie in irgendeiner Weise geradebiegen könnte.  Meine Arbeit ist es, Träumen in der einen oder anderen Art Gestalt zu geben.’’  In diesem Phantasieland lebte Morris ein oder zwei Jahre lang in täglichem Verkehr mit jenen eingefleischten Träumern, die seine Freunde waren; aber es war nicht die Welt, der er eigentlich angehörte; er war ruhelos und unbefriedigt.  ‘‘Seit kurzem hat er ein Faible für Menschen’’, sagt zu dieser Zeit einer aus seinem Freundeskreis und nur wenig später, mit 26, bringen ihn Heirat und die Notwendigkeit, einen Haushalt einzurichten, in Berührung mit dem Leben der Welt.

Innendekoration.
Der Akt, nun einen Haushalt einzurichten, war für ihn ein neuer Aufbruch und das Bauen und Einrichten seines Hauses eine Art Sakrament.  Er konnte schlechte Umgebungen nicht ertragen.  Ein hübsch angelegter Garten, ein klug geplantes und solide errichtetes Haus, darin Stühle, Tische und Utensilien, die Freude machten bei der Herstellung und beim Gebrauch — das war für ihn der notwendige Hintergrund eines anständigen Lebens.  Sein Freund Philipp Webb konnte dieses Haus für ihn bauen und unter den jungen Architekten gab es noch andere mit den richtigen Fähigkeiten, aber wen sollte er mit seinen Möbeln und Vorhängen beauftragen ?  Die häuslichen Künste waren verschwunden — ausgelöscht durch das Fabriksystem, durch Maschinen, Dampfkraft und industrielle Unternehmen.  Stoffe, Schmuck und alle Arten von Haushaltsgegenständen wurden nicht gut für ihren Verwendungszweck gemacht, sondern um damit Profit zu erzielen.  Sie brachten denen, die sie entwarfen und benützten keine Freude mehr, nur noch dem Krämer, der Geld damit machte, sie von hier nach dort zu bringen und in dessen Interesse es war, dass sie billig, protzig und kurzlebig waren.  All das nahm Morris in sich auf, gerade als er zu fühlen begann, dass er zum Maler auch nicht mehr als wie zum Architekten bestimmt war und es half ihm, eine Tätigkeit zu finden, für die er geschaffen war, mit der er sein Brot verdienen konnte und die getan werden musste.

Wie Morris Produzent und Händler wurde.
‘‘Das erste, was ein Mensch tun muss,’’ hatte Ruskin zehn Jahre vorher geschrieben, ‘‘ist herauszufinden, wofür er geeignet ist.  In dieser Prüfung wird er von seinen Vorlieben sicher geführt werden, wenn er nicht zugleich von Stolz geleitet ist.  Die Leute urteilen häufig etwa in dieser Art:  ‘Ich bin wohl nicht ganz fit für den Job als Vorstand der Firma … & Co., dann sollte ich nach allem Dafürhalten Finanzminister werden’.  Sie sollten stattdessen so überlegen: ‘Ich bin wohl nicht ganz so geeignet, um Vorstand der Firma … & Co. zu werden, dann könnte ich vielleicht ein kleines Gemüsegeschäft übernehmen: ich konnte schon immer gut die verschiedenen Erbsensorten auseinanderhalten’ — d.h. besser das Einfachere versuchen als am Höheren scheitern.  . . .  Ich glaube, dass das Land keinen größeren Vorteil haben könnte als durch eine Veränderung in dieser Einstellung der Öffentlichkeit, die durch ein paar wohltätige Menschen eingeführt werden könnte, zweifellos aus der Klasse der Gentlemen, die aus Prinzip in eines der gewöhnlichen Gewerbe einsteigen und es ehrenwert machen.’’
Als Morris und seine Freunde eine Innendekorationsfirma namens Morris, Marshall, Faulkner und Co. gründeten, war allerdings derartige wohltätige Absicht nicht dabei.  Nichtsdestotrotz war dieses Unternehmen bestimmt, für den sozialen Fortschritt mindestens ebenso wichtig zu werden wie für den der Kunst.  Es begann ganz bescheiden mit lächerlich geringem Kapital, aber Morris warf sich mit aller Kraft in die Arbeit, für die er außerordentlich geeignet war.  ‘‘Von Beginn an stellte die Firma alles her, was irgendjemand im Bereich der Dekoration haben wollte — architektonisches Zubehör, Möbel, Wandteppiche, Tapeten, Stickereien, Glasmalerei und was sonst alles.  Die Güter waren erstklassig, künstlerisch und in der Verarbeitung ausgezeichnet, die Preise waren hoch  . . .  Man konnte die Dinge so bekommen, wie sie die Firma für richtig fand oder darauf verzichten.  . . .  Da gab es keinen Kompromiss.  Morris als Hauptteilhaber legte die Regeln fest und alle Kunden mussten sich dem beugen oder es sein lassen.’’ (D. G. Rossetti)
Wir können hier nicht die faszinierende Geschichte der Firma von den ersten Durchbrüchen bis zum krönenden finanziellen Erfolg nachzeichnen oder die lange Liste ihrer Betätigungen aufzählen.  Zunächst in Queens Square, dann in Merton, wo Morris nicht nur Manager sondern mitarbeitender Meister war, der an jeden die Einsicht des Künstlers und die Fähigkeiten des Handwerkers weitergab.  Mit Geduld und Fleiß, der ihm besonders eigen war und sich mit seiner jungenhaften Vehemenz eigentümlich ergänzte.  Der bloße Umfang der von ihm geleisteten Arbeit ist erstaunlich.  Wir lesen von Tagen, die mit dem Entwurf von Tapeten und Stoffmustern und dem Austüfteln der Einzelheiten ihres Bedruckens verbracht wurden, mit dem Beaufsichtigen der Färbebecken und Arbeit am Webstuhl, die verloren gegangene Kunst des Gobelinwebens wiederentdeckend — und dabei hatte er nach Aussage aller Freunde immer Zeit für Gespräche und Gelächter, ebenso wie für kleine Feste und Feiertage.  Viele neue köstliche Einblicke in sein Familienleben sind in der Einleitung und den Bemerkungen seiner Tochter zu der feinen Ausgabe seiner Werke nun öffentlich zugänglich.  Von jeder kleinen Familienfeierlichkeit war er der Mittelpunkt und Ursprung und für jedes öffentliche Anliegen, das ihm wichtig war, war er sofort bereit, Zeit und Energie einzusetzen.  Seine Liebe zu Späßen war so groß wie seine Liebe zur Arbeit, sein Wissen und das Interesse an den tagtäglichen Dingen war unerschöpflich.  Er war ein geschickter Koch und genoss jede Möglichkeit, seine Kunst darin zu beweisen.

‘‘Ein Meisterkünstler’’.
Wenn man Morris verstehen will und insbesondere den Weg, der ihn zum Sozialismus führte, dann ist zu beachten, wie sehr er sich mit seinem Geschäft und besonders mit seiner Werkstätte identifizierte.  Das war die Arbeit, von der aus er die Welt betrachtete, seine ‘‘Brot-und-Butter-Arbeit’’, wie er es nannte.  In einem persönlichen Brief spricht er von sich selbst als einem ‘‘Meisterkünstler, wenn ich diese Ehre für mich in Anspruch nehmen darf’’.  Dass das keine leere Behauptung war, kann man einer Passage eines Briefs von ihm entnehmen:  ‘‘Ich versuche über das Färben soviel zu lernen, wie nur möglich, auch die dazu gehörende Handarbeit, die simpel genug ist, aber wie viele andere einfache Dinge enthält sie in sich etwas, das man sich nicht vorher denken kann und nur dann erfährt, wenn man es gezeigt bekommt.  Neben der Aufgabe, auf das Bedrucken der Baumwolle zu schauen, arbeite ich die meiste Zeit des Tages in Holzpantinen und Arbeitsbluse in Mr. Wardle’s Färberei.’’  Und weiter:  ‘‘Diesen Morgen half ich beim Färben von 20 Pfund Seide für unseren Damast im Blaubecken.  Das war sehr aufregend, denn es wird heute kaum mehr benützt.  Wir liefen ziemliches Risiko, die Seide zu verderben.  Es waren vier Färber und Mr. Wardle bei der Arbeit und ich als Färber-Gehilfe.  Die Männer tranken sich mit Bier Mut zu und gingen zu Werke und es war schön, die Seide grün aus dem Becken herauskommen und langsam die Farbe nach blau wechseln zu sehen.  Wir hatten guten Erfolg damit, soweit man das jetzt schon sagen kann.  Der älteste Arbeiter, ein alter Bursche mit 70 Jahren, erinnerte sich, dass man Seide vor langer Zeit so färbte.  Das Becken, musst Du wissen, ist ein beachtliches Ding: neun Fuß tief und sechs Fuß breit und bis zum Rand in die Erde versenkt.  Morgen fahre ich nach Nottingham um zu sehen, wie Holz blau gefärbt wird, im Holzbecken, wie man das dann nennt.’’  Es gibt viele Berichte darüber, dass er ein Experte im Färben wurde.  ‘‘Als er aufhörte, mit eigenen Händen zu färben, merkte ich gleich den Unterschied’’, schreibt eine Lady, die sehr geschickte Stickereien für die Firma anfertigte.  ‘‘Die Farben selbst wurden recht gleichmäßig und bekamen ein monotones Aussehen, der typische Seidenglanz war weniger schön. Als ich mich beschwerte, sagte er: ‘Ja, sie gehen jetzt an die Sache zu schlau heran. Natürlich bedeutet es auch, dass sie die Farbe nicht lieben, sonst würden sie es nicht so machen.’’’

