Was ich Euch sagen will steht im Zusammenhang mit Fragen, die unter Sozialisten diskutiert werden, die aber nicht nur Thema einer Auseinandersetzung unter Sozialisten sein können. Ich möchte euch meine persönliche Sicht auf das Verheißene Land des Sozialismus vorstellen, verbunden mit der Hoffnung, aus einigen im Publikum die Darstellung ihrer Ansichten herauszulocken. Ich meine, damit eineinhalb Stunden zu verbringen, ist keine Zeitverschwendung wenn wir uns gegenseitig ehrlich und so klar wir können unsere Ideale vorstellen – wenn wir welche haben – oder uns dazu bekennen, keine zu haben.
Wir erleben in der Gegenwart als gemeinsames Abenteuer die Abschaffung des individuellen Eigentums oder des Monopols an den Produktionsmitteln; die Erreichung dieses nahen Ziels wird eine so gewaltige und überwältigende Änderung der Gesellschaft bedeuten, dass diejenigen unter uns mit ein bisschen Vorstellungskraft darüber spekulieren müssen, wie wir dann leben werden: und das Aussprechen der Ergebnisse unserer Spekulation, unserer Hoffnungen und Befürchtungen wird unseren Freunden und Mitstreitern sicher einige Einblicke in unsere Charaktere und Temperamente geben. Wir werden uns gegenseitig besser kennenlernen und das wiederum wird uns viel Reibung und Zeitverlust ersparen – kurz gesagt, es wird uns zu besseren Freunden machen: manchmal aus der Deckung der Partei-Formeln herauszutreten und uns gegenseitig unsere wirklichen Wünsche und Hoffnungen vorzustellen – das könnte ein Schutz sein gegen die Gefahr der Pedanterie, die die intellektuelle Seite der sozialistischen Bewegung bedrängt und gegen die Gefahr, zu einer Politik-Maschine zu werden, die ihre praktische und Alltags-Seite heimsucht.
Es stimmt (was sich wohl einige von Euch denken werden), dass mein Vortrag unter diesen Bedingungen einen persönlichen Charakter annehmen muss und auch irgendwie selbstbezogen sein wird. Ich gebe dafür keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung: ich verfüge über etwa 55 Jahre Erfahrung und ich würde sagen, nicht von der Welt, aber von mir selbst. Das Resultat davon ist, dass ich fast bereit wäre zu leugnen, dass es so ein Ding wie ein individuelles menschliches Wesen gibt: ich habe festgestellt, dass meine geschätzte Haut etwa ein Dutzend Personen umhüllt, die sich trotz ihrer langen Allianz gegenseitig sehr stark überraschen durch ihre seltsamen und unberechenbaren Eigenheiten, durch ihre tiefe Weisheit, ihre extreme Verrücktheit, ihre Höhen und Tiefen. Obwohl deshalb dieses komplexe Lebewesen, das gerade das Vergnügen hat, zu Euch zu sprechen, in dieser Welt kein Seinesgleichen hat, ist es sehr wohl möglich, dass die verschiedenen Personen in meiner Haut, die diese Komplexität ausmachen, von demselben Typus wie viele andere auf der Welt sind und vielleicht sogar von einigen, die jetzt hier im Raum sind. Wenn ich Euch also von meinen sogenannten persönlichen Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft erzähle, dann ist es meine Stimme, aber das Verlangen und die Hoffnungen sind nicht nur die meinen, sondern auch die von vielen anderen und Ihr als praktische Menschen, die Ihr hoffentlich seid, könnt es Euch nicht leisten, sie zu übergehen.
Nun, die Frage lautet: was zieht Menschen beim heutigen Stand der Bewegung in die Reihen der Sozialisten? Ich meine natürlich, was macht sie zu überzeugten Sozialisten? Ich glaube, es kann nicht irgendeine Hoffnung auf persönliches Aufsteigen sein: solche Hoffnungen wären zu toll, dass jemand sich ihnen hingeben könnte, der in der Lage ist, mit der Gabel zu essen – auch die optimistischsten unter uns kennen die Berge von Problemen der einen oder anderen Art, bevor der erste wirksame Stoß die Monopolisten erschüttern wird – ständige Mühen sind ganz bestimmt ein Teil unserer Belohnung für das Wagnis der Hoffnung auf Verbesserung der Gesellschaft. Ist es geistige Überzeugung, abgeleitet aus dem Studium der Philosophie, der Politik oder der Ökonomie auf abstrakte Weise? Ich glaube es gibt viele Leute, die das für die Hilfsmittel ihrer eigenen Konversion halten; aber wenn sie darüber nachdenken werden sie sicher finden, dass das dabei erst die zweite Stufe war: die erste Stufe muss die Beobachtung gewesen sein, dass es ein großes Maß an Leid in der Welt gibt, das beseitigt werden sollte. Das ist meiner Meinung nach die erste Sache, die einen Menschen zu den Sozialisten zieht, ob er das in seiner eigenen Person erleidet und bewusst wird, dass er von dem, was wir Gesellschaft nennen, schlecht behandelt wird: ein Unrecht, das nicht zufällig ist und mit einer Reihe von gewissen Maßnahmen überwunden werden kann – oder ob er unbewusst einer derjenigen ist, die das Unrecht verüben aber den einfachen guten Willen haben, alle Menschen so glücklich zu sehen wie nur möglich – und diesen Wunsch haben alle, die nicht schlecht konditionierte Schurken sind.
