Heinrich Waentig: Wirtschaft und Kunst, William Morris

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  • 1. Teil, 2. Kapitel. William Morris.   

    If we cannot have an ornamental art of our own, we cannot have one at all.
    William Morris, Some Hints on Pattern-Designing.

William Morris wurde am 24. März 1834 als Sohn eines wohlhabenden Brokers in Elm Hause bei London geboren. Fünfzehn Jahre jünger als Ruskin, fast vierzig jünger als Carlyle, empfing er als Werdender das Beste, was sie zu vergeben hatten. Aber noch ehe sie ihren Einfluss ausüben konnten, hatten die Kindheitserlebnisse seinem Geiste einen eigenen Stempel aufgedrückt. Mochte, wie Mackail behauptet, die Liebe zur mittelalterlichen Romantik ihm angeboren sein, das Leben auf Woodford Hall, wohin die Eltern in seinem sechsten Jahre übersiedelten, musste jenen Hang festigen und zu voller Entfaltung bringen. Hier, dicht vor den Toren der Weltstadt, und doch in ländlicher Einsamkeit, auf einem jener Herrensitze, deren jahrhundertlange Traditionen sich fast unberührt von dem Strome der wirtschaftlichen Entwicklung bis in die Gegenwart hinein erhalten hatten – man butterte, buk und braute noch selbst und lebte auch sonst nach Urväterweise – verbrachte er seine Knabenjahre. Bald als fahrender Ritter in blinkender Rüstung auf wildem Pony das pfadlose Dickicht durchstreifend, bald mit der Armbrust dem Getier des Waldes, mit der Angel den Fischen im Bache nachstellend, führte er am Busen der Natur ein ungebundenes Dasein, ganz ähnlich dem, das er später als Dichter in seinen Heldenliedern besungen und als Sozialreformer in verfeinerter Form wieder zu erwecken suchte.
Dann kamen die Lehrjahre in Marlbourough College, dessen sagenreiche Umgebung den romantischen Neigungen des Jünglings neue Nahrung bot, und die frohe Studentenzeit in dem altertümlichen Oxford. Geistliche Studien mussten vor Archäologie und Kunstgeschichte weichen, Carlyles Past and Present, Ruskins Modern Painters und die eben damals veröffentlichten Stones of Venice wurden gierig verschlungen.
Namentlich das berühmte Kapitel über die Natur der Gotik ward zum Evangelium des genialischen Kreises, der sich um den jugendlichen Führer zu scharen begann. Während jedoch mit der fortschreitenden Entwicklung seiner künstlerischen Persönlichkeit die überschwängliche Begeisterung für die Werke des schottischen Denkers allmählich erkaltete, um gelegentlich einer fast feindseligen Stimmung Platz zu machen, hat sich Morris, wie er immer und immer wieder bekannte, sein Leben lang zu Ruskin in dem Verhältnis eines Schülers zu seinem großen Lehrer und Meister befunden. Er vor allen war es durch den er seiner Unzufriedenheit Ausdruck zugeben lernte“. Und auf seine sozialpolitischen Bestrebungen hat wohl keiner entscheidender eingewirkt als der Verfasser von Unto this last, dessen bloßes „Echo“ der Jünger sich einmal bescheiden genannt hat.
„Neben der Sehnsucht, schöne Dinge zu schaffen, war die herrschende Leidenschaft meines Lebens von jeher, und ist es noch heute, der Hass gegen die moderne Zivilisation.“
Damit hat Morris richtig bezeichnet, was ihn mit Ruskin verband. Wenn die gleiche Seelenstimmung sie zu so abweichenden Taten führte, so lag das an der sonstigen Verschiedenheit ihres Wesens. Der eine überzart und ewig kränkelnd, fast weiblich reizbar, steter Anlehnung bedürftig, aus tausend Kelchen seine Nahrung schlürfend und die beschränkte Kraft in Vielgeschäftigkeit zersplitternd; der andere gesund und markig, männlich und selbstgenügsam bis zur Schroffheit, erfindungsreich wie die Natur, doch weise in der Verwertung seiner Fähigkeiten: so standen sie einander gegenüber. Und wenn bei aller seiner Schwärmerei für Englands Macht und Herrlichkeit und die keusche Lieblichkeit seiner Landschaft des einen Auge ewig südwärts streifte, betrat der Islandfahrer nur widerwillig jenen Boden, dem Ruskins immer wache Sehnsucht galt. „Meinst Du wirklich, dass ich in Rom irgend etwas finden könnte, das ich in Whitechapel nicht auch sähe?“ fragt Morris verächtlich, als jemand ihn nach Italien ziehen will. Und als er dann später durch Krankheit doch einmal dahin verschlagen wird, hören wir ihn genau wie Pugin über die südliche Kunst klagen: „Trotz ihrer Macht und Größe, empfinde ich sie als einen Feind, und das noch mehr als anderswo gerade hier in Italien, wo sich eine solche Masse davon findet. Ja, selbst in diesen herrlichen und wunderbaren Städten sehne ich mich geradezu nach einem Haufen grauer Steine mit einem grauen Dach darüber, was wir ein Haus nennen dort oben im Norden“.