Der Keim des Morris’schen Sozialismus.
Dass ein Mensch sein Herz in die Arbeit legen soll und dass die Arbeit so gestaltet sein sollte, dass er sie interessant finden kann: das war die fixe Ansicht von Morris und ist die Basis seines Sozialismus.  Was ihn selbst betraf, stimmte das für alle Einzelheiten seiner vielen Handwerke.  ‘‘Lieber Gott’’, rief er aus, als er quälend lange Geschäftsbriefe zu schreiben hatte, ‘‘wie schön wird es sein, wenn ich zu meinen kleinen Mustern, zum Färben und zum Webstuhl in Hammersmith zurückkehren kann!’’  Seine Arbeit tat er aus Liebe zu ihr, und das hatte nichts Amateurhaftes oder Unpraktisches an sich.  ‘‘Ich möchte unbedingt, dass das Geschäft ein Erfolg wird, das geht aber nur, wenn ich selbst mitarbeite.  Obwohl ich mich nicht für geldgierig halte, muss ich sagen, dass eine Pleite ein großes Ärgernis wäre, denn ich habe soviele wichtige Sorgen, Vergnügen, Hoffnungen und Befürchtungen, dass keine Zeit dafür übrig ist, in den Ruin zu laufen und wirklich arm zu werden.  Vor allem würde es meine Freiheit in der Arbeit zerstören, die für mich die größte Freude darstellt.’’  Interessanterweise ist die Arbeit, an die er da denkt, nicht seine ‘‘Brot-und-Butter-Arbeit’’, sondern die ‘‘vergnügliche Arbeit an Büchern’’, die nie brachliegt, denn er fährt klagend fort, dass er im Moment nichts Neues schaffe und er drückt die Hoffnung aus, mit dem Älterwerden nicht ‘‘die Vorstellungskraft und Begeisterung zu verlieren’’.   Er hätte sich nicht sorgen müssen, denn erst im späteren Leben trat er das volle Erbe der nordischen Geschichten und Legenden an, die seine besten Werke inspirierten.  Es war ein seltener Fall des Entdeckens einer Verwandtschaft.  Sein Hass auf die moderne Zivilisation war zum Teil die Folge seiner Leidenschaft für die alten Sagen.  In ihnen sah er ein Abbild — fern genug den Tatsachen jeder nahen oder vergangenen Periode — der Brüderlichkeit der Menschen, nach der es ihn verlangte.  Er stand sonderbar daneben in der gekünstelten modernen Welt und Kameradschaft, Abenteuer und Freiheit dieser Sagen waren für ihn wie ein Lebenshauch und zweifellos halfen sie mit, den glimmenden Geist der Revolte anzublasen, der später in offener Rebellion gegen die Sklaverei der Arbeiter, die er sah, entflammte.
‘‘Wenn ich nur die (isländische) Njala im Original gelesen hätte, bevor ich hierher kam’’, schreibt er aus Leek, wo er an den Färbebecken zu tun hatte, ‘‘sie ist noch besser als in meiner Erinnerung; der Stil höchst feierlich, die Kinder darin, wie immer in den besten nordischen Sagen, so ehrenswert untereinander und verehrt; und das außerordentlich gute Wesen Gunnars neben seinem Heroismus und der Stille von Njal: ich kenne nichts Tröstenderes oder Größeres in der gesamten Literatur als den Gesang Gunnars in seinem Haus unter den ziehenden Wolken. Welch großartiger Ausdruck der Verherrlichung des Muts diese Geschichten sind!’’
Schon in ‘‘Earthly Paradise’’ können wir den Halt erkennen, den sie ihm gaben.  Da ist die Lust und das Leuchten in ‘‘The Lovers of Gudrun’’, wie es nicht zu finden ist in den anderen Erzählungen.  Aber es ist dann ‘‘Sigurd the Volsung’’, sein wichtigstes literarisches Werk, in dem der Einfluss aus dem Norden den vollsten Ausdruck findet.  Das war 1876, als er 42 Jahre alt war und dieses große Epos verfasste.  Man spürt die Dynamik und Vielseitigkeit des Mannes in seiner Lebensmitte, als seine Handwerkstätigkeit, wie wir uns erinnern, jeden Rest seiner freien Zeit zu beanspruchen schien.  Das war aber nicht alles.  So bedeutend er sich als Dichter und Handwerker bewiesen hatte, war er jetzt als Mensch gewachsen, zu groß, um im Studierzimmer oder der Werkstatt eingesperrt zu bleiben.  Mut, Energie und Geduld in einer Person, so musste er ins Freie treten als die Zeit reif war, um seinen Teil an der Gestaltung der Ereignisse zu übernehmen.  Erst in der Lebensmitte kam dieser Moment, zwei Anliegen riefen ihn dazu.  In dem einen Fall kam die Antwort aus seinem tiefen und wachsenden Sinn für menschliche Solidarität, in dem anderen von seiner Referenz für die Vergangenheit und die großen Menschen, die gestorben waren und deren Kunst mit ihnen gestorben war.

‘‘Anti-Scrape’’.
Die Empörung gegen die rücksichtslose Welle der Restaurierungen, die rasend schnell die letzten Spuren der edlen mittelalterlichen Architektur verdeckten, findet immer wieder ihren Ausdruck in den privaten Briefen, die von Mr. Mackail gesammelt wurden.  Als dann eine der alten Pfarrkirchen, die er so liebte, nahe seinem Haus auf dem Land bedroht war und etwas später auch das herrliche Münster von Tewkesbury, fand die Empörung ihren Ausbruch in Aktion.  Er schrieb einen Brief an Athenœum, erklärte die Dringlichkeit dieser Notlage und bat alle gedankenvollen Menschen, mit ihm dagegen anzugehen.  ‘‘Was ich mir wünsche ist, dass eine Vereinigung auf die Füße gestellt wird, die über die alten Monumente Wache hält und gegen jede Restaurierung protestiert, die mehr ist als der Schutz gegen Wind und Wetter und die mit allen Mitteln, ob literarisch oder auf andere Weise die Empfindung wecken, dass unsere alten Bauwerke kein Spielmaterial für Eklektizismus sind, sondern heilige Monumente des Wachsens und der Hoffnung unseres Landes.’’  Der Appell war nicht vergeblich.  Innerhalb eines Monats wurde die Society für the Protection of Ancient Buildings (der Spitzname ‘‘Anti-Scrape’’ ist abgeleitet von ‘‘kratzen’’) gegründet, mit Morris als ihrem Sekretär.  Bis zu seinem Tode schwächte sich sein Feuereifer für dieses Anliegen nicht ab.  Für die Gesellschaft verfasste er ein Manifest, ein Beispiel an knappem und einfachem Englisch, das ins Französische, Deutsche, Italienische und Niederländische übersetzt wurde. Er gab freizügig Zeit und Geld und hielt im Interesse dieser Sache seinen ersten öffentlichen Vortrag.