So gesehen ist der von mir geforderte gesellschaftliche Zustand in keiner Weise etwas besonderes: in der Erinnerung an meine frühesten Momente des Nachdenkens (eine Tätigkeit, die alle gesunden und glücklichen jungen Leute so gut es geht vermeiden) kommt mir, dass ich von Zeit zu Zeit von dem plötzlichen Einfall ergriffen wurde, dass der größere Teil der Menschen schlecht ernährt, schlecht gekleidet, schlecht behaust, überarbeitet und als Konsequenz davon unangenehm und unsympathisch ist. Diese Gedanken beunruhigten und entmutigten mich und nahmen meinen Vergnügungen und meiner Arbeit die Würze (es gab keinen großen Unterschied zwischen beiden) – so schob ich sie zur Seite, so gut ich konnte. Aber ich blieb mir bewusst, dass ich damit eine schäbige Rolle spielte, denn ich war nicht der Dummkopf, der nicht klar hätte sehen können, dass die erniedrigten Menschen, die zwischen mich und mein Vergnügen kamen, sich nicht selbst erniedrigt hatten und dass es deshalb etwas geben musste, was einen starken und ehrenhaften Menschen bezwingen kann.
In all dem ist nichts Besonderes: man könnte sagen, dass ein natürlicher Sinn für die Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft in mir wuchs wie sicher in vielen anderen aus meiner Klasse und meinen Lebensumständen. Aber in dem was folgte war ich vielleicht besonders. Ich war auf indifferente Weise gutmeinend, ich war keineswegs stark: denn ich muss Euch sagen, eine der Personen in meiner Haut ist die friedliebendste und eine andere die faulste aller Personen – auch darin wäre ich nichts Besonderes. So ist anzunehmen, dass dieses wachsende Gefühl für die Ungerechtigkeit solange gedämpft worden wäre, bis ich alt und abgebrüht genug sein würde um es leicht zu nehmen: aber irgend etwas geschah mit mir, das dies verhinderte. Obwohl meine Arbeit mein großes Vergnügen war, war es mir doch auch sehr ernst damit: ich wage zu sagen, dass einige von Euch sehr erstaunt wären, welches Vergnügen sie mir gab; aber zuletzt brachte sie mir eben so viel Kummer. Es war eine große Aufgabe, die ich in Angriff genommen hatte, nichts weniger als die Wiederbelebung der Volkskunst, wie sie genannt wurde. Mir war lange nicht voll bewusst, welch große Aufgabe es war, obwohl ich mir über den kompletten Niedergang der Kunst im allgemeinen sehr wohl im Klaren war.
Es kam die Zeit, da ich herausfand, dass die unangenehmen Gedanken über den größeren Teil der Bevölkerung eng verbunden waren mit dem tiefsten Kern meiner Arbeit und dass ich letztlich eine Aufgabe angegangen hatte, die unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen unlösbar ist. Sie können sich vorstellen, dass ich nicht mit einem Schlag zu diesem Schluss kam; tatsächlich versuchte ich mich lange herauszuwinden, bis ich schließlich festgenagelt war und damit war der größere Teil meines Vergnügens in der Arbeit verschwunden: und das war wirklich schwer für mich, denn ich ging in ihr von Herzen auf.
Nun ich kann Euch nicht genau sagen, ob es gerade zu dieser Zeit war, dass ich vom Sozialismus als definitiver Bewegung hörte, aber ich weiß, dass an meiner Entscheidung für ihn das Lesen der Werke von John Ruskin einen guten Anteil hatte: durch den Fokus, den ich sozusagen mit seinem Blick auf meine Arbeit legte und durch meinen wachsender Sinn für Ungerechtigkeit (vielleicht mehr als er beabsichtigte) kam es so und als Resultat war ich vollkommen für den Sozialismus bereit, als ich ihm in definitiver Form begegnete: als einer politischen Richtung mit bestimmten Zielen für eine Revolution der Gesellschaft. Meine Position war dann gleich der vieler anderer: eine tiefe Unzufriedenheit mit dem gesellschaftlichen Leben im Ganzen; das Gefühl einer tödlichen Krankheit der modernen Zivilisation, das ohne Finden eines Auswegs in reinem Pessimismus geendet hätte, was oft genug passiert.
Wie sie wissen fand ich diesen Ausweg und wurde von dem Schluss abgehalten, dass die Kunst, der ich mich verschrieben habe, nur eitle Spinnerei sei; dass ich zum Teil damit weitermachen muss, weil ich keine andere Möglichkeit kenne, meinen Lebensunterhalt zu verdienen; zum Teil weil ich einfach immer wieder etwas Angenehmes zu tun haben muss. Mein Sozialismus begann da, wo der einiger anderer endet: mit einer großen Sehnsucht nach vollkommener Gleichheit der Lebensbedingungen für alle Menschen, denn ohne diese Gleichheit wird die menschliche Gattung die Kunst und imaginative Literatur aufgeben müssen, was immer sie sonst dabei gewinnt – und für mein Temperament bedeutet das den wirklichen Tod der Menschheit – den zweiten Tod. Natürlich kam mit dem Verlangen nach Gleichheit die Notwendigkeit der Aufhebung des Privateigentums, so dass ich Kommunist war, bevor ich irgendetwas über die Geschichte oder nächsten Ziele des Sozialismus wusste. Ich musste mich hinsetzen und für mich entschieden unattraktive Bücher lesen, für die ich mich ganz ungeeignet fühle und was mich wie einen Schuljungen in absurde Streitigkeiten und Hickhack mit Menschen brachte, die ich mag, nur um ein praktischer Sozialist zu werden – und ich zweifle nicht daran, dass einige unter Euch mir diesen Rang noch nicht zusprechen. Doch all das machte nichts aus, denn ich hatte Hoffnung in meine Arbeit zurückgebracht und konnte wieder mein altes Vergnügen in ihr finden; meine Bitterkeit verschwand und – ich wurde wiedergeboren.
Über all das hätte ich kein Wort verloren, wüsste ich nicht, dass das, was mir passierte auch mit anderen geschah, wenn auch nicht in ganz derselben Weise. Wir (ich möchte jetzt „wir“ sagen) stehen im Leben dieser Welt und sind nicht im mindesten Pessimisten, aber wir sind höchst unzufrieden mit allem wie es ist (außer den Grundelementen des Lebens) und die Hoffnung auf die Zukunft steckt in unseren Köpfen.