Noch klarer trat diese Verschiedenheit ihrer Naturen in ihrem Verhältnis zur Kunst hervor. So tief sich Ruskin in ihr geheimnisvolles Wesen versenken mochte, schöpferisches Bilden blieb ihm versagt. Morris dagegen war ein geborener Künstler. Endlose Märchen von Rittern und Feen wußte er schon als Knabe zu erfinden und mit bebenden Lippen im Dämmerlichte zu erzählen. Die unermüdliche Rastlosigkeit seiner behenden Finger, die sich stets etwas zu schaffen machen mussten, der instinktive Drang was immer ihm in die Hände fiel nach seinem Sinne zu gestalten, ließen ihn schon damals nie zur Ruhe kommen. Und dieser Trieb ist stärker und immer stärker in ihm geworden. „The thing done“, das Werk, mochte es sich nun um Dichtung, Bau- oder Bildwerk handeln, nahm ihn ganz gefangen. Für ihn waren es nicht tote Dinge, für ihn lebten sie. Mehr als den Menschen gehörte ihnen sein Herz. Schon die bloße Berührung eines schönen Gegenstandes bereitete ihm ein starkes sinnliches Wohlbehagen. Und kaum konnte er es ertragen, einen seiner Lieblinge auch nur für Augenblicke in fremden Händen zu sehen. So schwer ihm alles Theoretisieren wurde – „ich weiß schon, was ich sagen möchte, aber die verdammten Worte zerrinnen mir zwischen den Fingern“, klagt er einmal verzweifelt – so mühelos schuf er als Dichter und Bildner, wenn er sich nur frei dem Strome seiner Phantasie überlassen durfte. Und diese war es auch, die ihn das Verhältnis zwischen Kunst und Natur ganz anders als Ruskin beurteilen ließ.
„Die Natur“, sagt Whistler mit deutlicher Beziehung auf Ruskin, „enthält in Farbe und Form die Elemente aller Malerei, wie die Klaviatur die Noten aller Musik. Der Künstler aber ward geboren, auszulesen und zu wählen und diese Elemente verständnisvoll zu gruppieren, damit das Ergebnis schön sei, wie der Musiker seine Noten zusammenstellt und seine Saiten spannt, bis er aus dem Chaos glorreiche Harmonien erstehen lässt. Dem Maler sagen, dass die Natur zu nehmen sei, wie sie ist, heißt dem Spieler sagen, sich auf das Klavier zu setzen.“ Genau wie er hat Morris empfunden.
Gewiss war auch für ihn sein Leben lang Naturverehrung, die leidenschaftliche Liebe zur Erde und ihrer Schönheit die Triebkraft alles Schaffens, der Ausgangspunkt seiner Kunst. Schön dünkt ihm, was im „Einklang mit der Natur und ihre Ziele fördert“, hässlich, was im „Widerspruch mit ihr und ihre Zwecke durchkreuzt“. Aber nicht als gefügiger Knecht naht er sich ihr, nicht als ein Bettler. der wahllos empfängt, was sie ihm beut, sondern als ihr Sohn, der sie liebt, als ihr Meister, der sie kennt und über sie selbst hinaus bildet. Nicht als ihr bloßer Abglanz, als ihre Vollendung, ihre „Krone“ erschien ihm das Kunstwerk. Die Aufgabe des echten Künstlers konnte daher nimmer sein, sie nachzuahmen, sondern nur in ihrem Sinne zu schaffen, „bis das Gewebe, der Becher, das Messer so natürlich, so lieblich ausschauen wie das grüne Feld, das Flussufer, der Bergesfelsen“.
Auch die Beziehungen zwischen Kunst und Moral erschienen Morris in einem andern Licht. Zwar äußert auch er wohl gelegentlich, dass „Hässlichkeit nur als der äußere Ausdruck der angeborenen sittlichen Verkommenheit“ der Menschen zu betrachten sei, „Ehrlichkeit, das sorgfältige und eifrige Bestreben, jedem das Seine zu geben, der Entschluss, durch niemandes Verlust zu gewinnen“, die Voraussetzung aller echten Kunst bilde. Doch werden diese Gedanken von ihm nicht weiter verfolgt. Was er von Ruskin tatsächlich übernahm und geradezu zum Eckstein seiner kunstgewerblichen Theorien machte, das war das Prinzip der Arbeitsfreude, das erst von ihm in seiner ganzen Tragweite erkannt und bis in seine letzten praktischen Konsequenzen entwickelt wurde.
„Die Aufgabe der Kunst ist es“, so erklärt er programmatisch in seiner Vorlesung über deren Ziele, „die Glückseligkeit der Menschen zu vermehren, indem sie ihnen Schönheit und dadurch zugleich den Vorteil gewährt, sich ihrer Mulle zu erfreuen und ihrer Rast nicht müde zu werden, und indem sie ihnen Hoffnung und körperliches Wohlbehagen bei ihrer Arbeit verschafft, oder kurz, des Menschen Arbeit glücklich, seine Rast fruchtbar zu machen“.
Weil nun Ruskin die Kunst vorwiegend als Genießender, Morris sie als Schaffender beurteilte, neigte der eine sich in erster Linie den Offenbarungen der großen Kunst, der andere dem vielgestaltigen Leben der kleinen Künste zu. Denn wenn von jener die stärksten und weitreichendsten Wirkungen ausgingen, so mussten diese der größtmöglichen Zahl die Teilnahme an den Freuden künstlerischen Schaffens gewähren. Zwar wollte auch Ruskin die Kunst als Ganzes behandelt wissen, sein Herz aber hatte er an Malerei und Architektur gehängt. Viel weniger schon reizte ihn die Plastik, und die kleinen Künste erschienen ihm in der Hauptsache nur als Vorstufe der hohen Kunst, ohne einen selbständigen Wert beanspruchen zu dürfen. Darauf deuten auch die Dinge hin, mit denen er sich nach seiner eigenen Schilderung im Elternhause zu umgeben liebte, das eine Reihe herrlicher Gemälde barg. „Wir bestrebten uns nicht, irgendwie einen besonderen Geschmack an den Tag zu legen“, erzählt er in Praeterita, „auch fragte es sich für uns niemals, wie wir die Farben unserer Einrichtung zusammenstimmen wollten, oder ob wir etwa auch das richtige Porzellanmuster hätten. Alles, was zum häuslichen Gebrauche bestimmt war, wurde schlicht und vom Besten gekauft. Unsere Nippes bestanden in Dingen, die uns an angenehmen Orten gerade begehrenswert erschienen – eine Kuh aus Tuffstein von Matlock, ein kleines Fischerweib von Calais, ein Schweizerhaus von Bern, Bacchus und Ariadne von Carrara.“ Und er berichtet dann weiter, wie unter diesen Kostbarkeiten, die allabendlich von der Mutter sorglich geborgen und am nächsten Tage wieder aufgestellt wurden, auch einige bunt bemalte und grell vergoldete spanische Tonfiguren gewesen: ein Limonadeverkäufer, ein Granatapfelhändler, ein Torero mit einem Stier, „Dinge von stetem Interesse für mich und durch und durch gesund“, wie er naiv hinzufügt.