‘‘Bulgarische Gräueltaten’’.
Es war im Frühjahr 1877, ein paar Monate bevor Morris durch die Nachricht schrecklicher Grausamkeiten in Bulgarien und der Gefahr, dass England an der Seite der Türkei gegen Russland zu den Waffen greifen würde, zu seiner ersten politischen Stellungnahme aufgerüttelt wurde.  ‘‘Ich, der ich das schreibe’’, heißt es in einem Brief an die Daily News, ‘‘gehöre zu der großen Gruppe von Menschen — ruhigen Menschen — die gewohnt sind, ihren Geschäften nachzugehen, die sich um öffentliche Anliegen weniger kümmern als sie das sollten, und sich nicht trauen, in so erhabenen Fragen wie der Englischen Nation das Wort zu nehmen, so sehr sie auch von ihr berührt werden; die aber jetzt so in Verbitterung gestoßen werden, wenn sie sehen, wie hilflos sie in einer öffentlichen Angelegenheit sind, die sie so stark berührt.  . . .  Ich appelliere an die Arbeiter und bitte sie inständig, sich dieser Frage zuzuwenden, denn wenn diese Schande auf sie fällt, werden sie sie immer erinnern und durch sie belastet sein, wenn sich ihre Tage einmal aufhellen und sie alles und noch mehr als das bekommen, wofür sie jetzt kämpfen.’’
Aus diesem Brief zitiere ich deshalb, weil er zusammen mit dem einige Monate später veröffentlichten Manifest an die Arbeiter Englands, als der Krieg vor der Tür stand, die erste öffentliche Äußerung von Morris für den Sozialismus darstellt.  Es ist bemerkenswert, dass sie schon verbunden ist mit dem Misstrauen gegenüber einer zentralen repräsentativen Regierung.  Die Bewegung, in die er sich mit aller Energie warf, war allerdings in ihrem Ursprung liberal und nicht sozialistisch.  Einige bekannte Sozialisten wie Hyndman standen tatsächlich sogar im anderen Lager.  Viel später wird er seine Überraschung beim Kennenlernen von Morris im Jahre 1879 so beschreiben:  ‘‘Es war viele Jahre nachdem ich mich an seiner Poesie erfreut und etwas über seine ästhetischen Lehnstühle und Tapeten gespöttelt hatte, wie es alle unwissenden jungen Leute tun, dass ich den Menschen selber traf.  . . . Ich stellte ihn mir als kultivierten und zarten Gentleman vor, der sich leicht von seinen Gefühlen überwältigen lässt.  Das war nicht seine Erscheinung in natura, wie wir alle wissen.  Kultiviertheit war zweifellos in den feinen Linien seiner Nase und seiner schön geformten Stirn.  Aber seine herzliche Stimme, seine fröhliche, kräftige Gestalt, seine einfache seemännische Kleidung, die ganze Figur gab mir, als ich es mir überlegte, eine bessere Auffassung von den ‘Gräuel-Hetzern’, als irgend etwas, was ich vorher oder nachher sah.’’
Während ihn die ‘‘Eastern Question’’ für eine gewisse Zeit mit der Liberal Party zusammenarbeiten ließ, zeigte sich ihm, dass das keine Organisation war, der die Arbeiter ihr Wohlergehen hätten anvertrauen können.  ‘‘Arbeiter von England’’, schreibt er in dem schon genannten Manifest, ‘‘noch ein Wort als Warnung:  Ich weiß nicht, ob ihr euch den bitteren Hass gegen Freiheit und Fortschritt vorstellen könnt, der einem bestimmten Teil der reichen Klassen dieses Landes im Herzen steht.  . . .  Diese Männer können über Eure Situation, Eure Ziele oder Eure Wortführer nicht ohne Überheblichkeit und ohne Beleidigungen sprechen.  Wenn diese Leute die Macht dazu hätten (lieber möge England vom Erdboden verschwinden), würden sie Eure Zukunftserwartungen erdrosseln, sie würden Euch mundtot machen, sie würden Euch an Händen und Füßen gefesselt für immer an das verantwortungslose Kapital ausliefern.’’
Jedes Wort des Manifests beweist, dass er ein Sozialist aus Überzeugung geworden war, wie er schon immer einer des Temperaments war und wir tun gut daran, in dieser kurzen Schilderung seines Lebens eine Pause einzulegen, um uns zu vergegenwärtigen, was wir dem größten Engländer schulden, der aus unseren Reihen dahingegangen ist.

Was der Sozialismus William Morris verdankt.
Wenn die Kinder unserer Kinder die großen Namen der Viktorianischen Zeit aufrufen werden, dann wird es keinen geben, der ein wärmeres Interesse erwecken wird als der von William Morris.  Sie werden auf ihn zurückblicken wegen seiner Stories und Gedichte, wegen seiner Pionierarbeit in der Wiederbelebung des Handwerks, aber vor allem wegen der Kraft und dem Reiz seiner Persönlichkeit.  Er war von der Sorte Mensch, die ihre Freunde so stark beeindruckt, dass der Eindruck überlebt; ein Mensch, der alle anderen in fast jeder Richtung der menschlichen Aktivität übertrifft und dennoch typisch bleibt für seine Herkunft und sein Land.  Er war ein Mensch mit Genius, aber dieser strahlte nicht nur aus seiner Handwerksarbeit und seiner Dichtung, sondern aus allem, was er in die Hand nahm.  Er war ein Experte nicht nur im Schreiben und etwas Herstellen, sondern des Lebens.  Eine robuste Fähigkeit, Vergnügen zu empfinden war seine bemerkenswerteste Eigenschaft.  Er bestand darauf, sich an den Dingen zu erfreuen.  Die Gegenstände in seinem Haus mussten zu dieser Freude betragen oder er wollte sie nicht haben.  Arbeit, die keine Freude brachte, war Sklavenarbeit.  Es ist diese überreiche Lebenskraft, diese Liebe zum Leben und zur Welt, die Tatsache, dass er Augen hatte zu sehen, Ohren zu hören und ein Herz um wahrzunehmen: kurz, weil er ein Künstler und Genie war, ist sein Beitrag zum Sozialismus von überragendem Wert, auch wenn er ein kurzsichtiger Führer war und die Probleme nicht richtig in Griff bekam, mit denen wir es heute zu tun haben.  Ökonomische Erwägungen waren nicht auf seiner Linie, noch die Details der Verwaltung, aber er wusste eine Menge über die Welt in der wir leben und wie man sie zum größten Vorteil nutzt.  Der Sinn für Brüderlichkeit in ihm war stark und erhellt durch Einsicht und Aufgeschlossenheit.  Deshalb können wir mehr noch aus der Geschichte seiner Annäherung an den Sozialismus und durch die Art erfahren, wie er ihn annahm als die einzige Hoffnung, als von irgendeiner formalen Aussage seiner Doktrin.