Wir sind lebendig und können das leidenschaftlichste Vergnügen geniessen in all den Bereichen des Lebens, über die die Barbaren noch in vollem Umfang verfügten, die aber die Zivilisation uns größtenteils entzogen hat: „die sinnlichen Vergnügen des Lebens“ ist der technische Ausdruck dafür, oder sollte ich sagen: die unschuldigen sinnlichen Vergnügen? Z.B. haben wir Augen im Kopf und können durch sie Eindrücke aufnehmen; aber die Zivilisation fordert uns auf, sie in die Tasche zu stecken, was meist befolgt wird. Und es muss gesagt werden, dass da auch Sinn dabei ist, denn die Zivilisation ist so ein verdorbenes Flittchen und wo auch immer sie kann, gibt sie uns nicht Erfreuliches zu sehen, so dass wir ihr wohl dankbar sein müssen (wie mein Freund Shaw) für die Dampfwolken aus dem Kamin einer Lokomotive, auf jeden Fall dann, wenn sie nicht verschmutzt sind durch den Kohlenrauch. Durch solche Eindrücke bekommen wir ebenso unser Vergnügen wie unsere Qual; aber es ist soviel Qual darin, dass sie insgesamt unsere Unzufriedenheit verstärken. Denn so wie es jetzt ist: was auch immer wir anschauen, es hat einen gewissen Anteil dieser Krankheit an sich und wir wollen und wollen aber diese Dinge verbessern: wir können die Welt nicht nur so betrachten, als wäre sie ein eindrucksvolles Gemälde; oder angenehm zufrieden gestellt sein mit dem verfallenen Stück einer malerischen Sehenswürdigkeit, das letztlich nur eine Hülle gewesen sein mag für Stumpfheit und Elend. Aber hier kann wieder Hoffnung wachsen: denn wenn wir in der Gegenwart von solchen Brotkrumen leben, die wir in allgemeiner Ödnis und Zerfall finden, dann werden wir in der Zukunft erst recht großzügig leben. Und ein Teil unseres Vergnügens im heutigen Alltag – vom animalischen Leben spreche ich und davon, was auf der Erde, in den Gewässern, im Himmel und dem Rest passiert – kommt aus der Tatsache, dass wir in ihnen Elemente des Lebens in der Zukunft sehen können; mehr als im gegenwärtigen Denken, in der Literatur, in der sogenannten Kunst, in der sogenannten Wissenschaft.
Zusammengenommen ist unsere Hoffnung so reichlich, dass alle Ausprägungen der Krankheit der Zivilisation vor unserer wiedergewonnenen Freiheit verblassen werden: was wir erreichen wollen, wofür wir das Mittel einer Übergangsphase benützen wollen (was ja einige unter dem Wort Sozialismus verstehen), ist keine bloße Korrektur unserer bestehenden Gesellschaft, sondern der Aufbau einer neuen Gesellschaft, in der wir bewundern werden, was wir bisher verbrannt haben und verbrennen, was wir bisher verehrt haben.
Wie werden wir dann leben? Welches Produktions- und Tauschsystem wir auch haben werden, wie gerecht wir auch die Beziehungen der Menschen untereinander arrangieren werden, wir werden nicht glücklich sein, solange wir nicht leben wie die herrlichen Tiere; solange wir nicht die Ausübung der gewöhnlichen Funktionen des Lebens genießen können: essen, schlafen, lieben, gehen, laufen, schwimmen, reiten, segeln … wir müssen so frei sein, all diese Betätigungen des Körpers ohne jedes Gefühl von Scham zu genießen. Ohne irgendeinen Verdacht, dass unsere geistigen Kräfte so staunenswert und gottgleich seien, dass wir über solch gewöhnlichen Dingen stünden.
Entgegen der sehr natürlichen Abneigung gegen körperliche Arbeit, die uns die gegenwärtigen Bedingungen aufzwingen, sage ich, dass wir stark und gesund genug sein müssen um Freude an körperlicher Arbeit zu haben; ein guter wackerer Ringkampf mit den Kräften der Natur lässt uns unsere Kraft spüren. Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, von der Produktion der Nahrung nicht so in Anspruch genommen werden, dass wir die Ernte noch mit der Hand einbringen können oder dass viele von uns selber ihre Küchenkräuter anbauen, natürlich mit entsprechendem Wissen und Geschick. (Ich möchte auch hoffen, dass wir es nicht für notwendig halten werden, unser Leben dadurch zu verkürzen, dass wir wie heute in der Art von Paketen von einem Ort zum anderen verschickt werden. Ich bleibe dabei, dass das Gehen von Ort zu Ort (auf der Oberfläche der Erde) bestimmt keine Zeitverschwendung ist, wenn wir es nicht als Pakete machen und besonders als die Glücklichen, die unterwegs nicht denken. Tatsächlich versuche ich auch dann, wenn ich als Paket unterwegs bin, manchmal meine Augen durch das braune Papier zu stecken.)
Nun, all das würde bedeuten, dass unsere Ansichten über Fragen der Bildung sich in gewisser Weise ändern müssten: Die Ausrüstung für das Leben unter den neuen Voraussetzungen würde und könnte nicht mehr die alte bleiben. Es stimmt, dass die Fähigkeit, richtig mit der körperlichen Seite des Lebens umzugehen eine Art Gewohnheit werden würde: dennoch vermute ich, dass die Menschen außer auf den Südseeinseln und ähnlichen Orten das Schwimmen lernen müssen und, außer in den Pampas, das Reiten. Und ich kann mir nicht leicht einen Kerl vorstellen, der weiß, wie man gräbt und ackert und sät und erntet ohne Lernen, obwohl dieses Lernen nicht unter der schematischen Schulmethode erreicht würde, sondern als Lernende, denen alle jeweils Kundigen ihr Wissen weitergeben. Nebenbei: ich glaube, dass die meisten zwei oder drei der wichtigsten Handwerke erlernen wollten; ob sie vorhaben, sie als Hauptbeschäftigung zu praktizieren oder nicht. Ich denke da an Schmiede-, Teppichweber-, Maurer- oder Steinmetzarbeit, und diese brauchen ausführliche Einweisung, was einige Zeit dauert. Verschiedene geringere Künste wie Kochen und Nähen könnten sehr leicht schon im Kindesalter erlernt werden und es wäre nur wenig mehr als das leichtfallende Anlegen einer neuen Gewohnheit.