Ganz anders Morris. Auch er bewunderte die Werke der großen Meister. Ja, er selbst hat als Künstler von der Malerei und der Architektur seinen Ausgang genommen. Das Interesse des ganzen Volkes aber schien ihm gebieterisch die Wiedergeburt gerade der kleinen Künste zu verlangen. Denn, „was die hohe Kunst betrifft“, sagt er, „so kann niemals viel davon im Werke sein, da sich nur wenig Leute finden, die fähig wären, sie zu schaffen. Auch haben nur wenige Geld genug, um ein solches Kunstwerk zu erwerben, und könnten sie es, so wäre es ein Akt alberner Selbstsucht, es vor anderer Leute Augen zu verschließen. Dagegen sollte die niedere Kunst für alle im Überfluss vorhanden sein, soviel davon, dass Ihr nur die Nachbarn und nicht alle Welt hereinzurufen braucht, um Eure neue hübsche Wand zu betrachten, wenn sie vollendet ist“ . Diese „Lesser Arts“ aus ihrer Vergessenheit zu ziehen, sie neu zu beleben, ihnen womöglich zur Blüte zu verhelfen, das war es, worin er schließlich das Ziel seines Lebens erblickte.
Wie aber hätte er nicht gewahr werden sollen, dass die Lösung gerade dieser Aufgabe auf das Allerengste mit den wirtschaftlichen Zuständen der Zeit zusammenhing? Dass die Kunst „der Ausdruck der Gesellschaft, darinnen sie lebt“, war für ihn nicht Ergebnis theoretischen Denkens, sondern unmittelbarste Erfahrung. Dennoch hat er sich jahrzehntelang von der Sozialpolitik ferngehalten. Sein Künstlertum erfüllte ihn ganz. Bis zu seinem 43. Jahr hat er rastlos geschaffen, ohne sich berufen zu fühlen in den Kampf der Geister einzugreifen. Und auch dann hat es eines äußeren Anlasses bedurft, um ihn aus seiner Zurückgezogenheit hervorzulocken. Es war die Ende der siebziger Jahre auf seine Initiative hin erfolgende Gründung einer Gesellschaft zum Schutze historischer Bauwerke, mehr noch sein Beitritt zu der von anderen zur Bekämpfung türkischer Misswirtschaft etwa um dieselbe Zeit ins Leben gerufenen Eastern Question Association, die ihn zuerst mit dem öffentlichen Leben in engere Berührung brachte und ihn zwang, sich von seinen Fühlen und Denken in sozialen Dingen klare Rechenschaft zu geben.
Freilich, irgendwelche Fachkenntnisse fehlten ihm, wie er in einer Schilderung seiner Bekehrung zum Sozialismus offen bekennt, im entscheidenden Augenblicke noch ganz. Weder hatte er je zuvor Adam Smith aufgeschlagen, noch von Ricardo oder Marx, dessen Lektüre nachmals „sein Hirn in qualvolle Verwirrung versetzte“, auch nur gehört. “Sonderbar genug hatte ich etwas von Mill gelesen, nämlich jene posthumen Aufsätze, in denen er den Sozialismus in seiner fourieristischen Gestalt angreift. In jenen Aufsätzen argumentiert er soweit klar und ehrlich, und das Ergebnis war für meine Person, mich davon zu überzeugen, dass der Sozialismus eine notwendige Reform darstellte, und dass es möglich war, ihn in unserer Zeit einzuführen. Kurz, diese Aufsätze entschieden meine Bekehrung zum Sozialismus.“
Erst jetzt versenkte er sich in das Studium der sozialistischen Literatur, und der Verkehr mit Bax, Hyndman, Scheu und anderen Gesinnungsgenossen vollendete seine Erziehung. Je weniger nun der geistvolle Dilettantismus Ruskins in seiner Verschwommenheit dem auf verworrenen Pfaden Vorwärtstastenden als Führer und Wegweiser zu dienen vermochte, um so bezaubernder musste die Wirkung sein, welche die strenge Geschlossenheit und zwingende Folgerichtigkeit des marxistischen Systems auf ihn ausübte, so schwer es ihm gelegentlich werden mochte, die Postulate seines Künstlertums mit dessen Theorien ins Einvernehmen zu setzen.