Der Weg zum Sozialismus.
Diese Annäherung lässt sich am besten nachverfolgen in seinen öffentlichen Vorträgen über Kunst, mit denen er 1877 begann.  In diesen Vorträgen zeigt sich seine Verbundenheit mit dem Handwerk.  Er will zwischen dem Künstler und dem arbeitenden Menschen keinen wesentlichen Unterschied sehen.  Im Kontrast zu dem maßvollen Ideal eines Mindestlohns von 20 oder sogar 30 Schilling liegt in seiner Forderung etwas wunderbar Inspirierendes.  Die Verdingung eines Arbeiters solle einschließen: ‘‘genügend Geld, um ihn von der Furcht vor Not und Verelendung von sich und seine Familie zu befreien;  Freizeit genug außerhalb der Brotarbeit (selbst wenn diese angenehm ist), um Zeit zum Lesen und Nachdenken zu lassen und um das eigene Leben mit dem Leben der großen Welt zu verbinden; Arbeit genug von der vorher beschriebenen Art, und Anerkennung und Ermutigung genug, Freundschaft mit den Arbeitskollegen zu schließen; und schließlich, aber wichtig, sein eigener Anteil an der Kunst.  Der Hauptteil davon wäre eine Behausung, der es nicht an Schönheit mangelt, die die Natur freizügig gewähren würde, wenn nicht unsere Verdrehtheit die Natur aussperren würde.’’  ‘‘Besonders wichtig ist mir’’, schreibt er als Antwort auf den Vorwurf, er würde sich im Bereich der ‘reinen Kunst’ bewegen, ‘‘herausstellen zu können, dass die Frage der Volkskunst eine soziale Frage ist und über Glück oder Elend des größten Teils unserer Bevölkerung entscheidet.  Das Fehlen einer Volkskunst in der modernen Zeit ist aus diesem Grunde beunruhigender und gravierender als aus jedem anderen, denn er bezeichnet die fatale Teilung der Menschen in die kultivierten und die degradierten Klassen, die von der wirtschaftlichen Konkurrenz hervorgebracht und verstärkt wird.  Die Volkskunst hat keine Chance auf eine gesunde Entwicklung oder überhaupt auf eine Existenz, solange wir weiter diese schreckliche Kluft zwischen Reich und Arm vertiefen.  . . .  Es ist mit Sicherheit eine Belastung des Gewissens für einen wohlsituierten Menschen, an die unzähligen Leben zu denken, die in Mühsal verbracht werden, ungelindert von Hoffnung und ohne Lob und fröhliche Anfeuerung — diese Menschen könnten genauso gut, bei all dem Positiven, das sie durch ihre Arbeit für ihre Nachbarn leisten, an einer Kurbel drehen, an deren anderem Ende sich nichts befindet.  . . .  Immer wieder habe ich mich gefragt, warum mein Los nicht das gemeinsame Los sein könnte.  Meine Arbeit ist einfach genug, vieles davon und nicht nur die weniger angenehme, könnte jeder Mensch mit einigermaßen Intelligenz auch machen, wenn er nur gut auf die Arbeit und ihre Ergebnisse achtete.  Wirklich, ich habe mich geschämt, wenn ich an den Unterschied zwischen meinen glücklichen Arbeitsstunden und der mißachteten, unbelohnten, monotonen Plackerei dachte, zu der die meisten Menschen verurteilt sind.  Nichts könnte mich davon überzeugen, dass solche Arbeit gut oder notwendig für die Zivilisation ist.’’ (Brief an den Manchester Examiner.)  Diese ‘‘Last auf dem Gewissen’’ war es, die, wachsend mit der Erfahrung und reifendem Charakter, Morris zum Sozialismus brachte.  Die hohe Einsicht in die Geschehnisse des Lebens der Menschen, in Freude, Leid und Verlangen, die seine Geschichten inspirierten, ermöglichte es ihm, die Gesellschaft so zu sehen, wie sie wirklich war.
Der vulgäre Luxus der Reichen war ihm noch hassenswerter als die Qualen der Armen.  ‘‘Abgesehen von dem Wunsche, schöne Dinge herzustellen, war und ist die leitende Leidenschaft meines Lebens der Hass gegen die sogenannte moderne Zivilisation.  . . .
Was soll ich sagen über ihre Beherrschung und ihre Verschwendung der technischen Kräfte, über ihre so armseligen Einrichtungen für die menschliche Gemeinschaft, über ihre so zahlreichen Gegner des Gemeinwohls, über ihre hirnrissigen Einrichtungen — für das Elend dieses Lebens!  Über ihre Verachtung der einfachen Vergnügen, an denen sich jeder Mensch erfreuen könnte statt an ihren Verrücktheiten!  Über ihre blinde Vulgarität, die die Kunst zerstört hat als einzigen sicheren Trost bei der Arbeit?  Die Hoffnung der vergangenen Tage war verschwunden, der Kampf der Menschheit hatte für lange Jahre nichts anderes hervorgebracht als traurige, ziellose, hässliche Verwirrung.  Mir schien, dass die nächste Zukunft all die bestehenden Übel noch steigern würde durch das Hinwegfegen der letzten Überreste jener früheren Tage, als der Schmutz der Zivilisation noch nicht alles auf der Welt bedeckte.
Das waren in der Tat trübe Aussichten, insbesondere für einen Menschen meiner Disposition, gleichgültig gegen Metaphysik und Religion als auch gegenüber wissenschaftlichen Analysen, aber mit einer tiefen Liebe zur Erde und zum Leben auf ihr und einer Leidenschaft für die Geschichte der Menschheit.  Denken Sie darüber nach!  Soll alles in einem Kontor auf einer Schlackenhalde enden, mit einem spießbürgerlichen Wohnzimmer als Aussicht und mit einem Komitee der Liberalen, das Champagner an die Reichen ausschenkt und Margarine an die Armen verteilt, und das in so exakt abgemessenen Mengen, als sollten damit alle Menschen zufrieden gestellt werden können?  Sollten alle Freuden für das Auge von der Erde verschwinden und Huxley den Platz Homers einnehmen?  Doch glaubt mir, aus ehrlichem Herzen, als ich mich wirklich zwang, der Zukunft entgegen zu blicken, so sah ich das in ihr und so weit ich darüber berichten kann gab es kaum jemanden, dem es die Mühe wert war, gegen eine solche Vollendung der Zivilisation anzukämpfen.
So hatte ich nun ein pessimistisches Lebensende zu erwarten, wenn sich mir nicht plötzlich aufgetan hätte, dass inmitten dieses Morastes der Zivilisation die Saaten einer großen Veränderung, die wir anderen die soziale Revolution nennen, zu keimen begannen.  Diese Entdeckung veränderte meine gesamte Sicht der Dinge und alles was mir noch zu tun übrig blieb, um Sozialist zu werden, war an die praktische Bewegung Anschluss zu finden.’’

Bekenntnis zum Sozialismus. Die S.D.F.
Zu diesem Anschluss kam es im Herbst 1882, als Morris mit 48 Jahren der Democratic Federation beitrat, die bald darauf in Social Democratic Federation umbenannt wurde.  ‘‘Was mich betrifft, so dachte ich,’’ schreibt er an einen Freund, ‘‘dass man einen realen sozialistischen Fortschritt dadurch fördern könne, indem man auf der Linie des gewöhnlichen Mittelklasse-Radikalismus tut, was man eben kann.  Vor kurzem bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich falsch lag, dass der Radikalismus auf dem falschen Gleis fährt, sozusagen, dass er niemals etwas anderes werden kann als Radikalismus — denn tatsächlich wird er ja von den Mittelklassen und für die Mittelklassen gemacht und er wird immer unter der Kontrolle der reichen Kapitalisten stehen: sie werden nicht die Absicht haben, ihn sich politisch weiterentwickeln zu lassen, wenn sie ihn an dieser Stelle stoppen können; wenn er aber von wirklichen gesellschaftlichen Veränderungen nicht lassen wollte, würden sie es nicht erlauben.’’  ‘‘Der Unterschied von Reich und Arm’’, schreibt er, wieder an diesen Freund, ‘‘ist unerträglich und sollte nicht länger von den Reichen wie den Armen ertragen werden.  Da ich das fühle, so sehe ich mich jetzt verpflichtet, etwas für die Abschaffung dieses Systems zu tun, das für mich reine Unterdrückung und Obstruktion bedeutet.  Ein solches System kann nur durch die vereinte Unzufriedenheit einer großen Anzahl zerstört werden: isolierte Akte einiger Leute aus den mittleren und oberen Schichten kommen mir da ganz machtlos vor.  In anderen Worten, der Gegensatz der Klassen, den dieses System hervorgebracht hat, ist das natürliche und notwendige Instrument seiner Abschaffung.’’  Es war nichts Halbherziges bei der Annahme des Sozialismus durch Morris.  Er warf all seine Kräfte, seinen ganzen Enthusiasmus in die Propaganda, obwohl es nicht die Art Arbeit war, die seinen außergewöhnlichen Begabungen des Geistes und Herzens entsprechende Betätigungsfelder bieten konnte.  Es ist rührend darüber zu hören, wie er sich quasi auf die Schulbank setzte, um Marx zu studieren und die ökonomischen Fragen zu erfassen, denn nur hin und wieder, wenn er seine Begabung als Seher benützte, strahlen seine sozialistischen Schriften Lebendigkeit aus und sind von bleibendem Wert.  Seine Freunde waren aus ihrer Sicht nicht erfreut, den Dichter an den Redner zu verlieren, nicht zuletzt, weil er dafür nicht das Talent mitbrachte, aber charakteristischerweise machte er sich über den möglichen Verlust für die Welt lustig:  „Mit dem Dichten ist es wie mit den Künsten der Hand, denke ich,“ sagte er zu einem engen Freund, „und wie sie ist es jetzt unwirklich geworden.  Du weißt, wie ich über die Sache denke — ich wende das auf mich ebenso an wie auf andere.  Es würde mich nicht, wie ich zugebe, von der Dichterei abhalten und auch nicht vom Musterzeichnen, denn das rein persönliche Vergnügen daran drängt mich zu diesen Beschäftigungen, aber es hindert mich daran, sie weiter als heilige Pflicht anzusehen.  . . .  In der Zwischenzeit gibt mir die Propaganda eine Arbeit zu tun, die, unwichtig wie sie erscheint, Teil eines großen Ganzen ist, das nicht brachliegen darf und das soll mir genügen.“