Wenn die Bildung wieder auf die Füße gestellt ist, sollten wir zuerst ein großes Angebot von Beschäftigungen im Freien haben; von Arbeiten, die getan werden müssen, die gesunde und starke Menschen bestens ausführen können. Einige davon werden vielleicht individuell ausgeübt, aber die meisten auf kollektive Weise und der Anteil davon, bei dem keine große Meisterschaft zu erreichen ist wird mit geringem Aufwand, fast wie eine Gewohnheit gemacht werden können.
Fügt diesen Beschäftigungen einige von denen hinzu, die ich des knappen Ausdrucks willen häusliche Arbeit nennen möchte und auch von denen, die wir Kunst nennen (eine wichtige Ergänzung). Zu diesen würde ich, neben den plastischen und dekorativen Künsten, schöngeistige und fachbezogene Literatur und das Streben nach Wissen als Wert an sich zählen. Das sollte die meisten der für eine glückliche Gemeinschaft notwendigen Beschäftigungen beinhalten. Und bei meinem Leben: ich kann nicht einsehen, warum wir uns mit Beschäftigungen herumschlagen sollten, die nicht notwendig sind.
Lasst mich versuchen, diese Beschäftigungen etwas systematischer in Gruppen einzuteilen und ein paar vielleicht umstrittene hinzuzufügen:
1. Die an der frischen Luft ausgeübten Künste
(ich möchte sie hier gleich als Künste benennen, denn nach meiner Meinung ist jede Arbeit, die der Mensch in der besten Ausübung seiner Fähigkeiten macht und die deshalb mit Freude getan werden kann, eine Kunst.)
Landwirtschaft und die damit verwandten Künste: Gärtnern, Fischen, Schlachten, Rudern und Segeln. Kutschen fahren, ebenso Züge oder Omnibusse (als Überschneidung mit der Güterverteilung). Die Gewohnheiten des Schwimmens, schnellen Gehens, des Laufen und Reitens gehören hierzu und ebenso das allgemeine Wissen über Tierhaltung.
Ich meine, dass jeder Mensch, der nicht vergnügliches Interesse an einer dieser Künste haben oder sie nicht ausüben kann, als kranker Mensch wird angesehen werden müssen – als kein ganzer Mensch, mehr als Last für die Gemeinschaft. Wenn es viele dieser Sorte gäbe, würde die Tendenz zu einer Klasse von Sklaven entstehen: Leute, die allein die gröbere Arbeit der Welt verrichten.
2. Die Künste der häuslichen Arbeiten
Die Führung eines Haushalts in allen Einzelheiten: Einholen, Saubermachen, Kochen, Backen, usw., Näharbeiten mit der notwendigen Ausweitung auf Stickerei und so weiter. Noch einmal, wer auch immer daran kein Interesse findet und sich nicht zumindest an einigen dieser Arbeiten beteiligt, muss als als erkrankt betrachtet werden. Mit vielen solcher leidenden Personen ginge es wieder in Richtung Versklavung des schwächeren Geschlechts.
3. Die Künste des Bauens
Steinmetze, Maurer, Schmiede, Zimmerleute und ähnliche, dazu Architekten, Ingenieure usw. Die Künste unter diesen Arbeiten, die wir heute bereits Kunst nennen, und wie z.B. Dekoration den Intellekt durch das Sehen ansprechen, würden einen notwendigen und integrierten Teil bilden, mit vielfältigen Möglichkeiten der Meisterschaft. Folglicherweise würden nur die hier einsteigen, die eine gewisse gestalterische Fähigkeit haben (wie die meisten freien Menschen, glaube ich), aber es wird sicher auch bei manchen einen Mangel dieser Fähigkeiten geben. Da sie aber damit ihren Teil der notwendigen Arbeit erfüllen und das zu ihrem Vergnügen, würden sie niemanden Schaden zufügen.
Im übrigen sind diese Künste im höchsten Grade kooperativ. Keine der für sie gebrauchten Teilarbeiten könnte wirklich vom ganzen Werk getrennt werden.
4. Die Künste der Werkstatt
Weben, Töpfern, Färben, Bedrucken (Stoffe und Bücher) usw. In die meisten dieser Künste würde ziemlich genau dasselbe eingehen wie in der vorhergehenden Gruppe. In den Fällen, wo Kunst kein integrierter Teil der Arbeit sein kann und diese doch notwendige Arbeit bleibt, würde sie von Maschinen gemacht werden, so weitgehend automatisiert wie möglich. Ich möchte es dabei als Selbstverständlichkeit ansehen, dass diejenigen, die diese Maschinen bedienen, auch noch eine andere, vergnüglichere und verantwortungsvollere zu tun haben werden und je mehr Plagerei dieser Art wir ersetzen können, desto besser.
5. Die unangenehmen Künste
Ich nehme an (obwohl ich mir da nicht sicher bin), dass es solche unumgänglichen Künste geben wird und möchte sie unterteilen in
a) die groben unangenehmen Künste
b) die sanften unangenehmen Künste.
Mit den ersten meine ich solche Beschäftigungen wie Arbeit in Bergwerken, Schlachttiere enthäuten, Straßen kehren usw. Bei den zweiten denke ich an Schreibstubenarbeit der weniger unterhaltsamen Art, an Büroarbeit oder behördliches Herumbummeln usw. Zu beiden Gruppen sage ich dasselbe wie vorher: Anwendung von Maschinen wo möglich, damit die Beschäftigten etwas anderem nachgehen können: aber auch genaue Nachprüfung, inwieweit diese Tätigkeiten notwendig sind: wenn nicht, dann abschaffen.