Erst bei Morris erscheint die Kunst als ein des Menschen ganzes Dasein durchdringendes, seine Arbeit verklärendes, seinen Genuss veredelndes und darum ganz unentbehrliches Prinzip in ihrer ganzen Bedeutung auch für das Wirtschaftsleben enthüllt. Nicht als ob jederlei menschliche Tätigkeit einer besonderen künstlerischen Verherrlichung bedürfte. Denn „die Erde umzupflügen, das Netz auszuwerfen, die Herde einzupferchen, solche und ähnliche Beschäftigungen, die wahrlich anstrengend sind und mancherlei Beschwerde mit sich bringen, sind gut genug für die Besten unter uns, ein gewisses Maß von Erholung, Freiheit und Unterhalt vorausgesetzt“, Die Natur selbst hat uns ihrer Verschönerung überhoben. Denn „in den meisten Fällen sind diese Prozesse schön an sich, wollte nur unsere Torheit nicht Kummer und Sorge mit ihnen verquicken“. Aber nicht für alle gilt Gleiches. Seinen Trieben überlassen, wird der arbeitende Mensch diese andern künstlerisch zu veredeln suchen, und er folgt darin nur dem Beispiel der Natur. Darum ist es nur “recht und vernünftig, wenn die Menschen darnach streben, die nützlichen Gegenstände, die sie erzeugen, zu verschönen, wie die Natur es tut, und ihre Herstellung lustbringend zu gestalten, genau wie die Natur die Betätigung der notwendigen Funktionen fühlender Wesen lustbringend gestaltet“. So war es auch in der Vergangenheit. Nur der bittere Zwang hat den Menschen dazu vermocht, heute darauf zu verzichten, und damit die Kunst, ja die bloße Möglichkeit einer solchen endgültig zu Grabe getragen. „Verkauft ist sie worden und billig fürwahr, achtlos vernichtet durch die Gier und Unfähigkeit von Narren, die nicht wissen, was Leben und Freude bedeuten, und sie weder selbst besitzen, noch andern gewähren wollen“, zum Opfer gebracht „jenem Ungeheuer, das alle Schönheit zerstört hat, und dessen Name ist Handelsgewinn“.
Wie aber sollte es anders sein zu einer Zeit, da sich der Kaufmann der Gütererzeugung bemächtigt, der Handelsgeist darinnen zur Herrschaft gelangt? Ein Unternehmer, der nicht Gebrauchsgegenstände für bedürftige Menschen, sondern „Zählmarken für das große Spiel des Weltmarktes“ anfertigt, um sich den Beutel zu füllen, kann nicht dulden, dass die persönliche Individualität des Arbeiters sich in seinem Werke auslebe. Und doch ist diese Individualität der „Lebensodem der Kunst“. Durch den Wettbewerb gezwungen, auf die äußerste Ersparnis zu sinnen, wird er zur raffiniertesten Arbeitsteilung, zur höchst entwickelten Technik, zu Menschen seine Zuflucht nehmen, die selbst Maschinen geworden sind. „Da nun die Freude und das Interesse an der Arbeit zur Erzeugung auch des allerschlichtesten Kunstwerkes unentbehrlich sind, diese Freude und dies Interesse aber nur vorhanden sein können, wenn der Arbeiter sich frei schöpferisch betätigen darf, d. h. sich bewusst ist, ein Gut zu schaffen, das seinen persönlichen Bedürfnissen als denen eines gesunden Menschen angepasst ist; da das gegenwärtige Produktionssystem die Existenz solcher freien Arbeiter, die bewusst Güter für sich und ihre Nachbarn herstellen, nicht zulässt und dem Publikum verbietet, nach derartigen Waren zu fragen, da also weder die Produzenten noch die Konsumenten Güter nach ihren Wünschen erzeugen oder verlangen dürfen, so kann es unter der Herrschaft der bestehenden Produktionsweise nicht die Realität tektonischer Künste geben, sondern man muss sich mit ihrem Scheine begnügen“.
In immer neuen Varianten hat Morris diesen Gedankengang abgewandelt und ist endlich zu dem Schluss gelangt, dass, wer die Wiedererweckung einer nationalen Kunst ersehne, vor allem für die sozialpolitische Befreiung des Arbeiters aus den Klauen des Kapitalismus eintreten müsse. Allerdings erschien ihm diese Befreiung erst dann wahrhaft gelungen, wenn auch die Kunst dabei zu ihrem Rechte gelangte. Eine Wirtschaftsordnung, die etwa nur „die Bürde der Arbeit erleichtert hätte, ohne ihr wiederum jene Elemente sinnlichen Vergnügens beizumischen, das den Kern aller wahren Kunst ausmacht“, wäre ihm höchst unvollkommen erschienen. „Ich weiß von meinem eigenen Fühlen und Begehren her“, bemerkt er, „was diese Leute wollen, und was sie aus den tiefsten Tiefen ihrer Barbarei zu erretten vermöchte: Arbeit, die ihr Selbstgefühl nähren, ihnen die Anerkennung und Teilnahme ihrer Genossen eintragen könnte, ein Heim, das sie mit Freuden aufsuchen, eine Umgebung. die sie besänftigen und erheben würde; vernünftige Arbeit, vernünftige Rast. Aber nur eine Macht in der Welt kann ihnen das schenken, die Kunst.“ Keine Luxuskunst natürlich, keine Kunst der Wenigen, sondern „eine Kunst, geschaffen durch das Volk und für das Volk, als ein Glück für den Schöpfer, wie für den Genießer“; d. h. eine Gesellschaftsordnung, deren „belebende Seele“ die Kunst ist, und wo dereinst „die künstlerische Veredelung des Tagewerkes, an Stelle von Furcht und Not, Hoffnung und Freude als diejenigen Kräfte einsetzen wird, welche die Menschen zur Arbeit antreiben und so die Welt in Gang erhalten“.