Die Socialist League.
Aber es waren nicht nur die Schwierigkeiten der ökonomischen Theorie, die seine neuen Pflichten unerfreulich machten.  Von Beginn an gab es Unstimmigkeiten im eigenen Lager.  ‘‘Ich finde mich hineingedrängt in die unangenehme Position eines Moderators und Zusammenflickers, was ganz gegen meine Neigung ist.’’  Schlimmeres sollte folgen.  Das Zusammenflicken blieb erfolglos und Morris fand sich im Frühjahr 1885 als Anführer einer kleinen Gefolgschaft, die sich den Namen Socialist League gab.
In den nächsten sechs Jahren gab er viel Zeit und Geld für den inneren Aufbau der League und für die sozialistische Propaganda, die ihr vornehmstes Ziel war und vor allem mit der Zeitschrift Commonweal betrieben wurde.  Zunächst ein monatliches und später wöchentliches Blatt, herausgegeben und zu einem großen Teil geschrieben von Morris.  Sicher ist, dass keine andere sozialistische Zeitung eine solch brilliante Liste von Veröffentlichungen vorweisen kann.  ‘‘The Dream of John Ball’’ und ‘‘News from Nowhere’’ erschienen in Folgen, auch ein langes Gedicht, ‘‘The Pilgrims of Hope’’ von dem einige Teile zum Besten seines Werks gehören — ‘‘Mother and Son’’ zum Beispiel, oder ‘‘The Half of Life Gone.’’
Zusätzlich zu diesen gewichtigen Beiträgen blieben nur wenige Ausgaben ohne Zeilen aus seiner Feder, alles faszinierend in seiner einfachen, gewohnten Schreibweise, die uns direkt mit seinen Ansichten über das Leben und die Ereignisse in Fühlung bringt.
Nehmen Sie als Beispiel diese Beschreibung der revolutionären Haltung der League aus ihrer ersten Wochenausgabe vom 1. Mai 1885:  ‘‘Wir glauben, dass der fortgeschrittenste Teil der kapitalistischen Klasse, besonders unseren Landes, nicht ohne Gefühle der Furcht und Unbehaglichkeit auf einen Staats-Sozialismus der krudesten Form zutreibt; und eine gewisse Schule von Sozialisten zeigt gern und mit Begeisterung auf diese Tendenz.  . . .  Aber es gibt neben dem Stolpern der Bourgeoisie in den Staats-Sozialismus noch eine andere Sache die zeigt, ob die Gezeiten Flut oder Ebbe bringen und das sind die instinktiven revolutionären Versuche, die sie auf diesen Kurs zwingen.  Was ist über diese zu sagen?  Oft sind sie führerlos und halbblind.  Und bringen sie den Arbeitern keine anderen Früchte als nur weiteres Leid?  Wir glauben nicht, denn neben dem unmittelbaren Ziel, das sie der herrschenden Klasse abzwingen, sind sie eine strenge Schule für die Arbeiter selbst.  . . .  Die schlimmste Sache, die wir zu fürchten haben ist, dass sich das unterdrückte Volk eine matte Zufriedenheit mit ihrem Los angewöhnt.  . . .  Die gröbsten und erfolglosesten Revolutionsversuche sind besser als das.’’  ‘‘Die wirkliche Aufgabe von Sozialisten,’’ schreibt Morris in einer anderen Ausgabe, ‘‘ist es, den Arbeitern einzuprägen, dass sie eine Klasse sind, während sie die Gesellschaft sein sollten.  Wenn wir uns mit dem Parlament einlassen, werden wir diese Tatsache in der Ansicht der Leute verwischen und trüben, anstatt sie klar zu machen und zu intensivieren.’’  Und noch einmal, unter der Überschrift ‘‘Unattraktive Arbeit’’:  ‘‘Ist es nicht ein wirkliches Paradox zu sagen, dass die Unattraktivität der Arbeit, die jetzt der Fluch der Welt ist, zur Hoffnung der Welt werden kann?  Solange der Mensch bei der Arbeit zuhause sitzen und sie einfach in Ruhe verrichten konnte, bedeuteten ihm die langen Arbeitsstunden wenig und andere Übel konnten ertragen werden.  . . .  Aber jetzt, da die Arbeit eine reine Last geworden ist, die Krankheit einer Klasse, wird diese Klasse mit allen Mitteln versuchen, sie abzuwerfen, sich die Last zu erleichtern und im Zuge dieser Anstrengung müssen sie zwangsläufig die Gesellschaft zerstören, die auf ihrem geduldigen Tragen dieser Last gegründet ist.  Richtig, ihre Herren, durch Furcht klug geworden, werden verschiedene Mittel anwenden, damit die Arbeiter weiter diese Last tragen, aber man wird sie nacheinander entdecken und diskreditieren.  Die Philanthropie hat ihren Tag gehabt und ist vergangen, Sparsamkeit und Selbsthilfe verschwinden; Beteiligung an den Profiten, Parlamentarismus und allgemeines Wahlrecht, der Staats-Sozialismus kommen und gehen denselben Weg, und die Arbeiter stehen zuletzt im Angesicht der Tatsache, dass diese moderne Zivilisation mit ihrer ausgefuchsten Hierarchie und ihrem eisernen Drill als unerträgliche Last auf ihrem Rücken liegt und keine Verkürzung der Arbeitszeit, die dem Boss einen Profit lässt, wird den Arbeitstag kurz genug machen.  Sie werden finden, dass die moderne Gesellschaft nur solange bestehen kann, als sie ihre Last mit einem gewissen Grad von Geduld tragen; ihre Geduld wird zur Neige gehen und die moderne Gesellschaft fällt in Stücke.’’
Nach einem Besuch in Leeds und Bradford schreibt er:  ‘‘Der konstante Druck durch die Disziplinierung in diesen hochorganisierten Industrien hat zwangsläufig die Intelligenz der Menschen begrenzt und ihre Individualität getötet, während das System so mächtig und durchdringend ist, dass es ihnen schwer fällt, sich irgendein System vorzustellen, in dem sie etwas anderes als menschliche Maschinen sein könnten.’’  An anderer Stelle finden wir denselben Gedanken in ein Epigramm gefasst: ‘‘Individuelle Profitmacher sind keine Notwendigkeit zur Arbeit, sondern eine Behinderung für sie.’’
Von der ‘‘Bildung im Kapitalismus’’ sprechend, sagt er:  ‘‘Mein Herz sank unter Mr. McChoakumchild (Romanfigur von Charles Dickens) und seiner Methode und ich dachte, um wie viel glücklicher ich war, aus wohlhabendem Hause zu stammen und auf eine Schule geschickt worden zu sein, wo ich — nichts — lernte, aber immerhin Archäologie und Romantik in den Hügeln von Wiltshire.’’
Unter der Überschrift ‘‘Wie wir leben und wie wir leben könnten’’ schreibt er:  ‘‘Oft, wenn ich mich über die Lächerlichkeit der blödsinnigen Kaninchenställe, die sich die reichen Leute in Bayswater und sonstwo gebaut haben, krank geärgert habe, tröste ich mich mit Visionen einer vornehmen Versammlungshalle der Zukunft, die das reichste Material aufweist, die durch gediegene Verzierung großzügig wirkt und belebt ist mit den in der vorzüglichsten Kunstweise, über die ein freies und kräftiges Volk verfügt, verkörperten Gedanken der Gegenwart und Vergangenheit.  Ein Aufenthaltsort für Menschen, dem an Schönheit und Brauchbarkeit kein privat errichtetes Bauwerk nahekommen würde, da nur gemeinschaftliches Denken und Leben die Vorstellungskraft nähren können, die seine Schönheit hervorbringen und über die Kunstfertigkeit und Muße verfügen kann, die zu ihrer Ausführung erforderlich sind.’’

Öffentliche Kontrolle der Verwaltung.
Diese Ausschnitte aus Commonweal zeigen, dass die Auffassungen der Socialist League definitiv revolutionär waren und das ist in ihrem Manifest klar niedergeschrieben. Da gab es kein Herumflicken, keine halben Sachen; die Grundlagen der Gesellschaft müssen verändert werden.  ‘‘Keine Anzahl rein administrativer Änderungen wird irgendeine reale Annäherung an den Sozialismus bringen, ohne dass die Arbeiter im Besitz der ganzen politischen Macht sind.’’  ‘‘Unter politischer Macht’’, fährt Morris erklärend fort, ‘‘verstehen wir nicht die Ausübung des Wahlrechts oder sogar die vollste Entwicklung des Repräsentativprinzips, sondern die direkte Kontrolle des Volkes über die gesamte Administration des Gemeinwesens, was immer die letztendliche Bestimmung dieser Administration sein mag.’’