6. Die mit Güterverteilung befassten Künste
Transport der Güter, der Betrieb von Läden, Planung und Koordination. Ich vertraue darauf, dass es möglich sein wird, Leute zu finden, die diese Arbeit lieben und wir sollten sie das Beste daraus machen lassen. Dennoch bin ich sicher, dass sie Pflanzen und Ernten, oder vielleicht Lederbearbeitung erholsam finden werden und diese Erholung sollten sie bekommen.
7. Die höheren oder intellektuellen Künste
Z.B. Malerei, Bildhauerei und die kleineren oder reproduzierenden höheren Künste wie das Holzstechen. Ebenso die imaginative Literatur und das Studium von Geschichte und Natur. Da für einige von ihnen eine große Portion manueller Arbeit notwendig ist, könnte ihnen auch ausschließlich nachgegangen werden. Für andere sicher nicht und sogar bei den genannten manuellen höheren Künsten wäre etwas rauere manuelle Arbeit wünschenswert außer in Fällen, wenn es solche gibt (was ich wiederum bezweifle), wo eine extreme Feinheit der Hand so erforderlich ist, dass sie nicht durch gröbere Arbeit gefährdet werden sollte. Auf jeden Fall ist sicher, dass es für Menschen nicht gut ist, in diesen Künsten vollkommen aufzugehen. Es würde zu Krankheit führen, zu anti-sozialen Verhaltensweisen, die die Gemeinschaft mit einer neuen Gruppe von Tagedieben belasten würden, und (wenn die anderen dumm genug wären) auf lange Sicht zu einer neuen Art von Beherrschenden.
Bevor ich weitergehe, sollte ich noch sagen, dass ich nicht bezweifle, dass ein gewisses Maß an Organisation und Leitung in den verschiedenen Beschäftigungszweigen erforderlich sein wird. Ich bin weit von dem Gedanken entfernt, dass es notwendig oder wünschenswert wäre, den Leuten vorzuschreiben, welche Tätigkeit sie ausüben sollen; ich vermute nur, dass Möglichkeiten für die Leute geschaffen werden müssen, das zu tun, was sie am besten können und dass die Arbeit freiwillig sein wird, soweit es die Beziehungen unter den Menschen betrifft. Der Zwang geht von der Natur aus; sie ist in nur einem Sinn der Gegner: aber ein Gegner, der bezwungen werden will.
Nachdem ich mein Ideal hinsichtlich der menschlichen Beschäftigungen in einer freien Gemeinschaft vorgelegt habe, möchte ich noch ein paar Gedanken über ihre Realisierungsmöglichkeit zu ihrer gegeben Zeit sagen: also dazu, was man die politische Seite der Frage nennen könnte.
Dezentralisation und Gleichheit der Bedingungen sind die notwendigen Begleitumstände meines Ideals der Tätigkeit: aber ich bin mir nicht klar, ob sie als Ursache oder als Wirkung des Zustands der Dinge, wie mein Ideal sie vorzeichnet, betrachtet werden sollen. Ich glaube, wenn das zweite sicher gegeben ist, wird das erstere auf natürliche Weise dazukommen. So schwierig, oder wenn ihr wollt, unmöglich es sein mag, sich die Veränderung vorzustellen, die mit der Abschaffung der großen Zentralmacht der modernen Zeit (dem Weltmarkt, wie wir wissen) mit all dem erfinderischen und komplizierten System, das die Profitjagd darum herum gebaut hat – schliesslich muss es in etwas anderes übergehen, und dieses andere Etwas kann schwerlich die Perfektionierung ihrer Perfektion sein, sondern eher ihr Gegenteil, und das ist der bewusste gegenseitige Austausch von Dienstleistungen zwischen Gleichen. Nun, wie die Dinge so laufen, können wir, die wir das erleben, es kaum verstehen. Sind da keine sichtbaren Zeichen der nahenden Veränderung? Die erste und unteilbare Republik von vor 100 Jahren geht durch eine Phase der Korruption der Bourgeoisie und die einzige Hoffnung Frankreichs ist, dass am anderen Ende eine Föderation freier Kommunen herauskommen wird. Die Einheit Deutschlands wurde vor wenigen Jahren vollzogen; gerade hier warten wir nur auf ein Ereignis, das früher oder später mit Gewissheit eintreten wird: die Niederlage der deutschen Armee und dem Aufbrechen der Einheit in Föderationen mit sozialistischem Ziel. Und bei uns wird das Prinzip der Föderation in der Frage Irlands von allen außer den dümmsten Reaktionären zugestanden: während die Tories selber, getrieben von, wie ich glaube, blindem Schicksal, uns mit den County Councils Keime einer lokalen revolutionären Opposition gegen die zentralisierte Reaktion in die Hand gaben. Auf diese Weise scheint, bevor die Zentralisierung ganz vollkommen ist, die Änderung in die entgegengesetzte Richtung begonnen zu haben und einmal begonnen, wird sie sicher weitergehen, bis die notwendige praktische Dezentralisierung erreicht ist. Von unseren heutigen Bedingungen aus gesehen, ist für mich die Dezentralisierung notwendig, um allen Menschen einen Teil der Verantwortung für die Verwaltung der Dinge zu geben, die wie ich hoffe an die Stelle der Regierung über Menschen treten wird: ihr werdet verstehen, dass ich die mögliche Notwendigkeit einer gewissen technischen Zentralisation zugebe, wie die zentrale Verwaltung von Eisenbahnen in diesem oder jenen geographischen Distrikt, was aber nach allem keine Zentralisierung wäre, sondern direktes Ergebnis der Föderation.