Und gerade von der Maschine, die Ruskin durch einen souveränen Machtspruch aus seinem Reiche verbannen zu können glaubte, erhoffte Morris die allmähliche Verwirklichung seines Ideals. Nicht ihre technische Verwendung, nur ihre kapitalistische Verwertung und ihre damit verbundene Ausbreitung über Gebiete, wo sie das Werk der Menschenhand nimmermehr zu ersetzen vermochte, erweckte seinen Widerspruch. Wohl aber sollte sie dem Menschen alle übermäßig abspannende und darum niederdrückende, alle ihrer Natur nach mechanische und darum eintönige, alle hässliche und darum abstoßende Arbeit, mit einem Wort, alle Arbeit abnehmen, „die den Schaffenden auch im besten Falle nicht rühren, seine Anlagen nicht entwickeln kann, im schlimmsten aber, und das ist die Regel, nichts anderes ist, als eine elende Plackerei, die ihm nur durch den härtesten Zwang abgerungen werden kann“. Er dachte also nicht daran zu bestreiten, dass die Maschine als Mittel, um den Menschen zu besseren Lebensbedingungen zu verhelfen, einst wie jetzt unentbehrlich gewesen und es lange noch bleiben werde, ja, er rechnete für die nächste Zeit sogar eher mit einer Erweiterung ihres Wirkungskreises.
Am Ende freilich, das war seine feste Überzeugung, musste im natürlichen Entwicklungsgange eine rückläufige Bewegung eintreten. Eine unendlich vervollkommnete Maschinerie, die den Menschen aller rein mechanischen Arbeit überhebt und ihm reiche Muße gewährt, würde ihn zur künstlerischen Betätigung seiner frei gewordenen Kräfte anleiten und damit ein neues Kunsthandwerk zur Blüte bringen, bei dem die Schöpferfreude des Arbeiters besten Lohn bildet, eine immer steigende Abneigung gegen die Mechanisierung des Daseins und eine immer wachsende Nachfrage nach echten Kunstwerken in derselben Richtung wirken. „Maschine auf Maschine wurde stillschweigend aufgegeben“, heißt es in News from Nowhere, wo der Dichter das Bild seiner Idealgesellschaft zu zeichnen sucht, „und zwar unter dem Vorwand, dass Maschinen keine Kunstwerke erzeugen könnten, während solche doch immer mehr begehrt würden, bis dann endlich unter der Maske eines nicht mehr als Arbeit empfundenen Genusses genussreiche Arbeit das mechanische Schaffen zu verdrängen begann.“ Ein neues Zeitalter, das sozialistische, war angebrochen.
Über das innere Wesen und die äußere Struktur jener Zukunftsgesellschaft, der seiner Ansicht nach die moderne wirtschaftliche Entwicklung zustrebte, wenn nicht etwa, – eine Möglichkeit, die er immerhin erwog, – eine allmähliche Anpassung der Arbeiterklasse an die durch den Industrialismus für sie geschaffene Lage und damit eine immer weitere Entartung aller künstlerischen Kultur erfolgte, hat sich Morris, wenigstens in seinen kunst- und sozialpolitischen Schriften, nur sehr vorsichtig geäußert. Bloß einen schwachen Umriss ihres Lebens, das er sich gleichsam als eine Rückkehr zu vergangenen Daseinsformen auf höherer Stufenleiter vorstellte, glaubte er vorläufig geben zu können. „Was ich unter Sozialismus verstehe“, so erklärt er einmal, „ist ein Gesellschaftszustand, in dem es weder Reiche noch Arme, weder Herren noch Knechte, weder Faule noch Überarbeitete. weder geisteskranke Hirnarbeiter, noch gemütskranke Handarbeiter geben darf. Mit einem Wort. wo alle Menschen in gleicher Lage leben und ihre Angelegenheiten pfleglich führen würden, mit dem vollen Bewusstsein, dass der Schade eines der Schade aller wäre – kurz, die Verwirklichung der Bedeutung des Wortes Gemeinwesen.“ Ein System schwebte ihm vor, in dem der heute unerträglich gewordene Antagonismus zwischen Natur und Gesellschaft, Individuum und Gemeinschaft, Kunst und Wirtschaft, Stadt und Land, Arbeit und Genuss aufgehoben und in einer höheren Einheit seine Versöhnung gefunden hätte: „der Frieden und das Glück eines völligen Kommunismus“.

„Work is now pleasurable“, heißt es in News from Nowhere, „either because of the hope of gain in honour and wealth with which the work ist done, which causes pleasurable excitement even when the actual work is not pleasant; or else because it has grown into a pleasurable habit, as is the case with what you may call mechanical work; and lastly (and most of our work is of this kind) because there is conscious sensuous pleasure in the work itself if it is done, that is, by artists.“ 

Den sogenannten Staatssozialismus und alle andern Versuche, die Lösung des sozialen Problems durch eine Fortbildung der in der heutigen Gesellschaft vorhandenen Ansätze zu einer gemeinwirtschaftlichen Organisation herbeizuführen, mochte er höchstens als eine Übergangsstufe gelten lassen. Nur in diesem Sinne hat er selber gelegentlich der Verstaatlichung des Grund und Bodens, der Fabriken, Maschinen und Transportmittel das Wort geredet. „Ich halte den Staatssozialismus weder an sich für wünschenswert, noch glaube ich an seine praktische Durchführbarkeit“, betont er noch 1890 in einer feierlichen Prinzipienerklärung. Um so weniger vermochte er sich für jenes Bild zu erwärmen, das Edward Bellamy in Looking Backward von der Zukunftsgesellschaft zu entwerfen suchte, wo er die ihm so verhassten Züge eines „vicarious life“, das Prinzip: „Lass möglichst viele Funktionen Deines Lebens durch andere ausführen“, bis in die äußersten Konsequenzen verfolgt, die Natur verkümmert, das Leben verkünstelt, den Menschen vergewaltigt, den Haushalt zersetzt, die Wirtschaft verödet, die Kunst entartet erblickte.