Kommunismus.
In dem Manifest sucht man vergeblich nach definitiven Vorschlägen über die Mittel, durch die diese ‘‘direkte Kontrolle’’ ausgeübt werden könnte, aber die Vorträge von Morris werfen etwas Licht auf die Vorstellung einer sozialen Organisation, die er sich gebildet hatte.  ‘‘Diejenigen, die diese Sicht einer neuen Gesellschaft teilen, glauben, dass es zu einer vollständigen Dezentralisierung kommen wird.  Die politische Einheit wäre dann nicht ein Land, sondern eine Kommune.  Die Gesamtheit dieser vernünftigen Gesellschaft wäre eine große Föderation von Kommunen.  . . .  Ein Land oder eine Nation ist eine Gruppe von Leuten, die zusammengehalten werden zum Zweck von Rivalität und Krieg mit anderen ähnlichen Gruppen und wenn die Konkurrenz der Zusammenarbeit Platz gemacht hat, wird damit die Funktion der Nation erledigt sein.’’  ‘‘Ich möchte rekapitulieren’’, fährt er fort, ‘‘was sind die beiden Ansichten von Sozialisten über die zukünftige Gesellschaft?  Nach der ersten wird der Staat — das ist das Land, organisiert für nicht verschwenderische Produktion und die Verteilung des Reichtums — der einzige Arbeitgeber und der einzige Besitzer der gesamten Produktionsanlagen und Vorräte, die er im allgemeinen Interesse so regulieren wird, dass niemand mehr Angst vor Arbeitslosigkeit haben muss und durch Arbeit einen auskömmlichen Verdienst erhält.  . . .  Nach der anderen Ansicht wird das zentralisierte Land einer Föderation von Kommunen Platz machen, die allen Reichtum verwalten und dazu verwenden würde, um die Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder zu erfüllen.  Von jedem einzelnen Mitglied würde nur erwartet, dass es entsprechend seinen Fähigkeiten das Mögliche für die Bereitstellung des gemeinsamen Wohlstand leistet.’’  . . .
‘‘Diese beiden Ansichten werden manchmal als Sozialismus und Kommunismus einander gegenübergestellt, aber für mich ist der letztere nur die notwendige Weiterentwicklung des ersteren, was eine Übergangsphase impliziert, während der die Bevölkerung die geistigen Gewohnheiten los wird, die in den Zeitaltern der Tyrannei und der wirtschaftlichen Konkurrenz ausgebrütet wurden und lernt, dass es im Interesse jedes Einzelnen ist, wenn es allen gut geht.  Wenn die Menschen ihre Furcht voreinander verloren haben, die von unserem System des künstlichen Hungers erzeugt wird, werden sie herausfinden, dass der beste Weg, um Arbeitsvergeudung zu vermeiden, darin besteht, es allen Menschen zu erlauben, sich aus dem gemeinsamen Vorrat das zu nehmen, was sie brauchen, denn keiner hätte die Neigung und die Möglichkeit, irgendwas in größerer Menge an sich zu bringen, als er wirklich zu seiner eigenen Verwendung braucht.  So würde die Gefahr minimiert, dass die Gemeinschaft in Bürokratie verfällt, in Vervielfachung von Behörden und Büros und all dem Zubehör der gesetzlichen Autorität, die nach allem eine Bürde ist, selbst wenn sie durch Delegierte der ganzen Bevölkerung ausgeübt würde und mit ihren Wünschen in Übereinstimmung wäre.’’
Jedes ausdetaillierte Modell des Staats-Sozialismus erregte Widerwillen in Morris, obwohl nicht abzustreiten ist, dass Morris gegen Ende seines Lebens in eine geläuterte Stimmung gebracht wurde und er seinen Rücken unter die Deichsel der Fabianer beugte.  Jedoch hatte seine Unterwerfung das Irreale einer Reue auf dem Sterbebett.  Diese Konfession war in Wahrheit seiner Natur fremd.  Seine Hoffnungen und Wünsche an die Zukunft waren dominiert durch herrliche Visionen freier menschlicher Aktivität, von Stolz und Freude bei der Arbeit mit eigenen Händen und Gedanken, die er — richtig oder falsch — mit der Vergangenheit assoziierte.  Es war nicht nur der Kapitalismus allein, den er hasste.  Die Dressur und Durchorganisiertheit in der modernen maschinellen Produktion waren für ihn genauso abstoßend, wenn die Fabrik in Staatsbesitz und das Management in den Händen von Regierungsbeauftragten wäre.  Seine bezaubernde ländliche Idylle ‘‘News from Nowhere’’ war, wie uns Mackail erzählt, als Protest geschrieben gegen die Verherrlichung von Zentralisation und Stadtleben als das gesellschaftliche Ideal Bellamys in ‘‘Looking Backward’’.  Charakteristisch genug war das Land in Morris’ Vorahnung eher ein Utopia für den arbeitenden als für den konsumierenden Menschen.  Die Herstellung der Güter interessierte ihn mehr als ihr Genuss; die Freude des Machens mehr als die Freuden des Verbrauchens.
‘‘Mr. Bellamy sorgt sich unnötigerweise,’’ schreibt er in Commonweal im Juni 1889, ‘‘mit der Suche (und mit offensichtlichen Fehlern) nach gewissen Anreizen zur Arbeit als Ersatz für die Angst vor dem Hungertod, die jetzt unser einziger Antrieb ist; wogegen nicht oft genug wiederholt werden kann, dass der wahre Anreiz zu freudvoller und nützlicher Arbeit das Vergnügen an der Arbeit selbst ist und sein muss.’’  Wie dieser Anreiz bewahrt oder wiedergewonnen werden kann, das ist für Morris das Problem der Probleme; für orthodoxe Sozialisten ist es dasjenige, welches sie nur zu leicht übersehen, obwohl der Mann von der Straße, der am meisten unterschätzte Kritiker, immer bereit ist, sie daran zu erinnern.  Es ist wieder einmal die alte Geschichte, dass diese mythologische Person — der ökonomische Mensch — vom Wege ab führt.  Der Sozialreformer konstruiert oder besser, er entwirft eine Organisation der Industrie, die, kaum errichtet, sofort ins Wanken zu kommen droht, weil genau dieser Stein im Fundament fehlt, dessen Bedeutung dem Auge des Dichters sogleich gewärtig ist, während er dem Ökonomisten als ein vernachlässigbares Detail erscheint.
Hier kommen wir zur wahren Mission von William Morris in seiner Generation, seine spezielle Aufgabe in der sozialistischen Bewegung.  Selber ein Handwerker, dachte er vom Arbeiter nicht als einer Abstraktion, sondern als Genossen mit mehr oder weniger denselben Motiven wie den seinen.  Dieser lebhafte teilnehmende Blick verführte ihn ohne Zweifel von Zeit zu Zeit zu Missgriffen, besonders im Umgang mit Individuen, schützte ihn aber vor einigen schweren und üblichen Fehlern.  Seine Sicht auf die Zukunft, die neue gesellschaftliche Ordnung, für die wir alle arbeiten, mag einseitig gewesen sein, aber die Seite, die er sah, war die unsichtbare Seite für jene, die in Fragen administrativer Reformen oder in der Organisierung des Klassenkampfes aufgehen.  Gerade das unterlief den Fabiern und Sozialdemokraten gleichermaßen.  Sie waren darauf programmiert, aus ihren Kalkulationen die Humanisierung des Arbeiters bei seiner Arbeit und durch sie herauszulassen und ihm die Erkenntnis des eigenen Platzes in der Ökonomie der Gesellschaft zu vermitteln.  Ein anständiges Leben für den Arbeiter, die Beachtung seines Anteils am Sinn seiner Arbeit war für Morris nicht nur das Ziel, für das wir kämpfen, sondern das einzige Mittel, es zu erreichen.  ‘‘Es muss betont werden’’, schreibt er, ‘‘dass einige Sozialisten nicht glauben, dass die Organisation des Lebens und der notwendigen Arbeit mit einer riesigen landesweiten Zentralisation zu machen ist, die nach einer Art Zauber funktioniert, für den sich niemand verantwortlich fühlt — im Gegenteil: die Verwaltungseinheiten werden klein genug sein müssen, damit sich alle Bürger für ihre Details verantwortlich fühlen und sich für sie interessieren können; damit der einzelne Mensch nicht die Geschäfte des Lebens auf die Schultern einer ‘‘Staat’’ genannten Abstraktion schieben kann, sondern ihnen nachgeht in bewusster Assoziation mit allen anderen.  Die Vielfalt des Lebens ist ebenso ein Ziel des wirklichen Kommunismus wie die Gleichheit der Bedingungen, und nichts anderes als eine Verbindung von beidem wird zu wahrer Freiheit führen.  Die modernen Nationen sind nur künstlich geformte Hilfsmittel für den Wirtschaftskrieg, den wir zu beenden suchen, und sie werden mit ihm verschwinden.  Und schließlich ist die Kunst, das Wort in seiner breitesten und angemessensten Bedeutung verwendet, mehr als eine bloße Ergänzung des Lebens, ohne die freie und glückliche Menschen auch auskommen könnten, sondern notwendiger Ausdruck und unverzichtbares Instrument menschlichen Glücks.’’