Ich stimme auch zu, dass die Form, die die Dezentralisierung oder Föderation annehmen wird, an die Frage von Experiment und Wachsen gebunden ist: was auch die Einheit der Verwaltung sei, was die Gruppen der Föderation sein werden, ob es Kreuz-Verbindungen wie z.B. Handwerksgilden oder Kooperationsgesellschaften Seite an Seite mit der geographischen Einteilung von Bezirken, Kommunen und dergl. geben wird oder nicht – all das ist noch eine Frage der Spekulation und ich will darüber nicht prophezeien.
Jedoch möchte ich in Klammern hinzufügen, dass mein Temperament mich zu der Überzeugung führt, dass wir in die Lage kommen werden, ein äußerlich sichtbares Zeichen von kommerzieller und staatlicher Zentralisation loszuwerden: unsere Großstädte und unsere dichtgepackten Industriebezirke.
Zunächst sind die großen Zentren wie London, Paris oder Berlin sicherlich das Ergebnis des verzweifelten Überlebenskampfes, den die Konkurrenz zwischen den Monopolen sowohl bei den Besitzenden wie bei ihren Sklaven hervorruft. Sie sind Kontore des Kommerzes, Schiebungs-Börsen der Bürokratie, die Höhlen der Raubtiere kleiner und großer Beute, die zu ihrer Jagd die Nöte und Verrücktheiten einer großen Menschenmasse ausnützen, die keine Zeit hat, herauszufinden, was sie will. Die all ihre Gebrauchsdinge, vom runtergegessenen Brot bis hin zu einem neuen Roman oder Theaterstück ausgeteilt bekommt, wie die Spielkarten von einem Falschspieler: es sind die Schwitzhöhlen, in die der Hunger die Hungerleider aus dem übrigen Land treibt, damit sie einen Kanten Brot essen, während sie verzweifelt die Würfel werfen nach dem millionstel Teil einer Chance, um aus dem Proletariat zu entkommen, dem Hof zwischen der modernen Gesellschaft und dem Vulkan, auf dem sie errichtet ist. Ich streite nicht ab, dass das die Lager sind, in die die Soldaten der Revolution eindringen müssen, wenn sie irgend etwas zum Voranbringen ihrer Hoffnungen tun wollen, bevor sie sterben. Aber angenommen, die von uns allen erhoffte Änderung der Zustände tritt ein, welchen Nutzen werden dann diese monströsen, konfusen Zusammenballungen noch haben? Lager werden nicht mehr gebraucht, denn der kämpfende Sozialismus wird vorüber sein: kein Mensch wird sich beeilen, ausgebeutet zu werden, denn ein anständiger Lebensunterhalt wird ihm garantiert sein. Die Leute werden freie Zeit haben um sich klar zu werden, was sie wollen und die realen Möglichkeiten dazu: die erwähnten Parasiten werden so nicht existieren, weil es kein Aas gibt, das sie nähren könnte. Den gräßlichen Misthaufen, in dem wir heute schmoren, wird es nicht mehr brauchen. Für den Fall dass jemand geneigt sein sollte, die Erregung und Lebhaftigkeit einer Großstadt (wie ich das genannt hörte) zu bedauern, dann möchte ich nur zwei Dinge sagen: erstens, dass in den Tagen nach dem Monopol, wenn es zumindest schon eine Annäherung an Gleichheit gibt, es auch relativ gesehen mehr intelligente und nachdenkende Menschen geben wird: wir machen heute alles auf verschwenderische Weise, d.h. wenn wir ein Dutzend hoch-kultivierter und gedankenreicher Leute haben wollen, dann brauchen wir 12000 Proletarier in ihrem Rücken, um die notwendigen Komponenten von Erregung und Lebhaftigkeit für diese zwölf Edelsteine zu produzieren: als praktischer Mensch kann ich diesem Plan nicht zustimmen. Zweitens müsst ihr daran denken, dass die Stumpfheit und Monotonie des jetzigen Landlebens, das viele beklagen (aber ich nicht), die Kehrseite des Lärms des Stadtlebens ist, weil die Stadt in jeder Beziehung das Blut aus dem Land saugt: in den Tagen nach dem Monopol hoffe ich, werden wir, wie bereits gesagt, das ändern.
Auch die großen Fabrikdistrikte könnten verschwinden: offensichtlich ist es möglich, Waren billiger zu produzieren, wenn Arbeitskraft und Materialien auf kleinstmöglichem Raum konzentriert werden; in post-monopolisierten Tagen wird das „billige Schwert“ nicht mehr länger nötig sein als Angriffswaffe gegen andere Länder, wir sollten zu der Entscheidung gelangen, dass wir Billigkeit zu teuer erkauft haben; dass diese Hölle ein zu hoher Preis dafür ist und dass es die Sache wert wäre, etwas länger zu arbeiten, um dafür an einem angenehmen Ort zu leben. Natürlich werden wir alle zusammen einer Meinung sein, dass dies Zentren der profitbringenden Herstellung und Verhökerung von Waren sind und nichts anderes – außer dem dazugehörenden Schmutz. Aber an der Stelle muss ich noch sagen, dass die Dezentralisierung mit dem damit verbundenen anständigen Leben und der ausgeübten Verantwortung nur in demselben Maße erreichbar ist, wie die Gleichheit voranschreitet. Und sie kann nur voll erreicht werden, wenn wir bei der praktischen Gleichheit angelangt sind und diese Gleichheit ist unser wirkliches Ideal.
Wenn einige Sozialisten sich das nicht ständig vor Augen halten, kann ich das nur dadurch erklären, dass ihre eifrige Verfolgung der Mittel sie für das Ziel irgendwie blind gemacht hat.