Kein Wunder, dass er das dringende Bedürfnis empfand, dies Zukunftsbild durch ein gewissermaßen komplementäres zu ergänzen, wobei ihm, für den Islands Heldensagen die höchste Leistung der Weltliteratur, die darin gefeierten Taten in ihrer düsteren Tragik den Gipfelpunkt menschlichen Handelns, die isländische Republik, mehr als irgend ein anderer geschichtlich verbürgter Zustand, den politischen und sozialen Rahmen eines Lebens verkörperte, wie es ihm begehrenswert erschien, jene altnordischen Gesellschaftszustände als Muster gedient haben mögen. News from Nowhere or an Epoch of Rest, being same Chapters from a utopian Romance, nannte er seine phantastische Erzählung und hat damit selbst angedeutet, dass er sie als solche, und wenigstens in ihren Einzelheiten nicht nach streng wissenschaftlichen Prinzipien beurteilt sehen wollte. In ihren Grundzügen aber spiegelt diese Traumwelt dieselben Entwicklungstendenzen wieder, von denen er hoffte, dass sie das gesellschaftliche Leben seiner Zeit zu höheren Formen hinüber bilden würden. Ein wahrhaft kommunistisches Gemeinwesen taucht vor unsern Blicken auf, in dem die Natur wieder in ihre Rechte eingesetzt und die Tyrannei der Gesellschaft beseitigt, der Einzelne sich selbst zurückgegeben und alles Teilmenschentum verbannt, die Stadt verländlicht und das Land durchgeistigt, die Arbeit zum Kunstwerk erhoben ist; ein Gemeinwesen, in dem das jubelnde Entzücken über das Leben in dieser Welt, „die machtvolle und überwältigende Liebe zur Haut und Oberfläche dieser Erde, darauf der Mensch wohnt“, eine Liebe, wie sie ähnlich nur der Mann zu dem „schönen Leihe des geliebten Weibes empfindet“, zum alles beherrschenden Instinkt geworden ist.
Wer aber sollte die Brücke bauen, die aus der nüchternen Welt des Kapitalismus in das sozialistische Paradies hinüberführte? Wer die grundstürzenden Umwälzungen vorbereiten, deren Gang der Dichter in News from Nowhere prophetisch vorzuzeichnen suchte? „Ich glaubte früher“, so schreibt er 1883 an Maurice, „man könne den Fortschritt zum Sozialismus ernstlich fördern, wenn man sich innerhalb der Schranken des Mittelklassen-Radikalismus halte. Ich, habe jetzt notgedrungen einsehen müssen, dass dieser Radikalismus sozusagen auf falschem Wege ist, dass er sich niemals über sich selbst hinaus zu etwas Neuem entwickeln wird, weil er, für und durch die Mittelklassen gemacht, immer unter dem entscheidenden Einfluss reicher Kapitalisten stehen muss. Diese werden seiner politischen Entfaltung keine Hindernisse in den Weg legen, solange sie glauben, ihn dabei festhalten zu können. Tiefgehende gesellschaftliche Wandlungen aber werden sie nicht zulassen, solange sie es zu hintertreiben vermögen.“ Auch an eine sittliche Erneuerung dieser Klasse mochte er nicht glauben. „Auf den ersten Blick sollte man sagen“, bemerkt er an anderer Stelle, “eine Gruppe so mächtiger Leute, die das gigantische Gebäude des modernen Handels aufgeführt, deren Kenntnis, Scharfsinn und Tatkraft die Naturgewalten ihren Alltagsbedürfnissen unterworfen, und die eine Organisation beherrschen, welche jene in einer geradezu bewunderungswürdigen Abhängigkeit erhält, auf den ersten Blick sollte man sagen, wahrlich, solch eine machtvolle Gruppe reicher Männer kann alles, was sie will. Und dennoch muss ich es bezweifeln. Warum geben nicht wir, Du und ich, morgen ans Werk? Weil wir nicht können.“
Sein pessimistischer Glaube an die unvermeidlich wirtschaftliche Bedingtheit der menschlichen Entschließungen in Fragen des Klasseninteresses machte ihn skeptisch gegenüber allen sozialen Reformbestrebungen der oberen Gesellschaftsschichten und ließ ihn als einzig mögliche Form der erfolgreichen Beteiligung einzelner ihrer Mitglieder an der Erkämpfung des Neuen den bewussten Verzicht auf ihre Vorzugsstellung, den freiwilligen Anschluss an die Opfer des bestehenden Systems erscheinen. Und er hat sich nicht gescheut, diese Überzeugung in die Tat umzusetzen. Er, der bewunderte Dichter, der epochemachende Künstler, der erfolgreiche Unternehmer, er, der geborene Aristokrat, der er bis an sein Lebensende geblieben, ist zu den Massen hinabgestiegen und hat sich viele Jahre voll Enthusiasmus in den Dienst der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung gestellt. Er ist ihr Schatzmeister, ihr Redakteur, ihr Schriftsteller, ihr Dichter, ihr Redner, ja ihr Schauspieler gewesen, und dies alles nicht aus Künstlerlaune, sondern mit dem vollen Bewusstsein, der großen Sache, wie er sie verstand, ein notwendiges Opfer zu bringen.
Ein Opfer! Denn „Ihr werdet mindestens von denen verhöhnt und verlacht, deren Spott eine Auszeichnung für einen Ehrenmann ist“, erklärt er in einem Vortrag über die Beziehungen zwischen Sozialismus und Kunst. „Aber Ihr werdet sicherlich auch von vielen trefflichen Leuten von der Seite angesehen werden, Leuten, die keineswegs alle Toren sind. Ihr werdet Gefahr laufen, Eure Stellung, Euern Ruf, Euer Geld, ja Eure Freunde zu verlieren, Verluste, die gewisslich Nadelstiche bedeuten gegenüber dem ernsten Märtyrertum, von dem ich gesprochen habe. die aber nichts desto weniger den Stoff auf die Probe stellen, aus dem ein Mann besteht, um so mehr, als er ihnen entfliehen kann, ohne den Vorwurf der Feigheit auf sich zu laden, es wäre denn, sein eigenes Gewissen spräche ihn schuldig.“ Er aber hat sich durch nichts von seinem Ziele abdrängen lassen und seinen Posten erst dann aufgegeben, als ihn die bittere Erfahrung darüber belehrte, dass seine Zeit noch nicht gekommen war.