Misstrauen gegen die politischen Mittel.
In seiner eigenen Zeit stand Morris unter Sozialisten fast allein mit seinem Misstrauen gegen das politische System, einer ‘‘riesigen landesweiten Zentralisierung, die mit einer Art Zauber funktioniert.’’  Es trifft zu, dass es in England zwei antagonistische Versionen des Sozialismus gab, doch ihr Gegensatz bestand in den Methoden, nicht in den Zielen.  Beide beabsichtigten die Regierungsmacht des Landes zu ergreifen, in dem einen Fall durch revolutionäre, in dem anderen Fall durch trickreichere Mittel.  Morris auf der anderen Seite neigte dazu, eine Regierung für das ganze Land über Bord zu werfen und die Vorstellung einer durch parlamentarisches Stimmrecht ausgeübten demokratischen Kontrolle der Wirtschaft mit Verachtung anzusehen.  Soweit ich davon weiß, erklärte er sich nicht genauer über die Methoden, mit denen eine andere Art der Kontrolle durch die ‘‘nützlichen Klassen’’ realisiert werden könnte, aber zweifellos sollten wir ihn, heute lebend, im Lager der Syndikalisten finden.  Ein tiefes Misstrauen gegen eine Rettung durch das Stimmrecht würde ihn dorthin führen; ein profunder Glaube, dass revolutionäre Aktivität in der Arbeiterklasse effektiver wachgerufen und verstärkt werden kann, indem man unter ihr das Gefühl der gesellschaftlichen Verantwortung als Arbeiter heimisch macht, denn das der Verantwortung als Parlamentswähler.  In dem einen Fall fokussiert sich das Interesse auf Parteipolitik, meist in der primitivsten Form und der Arbeiter hat seine Lektion in Fügsamkeit zu kapieren: ihm wird beigebracht, geschmeidig als kleines Rädchen der Parteimaschine zu funktionieren.  Im anderen Fall wird er vor die zur Lösung anstehenden Fragen der industriellen Produktion und Organisation gestellt: er lernt, sparsam und selbstvertrauend zu sein und bewusst und intelligent seinen Platz in der großen Unternehmung einzunehmen, die die Bedürfnisse der Menschheit versorgt.  Ich sagte vorher, dass Morris sich nie genauer festlegte, wie diese direkte Verbindung zwischen dem einzelnen Arbeiter und der wirtschaftlichen Struktur verwirklicht werden kann, doch in einem privaten Brief von 1888 gibt er ein naives und lebendiges Bild einer industriellen Gesellschaft der Zukunft, die ohne Regierung auskommt:  ‘‘Unser jetziges repräsentatives System ist eine Reflexion unserer Klassengesellschaft.  Die Tatsache des Klassengegensatzes liegt allem Regieren zugrunde und schafft sich die politischen Parteien  . . .  Die Aufgabe des Staatsmanns ist es, die Gier und die Furcht der herrschenden Klasse mit den Notwendigkeiten und den Forderungen der Arbeiterklasse auszubalancieren.  Das ist ein trauriges Geschäft und führt zu allen Arten von Tricks und Hintertreibungen, so dass es mehr als fraglich ist, ob ein Staatsmann ein einigermaßen ehrbarer Mensch sein kann.  Nun, wäre die Herrschaft von Klassen abgeschafft, würde all das zusammenbrechen.  Die Beziehungen der Menschen untereinander würden rein persönliche werden, Reichtum würde als Hilfsmittel des Lebens und nicht als Zweck des Lebens angesehen werden und dadurch das Leben von Menschen dominieren.  Die dann noch bestehenden Gesetze wären viel weniger, sehr einfach und von allen leicht zu verstehen, sie würden vor allem dem Schutz der Person dienen.  Das Eigentum betreffend: da sein Fetischcharakter verschwunden wäre, müsste über seine Verwendung nur beraten werden, z.B. so: wollen wir (die Allgemeinheit) diese Kohlengrube betreiben oder schließen?  Ist es für uns notwendiger, diesen Park zum Weizenfeld zu machen oder können wir es uns leisten, ihn als Erholungsfläche zu erhalten?  Ist es wünschenswert, diese Maschine zur Produktion von Schuhen zu verbessern oder kann man sie so lassen?  Und so weiter  . . .  Zurück zur Regierung der Zukunft, die eher eine Verwaltung von Dingen als eine Regierung über Menschen wäre.  Länder als politische Gesamtheiten würden aufhören zu existieren.   Die Zivilisation wäre dann eine Föderation einer Vielzahl von Gemeinschaften, großen und kleinen: am einen Ende wäre die Stadt und die lokale Gilde, am anderen eine Art von zentralem Ausschuss, dessen Aufgabe fast ausschließlich eine Wächterrolle über die Prinzipien der Gesellschaft wäre  . . .  Zwischen diesen beiden Polen gäbe es verschiedenste Föderationen, die zusammenwachsen oder auseinandergehen, wie es die Umstände von Ort, Klima, Sprache etc. bestimmen und sie würden sich friedlich trennen, wenn der Fall einträte.  Natürlich müsste die öffentliche Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Föderation mit dem Mittel der Delegierung bewerkstelligt werden, aber die Delegierten würden nicht behaupten, etwas oder jemand zu repräsentieren außer der Angelegenheit, mit der sie beauftragt wurden.  Beispielsweise, ‘wir sind eine Gemeinde, die hauptsächlich Schuhe herstellt, ihr macht Baumwollstoffe. Produzieren wir zu viele Schuhe?  Sollen wir so weitermachen oder sollen sich einige von uns für einen Monat oder zwei der Gartenarbeit zuwenden?’ usw.  . . .  Meiner Meinung nach ist das Wesentliche aus dieser Sicht die Stadt, die Gemeinde, der Bezirk oder die lokale Gilde — klein genug, um ihre Angelegenheiten direkt verwalten zu können.  Und ich zweifle nicht, dass schrittweise alle öffentlichen Angelegenheiten soweit vereinfacht werden können, dass es nicht viel mehr als Korrespondenz braucht.  ‘So liegen die Dinge bei uns; vergleicht das mit Euren Fakten.  Dann werdet ihr schon wissen, was zu tun ist.’  So dass wir in die Richtung der Abschaffung jeder Regierung gehen und sogar aller Bestimmungen, die nicht wirklich gewohnheitsmäßig sind; und freiwillige Assoziation würde zur allgemeinen Gewohnheit und zum alleinigen Band der Gesellschaft werden.’’ (Brief an Reverend G. Bainton.)
Es wird aufgefallen sein, dass Morris sich sowohl von Kropotkin mit seinen ‘‘Gruppen’’ wie von den meisten der modernen Syndikalisten mit ihren industriellen Gilden unterscheidet, indem er die lokalen Gemeinschaften als diejenigen benennt, die sein gesellschaftliches Netzwerk bilden sollen.  Ungeachtet seiner Überzeugung, dass sich die Menschen als Produzenten organisieren müssen, verhinderte seine heimatliebende Natur sich eine Gesellschaft vorzustellen, die die Bande der Nachbarschaft, des Aufwachsens auf gemeinsamem Grund, geringschätzt.  England war ihm sehr nahe als Landschaft, nicht als Staatsland und noch mehr liebte er die Ecke von England, in der er selbst geboren und aufgewachsen war.  Wenn wir Morris und seine Einstellung zur Zukunft verstehen, werden wir daraus ersehen, dass sein Sozialismus revolutionär und kompromisslos war, weil er im Herzen konservativ war.  Die Erwartung einer Übergangsperiode, die er Staats-Sozialismus nannte, stieß ihn ab, da dieser aus seiner Sicht die Details und Vielfalt der Vergangenheit durch eine dumpfe Uniformität ersetzen würde.  Schließlich fand er sich damit ab, dass es wohl so kommen müsse; er sah, dass sie durch stumpfsinnige Agitation, gefolgt von stumpfsinniger Gesetzgebung im Anmarsch war und er konnte nie irgendeine Begeisterung dafür empfinden.