Es gibt mit Bestimmtheit nur zwei Theorien der Gesellschaft: Sklaverei auf der einen Seite, Gleichheit auf der anderen. Die erste Theorie geht davon aus, dass die natürlichen Unterschiede der menschlichen Fähigkeiten benützt werden sollten, um eine Klasse von übergeordneten Wesen herauszubilden, die von dem, was den anderen mangelt, leben – kurz gesagt vom Unglück der untergeordneten Klassen. Die zweite Theorie sagt, wenn du den Stärksten nimmst und ihn noch stärker machst, kannst du keineswegs davon ausgehen, dass du den Besten erwischt hast. Er ist nur der Stärkste unter den besonderen künstlichen Bedingungen, die ihr selbst eingerichtet habt und ihr werdet nie sagen können, was Ihr mit meisterhaftem Unverstand an viel Besserem ins Nichts gedrückt habt: befriedigt stattdessen die Bedürfnisse eines Menschen und was in ihm ist, wird zu Eurem und seinem Nutzen aus ihm heraus kommen und ihr könnt nicht mehr aus ihm herausholen als das, wozu er in der Lage ist. Das ist das, was der Kommunismus sagt und die einzige Möglichkeit, die ich sehe, ihn zu durchkreuzen, ist zu sagen: ich möchte diesen Menschen als mein Eigentum; alles was er macht soll mir gehören, ob viel oder wenig; aber wenn er weniger schafft als er für sich selber braucht, nützt er mir nichts und ich werde ihn töten wie ich ein abgearbeitetes Pferd töten würde. Jede Abstufung zwischen diesen beiden Theorien kann ich nur auf der Grundlage verstehen, dass die Gegner der Sklaverei dem Sklavenbesitzer Zugeständnisse machen, um ihn solange ruhig zu halten bis er zu schwach geworden ist, um verhindern zu können, dass sein Sklave ihm weggenommen wird und diesem die Freiheit gegeben wird. Ich sage nichts gegen dieses Verfahren als Übergangsschritt; für ideal kann ich es nicht halten, denn es ist unvollständig und unlogisch. In dieser Frage des Lebens in einer post-monopolisierten Gesellschaft kommt für mich kein anderes Ideal in Frage als die Befriedigung der Bedürfnisse jedes Menschen gegen die Anwendung seiner Fähigkeiten zum Vorteil aller: für mich ist das die einzig vernünftige Gesellschaft. Und das heißt praktische Gleichheit. Denn wenn die Bedürfnisse eines Menschen befriedigt werden, was könnte man dann noch für ihn tun?
Ihr werdet sicher fragen, welches seine Bedürfnisse sind? Nun, natürlich brauche ich mich bei dieser Zuhörerschaft nicht mit den üblichen Wortklaubereien von Leuten auseinandersetzen, die glauben, wir Sozialisten hätten noch niemals über eine der Schwierigkeiten nachgedacht, die in jedem Kopf auftauchen, wenn solche Fragen losgehen. An die unter Euch, wenn sie hier sind, die meinen, dass die eine nützliche Person eine andere Höhe des Lebensstandards haben sollte als eine andere nützliche Person, möchte ich ein, zwei Punkte vorlegen, die mir untergekommen sind (und wahrscheinlich Euch auch). Erstens – eine arme Gemeinschaft angenommen, die die durchschnittlichen Grundbedürfnisse nach Essen und Wohnung erfüllen kann, aber weiter nichts: würdet Ihr es richtig finden, das der so als besonders nützliche Mensch bezeichnete irgendetwas zusätzlich für sein Hervorragen bekommen soll? Wenn er das täte, müssten nicht andere für ihn hungern, wenn sie dann am Notwendigen um das weniger hätten, was er mehr bekommt? Wären sie dann nicht seine Sklaven, welche Art von Zwang er auch immer angewendet hat? Denn ohne Zwang würden sie es sicher nicht machen.
Gehen wir weiter und nehmen wir an, die Gemeinschaft ist wohlhabender oder richtig wohlhabend. Auch dann gibt es sicher einen anwendbaren Standard der Lebenshaltung, der Freizeit und des Vergnügens, der allen Bürgern geboten werden kann; warum sollte ihnen etwas gegen ihren Willen entzogen werden, das sie haben können und möchten? Entweder haben sie mehr als sie brauchen: in diesem Falle sollten sie besser nicht so viel herstellen. Oder sie haben gerade soviel wie sie brauchen: wenn sie in diesem Fall gezwungen werden, etwas davon aufzugeben, dann wären sie keine freien Menschen mehr. Hier sehe ich ein anderes Zurückweichen vor dieser neuen Klasse der Leistungsfähigen: ich setze voraus, dass die Bedürfnisse aller Menschen entsprechend dem Maß des allgemeinen Wohlstands befriedigt werden sollten. Nun, der leistungsfähigere Mensch wird seine Bedürfnisse befriedigt bekommen und noch einmal, was kann man mehr für ihn tun als seine wirklichen Bedürfnisse befriedigen? Mir scheint, dass noch das Beste wäre, was er mit seiner zusätzlichen Bezahlung tun würde, sich mit extra Luxus zu umgeben. Und das Ergebnis davon wäre wieder die Schaffung einer neuen parasitären und einer unterwürfigen Klasse, und das muss die Gemeinschaft verletzen. Kurz gesagt, ich kann mir keine spezielle Belohnung vorstellen, die man einem Menschen mit besonderer Begabung geben könnte als eine Lizenz, seinen Mitbürgern Unrecht zu tun – was eine seltsame Belohnung dafür wäre, dass er besondere Dienste geleistet hat. Zuletzt erinnert euch daran, dass die Ausübung besonderer Begabungen dem betreffenden Menschen Vergnügen einbringt, auf das er kaum verzichten würde; deshalb ist es auf der einen Seite ungerecht und unsozial, die Bürger zu zwingen, ihre einfachen Vorteile aufzugeben als Nahrung für die Bienenkönigin und auf der anderen Seite zwingt auch die Natur uns das nicht auf.