Mochten ihn wie Ruskin schon seine Beziehungen zu dem früher erwähnten Workingmen’s College mit den Arbeiterklassen in Berührung gebracht haben, näher ist er ihnen erst viel später getreten. Das entscheidungsvolle Jahr 1877, in dem er zum ersten Male vor einem größeren Publikum seine Ansichten über die dekorativen Künste und ihre Beziehungen zum modernen Leben auseinandersetzte, sollte ihn auch auf den sozialpolitischen Kampfplatz führen. Als Mitglied der Eastern Question Association verfasste er ein Manifest an die Arbeiter von England, das sich bezeichnenderweise mit geflissentlicher Umgehung der besitzenden Klassen ausschließlich an die Arbeiterschaft wandte. Es eröffnete seine agitatorische Tätigkeit.
„Arbeiter von England, ein „Wort zur Warnung“, heißt es darin. „Ich bezweifle, ob ihr die ganze Bitterkeit des Hasses gegen die Freiheit und den Fortschritt kennt, der in den Herzen eines gewissen Teiles der reicheren Klassen in diesem Lande lebt. Ihre Zeitungen verschleiern ihn durch eine Art gemäßigter Sprache, aber hörtet ihr sie nur untereinander reden, wie ich oft tue, ich weiß nicht, ob die Verachtung oder der Ärger über ihre Narrheit und Anmaßung in euch die Oberhand gewinnen würde. Diese Leute können nicht von eurem Stande, seinen Zielen, seinen Führern reden, ohne eine Spöttelei oder eine Beleidigung damit zu verbinden. Diese Leute, wenn sie die Macht hätten (möge England lieber zu Grunde gehen), würden eure gerechten Bestrebungen durchkreuzen, würden euch zum Schweigen bringen, würden euch für immer, an Hand und Fuß gefesselt, dem unverantwortlichen Kapital überliefern. Mitbürger, nehmt euch in Acht, und wenn ihr zu eurem Rechte kommen wellt, wenn ihr eure teuerste Hoffnung auf die friedliche und dauernde Hebung eures ganzen Standes lieb habt, wenn ihr nach Muße und Wissen dürstet, wenn ihr euch danach sehnt, die Ungleichheiten zu beseitigen, die seit der Welt Beginn für euch der Stein des Anstoßes gewesen sind, dann werft eure Trägheit von euch, empört euch gegen den ungerechten Krieg und drängt uns von den Mittelklassen, ein Gleiches zu tun.“
Damals war es auch, als er mit dem Liede „Wake, London lads“, das in Arbeiterkreisen rasch populär wurde, zuerst als Dichter des vierten Standes hervortrat. Und als dann die Krise im Osten glücklich überwunden, war er gut Freund mit den radikalen Führern der Londoner Arbeiterschaft und wohlvertraut mit ihren wirtschaftlichen und politischen Idealen. Bald sollten sich engere Bande knüpfen.
Die 1881 aus der Verschmelzung einiger radikaler Klubs hervorgegangene Democratic Federation, die zunächst politische Ziele verfolgt und als einzige. entschieden sozialistische Forderung die Verstaatlichung des Grundeigentums in ihr Programm aufgenommen hatte, wurde allmählich der Herd einer sozialdemokratischen Bewegung marxistischer Färbung, an der insbesondere auch Dr. Aveling und Eleanor Marx-Aveling beteiligt waren. Sie nannte sich jetzt Social Democratic Federation und verfügte seit Anfang 1884 auch über ein Wochenblatt, die Justice. H. M. Hyndman, Annie Besant und Herbert Burrows übernahmen die Leitung, und Morris, der am 13. Januar 1883 seinen Beitritt erklärte, ging jetzt für einige Zeit fast völlig in ihrem Dienste auf. Doch zu heterogen waren die Elemente, die sich in Weddes Hotel, wo damals auch Krapotkin und Stepniak verkehrten, zu ihren Beratungen zusammenfanden. Meinungsverschiedenheiten über die Ziele sowohl, wie über die zu verfolgende Taktik führten daher bald zu einer Spaltung, in deren Verlaufe sich Morris und seine persönlichen Anhänger im Jahre 1885 zu einem besonderen Verband, der Socialist League, zusammenschlossen, auch ein eigenes Organ, The Commonweal, zur Vertretung ihrer Ideen gründeten, dessen geistige wie materielle Kosten fast ausschließlich von Morris bestritten wurden. Aber ihre werbende Kraft nach außen war gering, während sich im Innern infolge des Eindringens anarchistischer Agitatoren nur zu bald neue Zwistigkeiten einstellten. Sie ließen Morris schließlich an seinem sozialpolitischen Werke verzweifeln.
Noch einmal, den 13. November 1887, am blutigen Tage von Trafalgar Square, sehen wir ihn an der Spitze der Arbeitslosen in den Gang der Ereignisse eingreifen. Aber sein Interesse an der Liga, die seine hoch gespannten Erwartungen so wenig erfüllt hatte, war erlahmt. Im November 1890 erklärte er offiziell seinen Austritt, nachdem man ihn kurz zuvor aus der Redaktion des Commonweal verdrängt hatte. Auch die Hammersmith Socialist Society, in deren Versammlungen übrigens Männer wie B. Shaw, E. Carpenter und H. G. Wells zu treffen waren, schlief allmählich ein.