Bildung zur Revolution.
Wir haben gesehen, dass die Abspaltung von der Social Democratic Federation, soweit sie nicht nur aus persönlichen Widersprüchen erfolgte, ein Protest gegen umständliche und indirekte Methoden des Vorgehens war.  Morris’ tiefer Wunsch war es, eine sozialistische Organisation zu gründen, die nicht darin aktiv war, sich an der vollständigen Überzeugung kultivierter Menschen abzuarbeiten, noch durch die Etablierung einer Repräsentanz im Parlament, sondern durch das Heben des Niveaus der Revolte, zu der sich die Unterdrückten sammeln können.  Eine Ermutigung zu einem neuen Projekt waren die Zeichen von Unzufriedenheit unter den Massen.  Die Unzufriedenheit zu bündeln und ihr eine Stimme zu geben, das war die Absicht hinter der Gründung der Socialist League.  Ein leidenschaftlicher Hass war in ihm gewachsen gegen eine Gesellschaft, die ihm als bloßer ‘‘Kannibalismus’’ erschien, ‘‘so korrupt, so tief in Heuchelei steckend, dass man sich von einer ihrer Schichten zur anderen mit Abscheu wendet’’.  Nur in einer Richtung sah er Hoffnung, auf dem Wege der Revolution, aber dieser Weg verlief, wie er es sah, graduell und mühevoll.  Und durch die Bildung einer starken Partei von Arbeitern in den Zielen des Sozialismus, damit, wenn die anschwellenden Kräfte der Unzufriedenheit des Volkes nicht länger aufzuhalten sind, aus dem Volk Anführer heraustreten können, um Ziele und Forderungen zu benennen.  Eine planlose Revolte, die gar zu einer Konterrevolution führen könnte, war für ihn eine bedrohliche Gefahr.
Auf diese Periode vor einem Vierteljahrhundert zurückblickend, erkennen wir, dass Morris die Gefahr eines verfrühten Aufstands überschätzte.  Die Gesellschaft war nicht reif dafür.  Bildung war nicht nur nötig, um zu führen, sondern um jene Ungeduld gegenüber Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu erzeugen, die als motivierende Kraft in einem solchen Aufstand vorhanden sein muss.  Er glaubte, dass die Neugeburt der Gesellschaft aktuell möglich war und dass es die Aufgabe der Sozialisten sei, ihr vorwärts zu helfen, damit so wenig Durchein-ander und Opfer wie möglich mit ihr verbunden sind.  ‘‘Bildung zur Revolution (Education towards Revolution) drückt für mich in drei Worten aus, was unser Leitgedanke sein sollte.’’  Es war ein Leitgedanke, der ihn auf der einen Seite von den Parlamentariern und Opportunisten trennte und auf der anderen Seite von Anarchisten, die zu allen Risiken einer sofortigen Revolution bereit waren; und so kam es, dass die League nur langsam wuchs und auf schwierigem Kurs zwischen den Ungeheuern von Scylla und Charybdis steuerte.  Morris hielt dem stand solange er konnte, aber von Beginn an hatte der Weg zur Revolution, wie er ihn sah, wenig Anziehungskraft auf die meisten seiner Genossen.  Nach ein paar Jahren kam es so weit, dass eine Politik rücksichtslosen Diebstahls, von Bomben und Barrikaden von vielen wortreichen Mitgliedern der League offen befürwortet wurde und 1889 waren diese Ansichten so angewachsen, dass Morris tatsächlich die Schriftleitung des Commonweal entzogen wurde, obwohl die Zeitung weiterhin von seinem Geld und Artikeln abhängig war.  Er schrieb darin weiter bis November 1890, als er im Commonweal eine abschließende Erklärung mit dem Titel ‘‘Wo stehen wir jetzt?’’ veröffentlichte.  Nach einem Rückblick auf die sechs vergangenen Jahre, ‘‘seit der Sozialismus wieder ins Leben trat’’, beschreibt er zwei Linien der ‘‘Methoden der Ungeduld’’: in der Richtung von ‘‘Linderungsversuchen’’ und von ‘‘vereinzelter inkonsequenter Revolte’’ und erklärt dann seine Leitschnur, die sich von beidem gleichermaßen unterscheidet:  ‘‘Unsere Aufgabe ist das Hervorbringen von Sozialisten (the Making of Socialists), d.h. die Menschen davon zu überzeugen, dass der Sozialismus gut für sie und möglich ist.  Wenn es genug Leute gibt die so denken, werden sie herausfinden, welche Aktionen nötig sind, um ihre Prinzipien in die Praxis umzusetzen.’’
Dieser achtunggebietende Protest wurde von der Mehrheit der League schlecht aufgenommen und Morris hatte keine andere Wahl, als seine Verbindung mit einer Gruppe zu durchschneiden, deren Politik er ablehnte.

Die Hammersmith Socialist Society.
Nach seinem Rückzug krebste die League 18 Monate weiter und fand dann ein dramatisches Ende mit der Verhaftung des Herausgebers und Druckers des Commonweal. Währenddessen hatte sich Morris und die kleine Gruppe Gleichgesinnter als Hammersmith Socialist Society zusammengeschlossen und sie sandten ein von Morris entworfenes Zirkular an die Sektionen der League außerhalb Londons, in dem sie ihren Schritt erklärten.  Die Mitgliedschaft war zunächst klein und wurde niemals zahlreich.  Emery Walker war Sekretär, Morris der Schatzmeister und die Versammlungen fanden in Kelmscott House statt.
Bis zum Ende seines Lebens ließ der Enthusiasmus von Morris für die Sache nicht im geringsten nach, seine Opposition gegen den Anarchismus wurde eher stärker als schwächer.  ‘‘Wir kämpfen nicht für die Auflösung der Gesellschaft’’, schreibt er im Dezember 1890, ‘‘sondern für ihren Neuaufbau.  Die von einigen, die die jetzige Gesellschaft angreifen, vorgetragene Idee der vollständigen Unabhängigkeit des einzelnen Individuums, d.h. von Freiheit ohne Gesellschaft, ist nicht nur nicht verwirklichbar, sondern genau besehen erweist sie sich als unvorstellbar.’’

Sieben Jahre friedlicher Arbeit.
Obwohl seine sozialistische Überzeugung fest wie immer blieb, kam er mit der Zeit zu der Meinung, dass die in dieser veränderten Situation notwendige aktive Arbeit nichts mehr für seine Kräfte und seine Herangehensweise war.
‘‘In all den traurigen Winkelzügen der parlamentarischen Politik wäre ich absolut nutzlos und das unmittelbar erreichbare Ziel, die Sache ein Stückchen näher zum Staats-Sozialismus zu bringen, der, wenn es dazu käme, mir als schwaches Ziel vorkommt, all das widert mich ziemlich an. Auch weiß ich, dass es eine Reihe anderer Idealisten gibt (wenn ich dieses Wort auf mich verwenden darf), die in derselben Lage sind und ich sehe nicht ein, warum sie nicht zusammenbleiben und sich aus den Gruppenangelegenheiten heraushalten sollten, auch wenn das notwendig wäre.  Das Predigen des Ideals bleibt sicherlich immer notwendig.  Doch auf der anderen Seite ertappe ich mich manchmal, dass ich denke, nicht alles mir Mögliche zu tun, nur um ein Stück persönlicher Kostbarkeit willen.’’ (Brief an Burne-Jones.)
Morris weiter für Organisationstreffen oder die Propaganda an Straßenecken einzuspannen, wäre gewesen, wie mit einem Damaszenerschwert in der Erde zu graben.  Er war da um zu zeigen, wie vielseitig das Leben und voller Freude sein kann, selbst im neunzehnten Jahrhundert.  Die Neubegründung der verloren gegangenen Kunst des Druckens war, als die ausfüllende Beschäftigung seiner letzten Jahre, eine Rückkehr zur wahren Arbeit seines Lebens.  Wir sind in der Erinnerung froh, dass die sieben Jahre von Spannung und Rebellion, als er so großmütig für das Ideal kämpfte, das immer vor seinen Augen war, gefolgt waren von sieben Jahren ernster und glücklicher Arbeit, die die Welt reicher machte in allen Handwerken, die mit der Herstellung von Büchern zu tun haben.
Zuletzt jedoch hielt er von Zeit zu Zeit wieder Vorträge über den Sozialismus.  Am 30. Oktober 1895, gerade ein Jahr vor seinem Tod, sprach er eine Grußadresse zur Gründung der Oxford Socialist Union.  Einige Monate später nahm er am Neujahrstreffen der Social Democratic Federation teil und hielt eine kurze, aber würdevolle und berührende Rede über die Notwendigkeit der Vereinigung.  Zwei Tage später gab er seinen letzten Sonntagabendvortrag in Kelmscott House zum selben Thema mit dem Titel ‘‘Eine sozialistische Partei’’.
Ein weiteres Jahr war trotz nachlassender Kräfte von nicht versiegendem Eifer gekennzeichnet, in dem er die größte seiner Leistungen im Buchdruck im Entstehen beaufsichtigte, die Kelmscott-Ausgabe des Chaucer und in dem er die letzte seiner langen Folge von Erzählungen schrieb, ‘‘The Sundering Flood’’.
William Morris starb am 3. Oktober 1896 mit 62 Jahren und wurde auf dem kleinen Friedhof von Kelmscott beerdigt.  Ein Landwirt führte seinen Leichnam in einem offenen Heuwagen, geschmückt mit wildem Wein, Erlenzweigen und Rohrkolben, zum Grab.

Dieser Text erschien 1912 als Nummer 167 der Fabian Tracts, der Schriftenreihe der Fabian Society; mehrere Auflagen folgten.  Die Verfasserin war Caroline Charlotte Townshend (1878–1944).  Man muss auch etwas zwischen den Zeilen lesen, denn die Fabian Society (1884 bis heute) hatte damals die gute Eigenschaft, andere sozialistische Richtungen zu respektieren, war aber eine elitäre bürgerlich-sozialistische Vereinigung.  Bei aller Wertschätzung scheint durch, dass Morris eine Rolle zugedacht wird, die dem theoretischen Führungsanspruch der Fabier Platz lässt.

Übersetzung 2014 nach der Originalbroschüre

townshend-morrisWir haben diese Biographie auch als Broschüre gestaltet, die hier zum besseren Lesen aufgerufen oder auch über Kontakt bestellt werden kann.

Fehlerberichtigung: Wegen Namensähnlichkeit ist in der gedruckten Broschüre eine andere Mrs. Townshend als Autorin genannt. Geschrieben hat diese Broschüre tatsächlich Mrs. Caroline Charlotte Townshend. Als Künstlerin trat sie besonders durch Buntglasfenster hervor. Es gibt über sie einen Wiki-Eintrag.
In der New York Times erschien damals diese Buchbesprechung.

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