Was immer in ihm ist, er wird es freiwillig geben, wenn man ihn frei sein lässt und ihm entsprechende Möglichkeiten zur Ausübung seiner Fähigkeiten gibt. Das heißt, ihn gut versorgte Lebensumstände haben zu lassen mit Freizeit und Vergnügen nach seinen Vorstellungen und dazu die freie Benützung von Rohmaterialien und Arbeitsgeräten.
Ich kann noch andere Dinge der Art und Weise sehen, in der wir dann leben werden, die Ihr vermutlich auch seht: die Fülle des öffentlichen und die ruhige Würde des privaten Lebens und allgemein die wirklichen Vergnügen, die dadurch kommen, dass wir wohlhabend und nicht (wie manche bisher) reich sein werden; das größte Vergnügen von allen scheint jetzt ein negatives zu sein: die Erlösung davon, nicht mehr in einem der beiden gegenüberstehenden Lager von Feinden zu stehen. Wir verspüren ja, dass das eines Tages auf beide fallen muss und im Verlauf viele Hoffnungen und ruhige Leben ruinieren wird, während gleichzeitig die Weltanschauungen in hoffnungsloser Konfusion sind und der Pessimismus in den Tagen zunimmt, wenn wir es schwer finden, zu verstehen, was Laster und Werte bedeuten, wenn das Kollektivverbrechen des Klassenunrechts alles überschattet und überrollt.
Natürlich gebe ich nicht vor, so etwas wie eine vollständige Aufstellung im Detail unseres Ideals einer neuen Welt gezeigt zu haben, denn ich glaube, dass ich in dem was ich sagte, irgendwie unzusammenhängend war. Ich will ganz kurz die Punkte, in denen ich mich wahrscheinlich von einigen hier unterscheide, noch einmal zusammenfassen:
1. wird der Schritt vom Monopol zur Freiheit, wenn er vollständig gemacht ist, eine neue Welt für uns bringen und er wird größer sein als jede Veränderung, die bisher in der Welt stattgefunden hat.
2. Wenn das eingetreten ist, werden wir einen großen Teil von dem, was wir gewöhnt sind, materiellen Fortschritt zu nennen, aufzugeben haben um freier, glücklicher und vollständiger gleich zu sein.
3. Das würde dadurch kompensiert, (a) dass wir vergnügliches Interesse an allen Einzelheiten des Lebens nehmen werden und (b) durch Wiedergewinnung des Vergnügens des Augenlichts, von dem wir das meiste verloren haben und weiterhin Tag für Tag mehr verlieren.
4. Anstatt für irgendeine blinde Macht zu schuften – einer Mischung des Zwangs aus Notwendigkeit und Alptraum – sollten wir bewusst für unsere Nachbarn nützliche Arbeit leisten, die das ihrerseits für uns tun würden. Als Ergebnis davon gäbe es keine Verschwendung von Arbeit, da nutzlose Beschäftigungen sehr schnell aus der Welt wären.
5. Arbeit würde damit offensichtlich nützlich sein und angepasst an die Leistungskraft der Arbeitenden; meistens wäre sie ein vergnügliches Ausüben der Fähigkeiten. Notwendige Arbeit, die sonst zur Plackerei würde, würde von Maschinen getan werden oder von Menschen nur für kurze Zeit: niemand würde dazu verurteilt, sein ganzes Leben lang eine unangenehme Arbeit zu verrichten.
6. Da es keinen Anreiz zur Arbeit bräuchte außer ihrer offensichtlichen Notwendigkeit und der damit verbundenen Freude; da die Teilung der Arbeit in solche mit mehr oder weniger Wert und entsprechend verschiedene Lebensstandards eine neue Klasseneinteilung schaffen würden, die den einfachen Menschen versklaven und parasitäre Gruppen erwachsen lassen würde – deshalb wird es keine Unterschiede in der „Belohnung der Arbeit“ geben (diesen letzten Ausdruck sehe ich als irreführend an, da er wieder neue Fragen aufwirft). Mir ist bewusst, dass daraus die Abschaffung des Privateigentums folgt.
7. Nationalitäten als rivalisierende Unternehmen wird es nicht mehr geben und Zentralisation in unserem heutigen Sinne des Wortes würde der Föderation weichen – von kleinen Verwaltungseinheiten mit klar umrissenen Aufgaben, damit die größtmögliche Zahl an Personen Anteil an den öffentlichen Angelegenheiten nimmt.
Etwas diesem Ideal Ähnliches wird, wie ich glaube, Wirklichkeit werden und ich hoffe stark darauf. Uns wurde gesagt, dass die logische Folge der Entwicklung des menschlichen Genies den graduellen Verlust seiner körperlichen Fähigkeiten mit sich bringen wird und das klingt plausibel. Aber die logische Abfolge der Ereignisse ist manchmal unterbrochen und aufgehoben durch die historische Abfolge. Meine Hoffnung ist, da wir jetzt wissen oder gehört haben, dass wir uns aus unintelligenten Keimen empor entwickelt haben, wir bewusst der Umkehrung dieses Prozesses widerstehen, der manchen unvermeidlich scheint und dass wir unser Bestes tun, um Menschen zu bleiben, selbst wenn wir in diesem Kampf zu Barbaren werden sollten; wobei mir, wie ich zugeben muss, das letztere Schicksal nicht so schrecklich erscheint.
„How shall we live then“, erstmals vorgetragen am 1. März 1889 vor der Fabian Society in Bloomsbury Hall, London.
Eigene Übersetzung, 2013
Das Manuskript war vorloren geglaubt, bis es im International Institute for Social History, Amsterdam, wiedergefunden wurde. Erstmals veröffentlicht 1971 im Journal des Instituts. Auf dessen Webseite ist das Manuskript einsehbar.
Der Orginaltext ist auf libcom.org nachzulesen, was wir Interessierten empfehlen würden, da die Übersetzung nicht einfach war, insbesondere der humorvollen Anspielungen in diesem sehr persönlichen Text.