Pierre Ramus: Die Irrlehre des Marxismus

titelEin beeindruckendes Buch ist hiermit wieder verfügbar: Die Irrlehre des Marxismus im Bereich des Sozialismus und Proletariats aus dem Jahr 1927. Verfasst wurde es von Pierre Ramus (1882-1942), einem Österreicher, der nach einigen Jahren in Amerika und England wieder in Österreich als bedeutender libertärer Aktivist und Theoretiker wirkte. Es ist eine vollkommene Überarbeitung und Erweiterung der Erstausgabe von 1919. Durchaus bekannt ist die kleine „volkstümliche“ Zusammenfassung der Erstausgabe durch Franz Barwich für die FAUD im Jahr 1920, die allerdings in ihrer Kürze die Beweisführung und den gedanklichen Umfang des Originals nicht wiedergeben kann: http://www.syndikalismusforschung.info/barwichmarx.htm
inhalt

Zum Lesen und Herunterladen in drei Teilen (à ca. 10 MB):
• Teil-1
• Teil-2
• Teil-3

Ramus bestreitet dem Marxismus grundsätzlich, eine sozialistische Theorie zu sein und stellte die Frage, warum die sozialistische Bewegung in Deutschland und Österreich mit ihrem marxistischen Anspruch unfähig zur Gesellschaftsveränderung war:
„Damit könnte er sich mit seiner Kritik unter die Vielzahl von Beiträgen einreihen, die Marx an seinem 100. Todestag bescheinigten, ‚ein gescheiterter Prophet‘ zu sein, den die Realität begraben habe und dessen Bedeutung im wesentlichen darin liege, trotz einer praxisfernen Theorie eine ungeheure Wirkung auf die Weltgeschichte ausgeübt zu haben. Auch er vertrat die Auffassung, dass Marx lediglich in dem Glauben lebte, Wissenschaftler zu sein, in Wirklichkeit aber vor allem aufgrund seines dialektischen Denkens in Selbsttäuschungen verfiel, sobald er den Boden der reinen Beschreibung historischer Realität verließ und Prognosen für die Zukunft entwickelte. Alle theoretischen Fehlleistungen, die heute Marx angelastet werden, so zum Beispiel sein Geschichtsdeterminismus, der die Vorstellung von der Unvermeidbarkeit des Sozialismus begründete, oder auch die ungelöste Herrschaftsproblematik, hatte Ramus mit allen negativen Konsequenzen bereits in seiner Marxismuskritik vorweggenommen. So verwies er auch schon darauf, daß Marxens These vom Vorrang der Produktivkräfte menschliches Handeln dahingehend einschränkt, Ereignisse zu erwarten, anstatt aktiv die eigene Geschichte zu gestalten. Der Glaube an die „naturnotwendige Revolution“ wirkte sich vor allem insofern verhängnisvoll aus, als er die Arbeiterbewegung in ihrem Handeln lähmte. Zudem versuchte er zu zeigen, daß die einzig praktische Konsequenz, die seiner Meinung nach aus Marx‘ Geschichts- und Gesellschaftstheorie gezogen werden kann, darin besteht, das Streben nach Sozialismus in der Weiterentwicklung des Kapitalismus zu suchen und sich auf Staatsreformen zu beschränken. Besonders problematisch bewertete Ramus, wie wir gesehen haben, die ungelöste Frage von Macht und Herrschaft in der Marx’schen Theorie. So betonte er, dass Verstaatlichung, wie sie das Modell der Diktatur des Proletariats impliziert, keineswegs ein Regime allgemeiner Freiheit schaffe, sondern vielmehr eine vermehrte Macht des Staates und damit auch Verstärkung von Herrschaft bedeute. Die Bilanz, wie sie 1983 von vielen Marxkennern gezogen wurde, zeigt, daß Ramus die Gefahren, die sich in der Praxis aus der Marx’schen Theorie ergeben konnten, bereits 1919 und in detaillierterer Form 1927 mit ungeheurem Scharfsinn formuliert hat.“
(Ilse Schepperle, Pierre Ramus – Marxismuskritik und Sozialismusrezeption, München, 1986)

pierre_ramusRamus verliert sich nicht in Theorieanalyse auf unfruchtbarem Terrain. Von der Aufgabe ausgehend, die Menschen zu ihrer eigenen Befreiung zu befähigen, prüft Ramus auf Sinnhaftigkeit und Anwendbarkeit, findet die Schwachstellen und zeigt sie in konzentrierter Form auf:
„Ramus‘ theoretische Überlegungen sind darüber hinaus auch insofern interessant, als er in Abgrenzung zum Marxismus zeigt, daß eine Theorie des Sozialismus in erster Linie als Handlungstheorie konzipiert werden muss. Eine Handlungstheorie setzt dabei eine Gesellschaftstheorie voraus, die die Motive und Hintergründe menschlichen Handelns klärt. Darüber hinaus muss sie dem Subjekt ein Ziel vorgeben und von diesem Ziel ausgehend eine Strategie entwerfen, die konkrete Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Schließlich gibt er zu bedenken, dass eine sozialistische Theorie, die sich einem humanitären Ziel verpflichtet fühlt, immer auf einer ethischen Grundlage aufbauen muss, die am Wohl aller Individuen orientiert ist, um dem Handeln einen Sinn vorzugeben. Da er auf der Grundlage dieser Überlegungen seine eigene Sozialismuskonzeption entwirft und auch begründet, inwiefern diese Konzeption als Gegenwartsprogramm dienen kann, kann er auch den Einwand marxistischer Kritiker entkräften, anarchistische Praxis sei prinzipiell theorielos.“ (ebd.)

In seinem zeitgleichen Werk „Die Neuschöpfung der Gesellschaft durch den kommunistischen Anarchismus“ unternimmt es Ramus „einen Plan und einige Beiträge zu einem konstruktiven Gedankenbau für die praktische Verwirklichung der sozialen Revolution“ zu entwerfen. Darin bezieht er sich auf William Morris (auch ein sehr praktisch und gleichzeitig idealistisch denkender Mensch), der dreissig Jahre vorher seine persönliche Vision einer schon etablierten kommunistischen Lebensweise vorgestellt hatte:
„Ich bin mir dessen bewusst, dass die zukünftigen Möglichkeiten einer anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft unendlich großartiger und umwälzender sein werden, als ich sie zu schildern und mir vorzustellen vermag. Sie dürften selbst noch schöner sein, als das unerreicht farbenprächtige geniale Buch „Eine Kunde von Nirgendwo“ sie zu schildern vermochte, diese wundervollste, im Gegensatz zu Bellamys Staatssozialismus geschriebene, anarchistische Utopie eines unvergesslichen William Morris. Doch mit derartigem hat mein Werk absolut nichts zu tun, dies liegt nicht in seiner Absicht. Diese wird umfassend und gründlich nur verstanden werden, wenn man es als vollsten Ernst auffasst, was ich behaupte: Mit meinem Werk beabsichtige ich, den architektonischen Plan einer Neuschöpfung der Gesellschaft zu geben, die sofort zu verwirklichen ist, unverzüglich in Angriff genommen werden muss, wenn die Gesellschaft, ja das Menschenleben noch zu retten sein soll vor dem Abgrund der Lebensunmöglichkeit, in den Staat, Militarismus, Theologie und Kapitalismus sowohl die eine, wie das andere geschleudert haben, wenn Gesellschaft und Einzelleben aus diesem Abgrund noch herausgeführt werden sollten, anstatt in ihm kläglich umkommen, untergehen zu müssen.“
Dieses Buch schrieb Ramus während der Katastrophe des 1.Weltkriegs, als er als Kriegsdienstverweigerer unter Hausarrest stand. Er wendet darin auch Gedanken des englischen Gildensozialismus in einem ökonomischen Machbarkeitsentwurf auf Österreich an; dieser war wiederum von den Ideen von William Morris beeinflusst. (Soweit die Verbindung zum Hauptthema dieser Webseite und im Übrigen stehen Erkenntnis und Vernunft über jedem -ismus – jede/r prüfe den ihren, bzw. seinen.)

Eine Biographie und Literaturangaben sind auf der Webseite der Wiener Pierre Ramus Gesellschaft zu finden: http://www.ramus.at/

Hier jetzt die ersten Seiten aus dem Kapitel über ein besonderes Herzstück des Marxismus:
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