Über die Gründe, die ihm schließlich die Sozialpolitik verleiteten, hat er sich ausführlich in einer am 15. November 1890 im Commonweal veröffentlichten Prinzipienerklärung ausgesprochen. Nicht, dass er jemals an dem endlichen Siege der großen „Sache“ gezweifelt hätte, für die er sich geopfert. Auch jetzt noch stand in ungetrübtem Glanze das kommunistische Gesellschaftsideal, wie er es dichterisch verherrlicht, vor seiner Seele. Aber er war sich darüber klar geworden, dass er selbst seine Verwirklichung nicht mehr erleben werde.
Und wie die Palliativmittel der herrschenden Gesellschaftsklassen, wie die Reformpläne der Staatssozialisten, so lehnte er jetzt auch die Politik des Klassenkampfes, des gewaltsamen Umsturzes ab, eine Politik, betrieben von Männern, „die nicht wissen, was der Sozialismus eigentlich bedeutet, und die keine Idee davon haben, welcher ihr nächster Schritt sein würde, Wenn sie aller vernünftigen Berechnung zum Trotz mit ihren Bemühungen Erfolg haben sollten. Darum würden im besten Falle unsere Herren auch ferner unsere Herren bleiben“, so erklärte er, „denn es gäbe nichts, was an ihre Stelle treten könnte. Wir sind nicht reif für einen so tief gehenden Wandel der Dinge“. Dagegen ist es heute unsere Aufgabe “die Menschen zu Sozialisten zu machen, d. h. sie davon zu überzeugen, dass der Sozialismus für sie segensreich und auch durchführbar ist. Haben wir dann genug Leute von dieser Denkungsart, so werden diese schon herausfinden, welche Schritte sie zu tun haben, um ihre Prinzipien praktisch zu verwirklichen. Darum wiederhole ich, werbt Sozialisten; wir Sozialisten können heute nichts besseres tun“.
Auch daran hat Morris, wie uns zahlreiche Äußerungen gerade aus seinen letzten Lebensjahren beweisen, dauernd festgehalten, dass eine wahrhaft volkstümliche, unser ganzes modernes Leben durchdringende Kunst nur auf dem Boden einer „sozialistischen“ Gesellschaftsordnung erblühen könne, „when competitive commerce will be lying in the same grave with chattel slavery, with serfdom, with feudalism“. Nur glaubte er jetzt, dass sich ihre Wiedergeburt im Keime auch schon heute vorbereite, dass sie “in aller Stille, ganz allmählich und ohne gewaltsame Umwälzungen tatsächlich vor sich gehe“. Doch auch in dieser Hinsicht erwartete er nichts mehr von der grollen Masse, deren Stumpfsinn ihn enttäuscht hatte, sondern er blickte nunmehr auf jene kleine Gruppe, die sich, wie er meinte, allein noch den Rang und die Stellung von Vollarbeitern im Sinne jener alten, großen Zeit zu erhalten gewusst: die Künstler, „die mit ihrem Werke schalten und walten können, wie sie wollen, und für einen Markt arbeiten, den sie übersehen und verstehen, welcher Art immer die Beschränkungen sein mögen, unter denen sie schaffen“.
Schon früher hatte Morris es gelegentlich ausgesprochen, dass den dekorativen Künsten „wahre Hilfe nur durch jene werden könne, die selber in ihnen wirken, und dass diese, anstatt sich leiten zu lassen, die Führung übernehmen müssten“. Dieser Gedanke trat jetzt, wo die Hoffnung auf eine baldige Neugestaltung der Gesellschaft mehr und mehr verblasste, auch in seinen Schriften immer deutlicher hervor, namentlich in jenen beiden Vorträgen aus den Jahren 1888 und 1889 über das moderne Kunstgewerbe. Sie verklingen in einem begeisterten Aufruf an die Künstler, als die Pioniere der neuen dekorativen Kunst: „Wohlan, da es unser, der Künstler, Aufgabe ist, der Welt zu zeigen, dass die freudvolle Betätigung unserer Kraft des Lebens Zweck und die Quelle alles Glückes ist, und ihr so den Weg zu weisen, den das Missbehagen unseres modernen Daseins einschlagen muss, um ein fruchtbar Heim zu erreichen, so, scheint mir, sollten wir, die Vertreter der Handwerkskunst, die in der Marktproduktion erloschen ist, uns dieser unsrer Verantwortung auch endlich bewusst werden!“
Fast reuig kehrt der Meister von seinem Flug in die politische Welt nach den seligen Inseln der Kunst zurück. Und wer aus den Tagebuchblättern, die er während einiger Monate des Jahres 1887 aufgezeichnet, und aus den Briefen an seine Freunde ersieht, wie erdrückend die Arbeitslast war, die er sich durch sein Eingreifen in die Arbeiterbewegung aufgebürdet, und wie sehr ihn die Sozialpolitik namentlich seiner Kunst entfremdet, der wird nur mit gemischten Gefühlen bei dieser Periode seines Lebens verweilen können. Dennoch hat auch sie ihre Fruchte getragen. Dass wir ohne sie wahrscheinlich um einige Dichtungen, den utopischen Roman News from Nowhere, die historische Novelle A Dream of John Ball und eine Reihe sozialpolitischer Trutzgesänge von hinreißendem Schwung, wie The Voice of Toil, The Day is coming, All for the Cause und andere, ärmer wären, ließe sich verschmerzen. Wichtiger ist, dass Morris auf die Entwicklung sozialistischen Denkens in England einen wesentlichen Einfluss ausgeübt hat.
„Vielleicht ist es schwer für Leute, die in den letzten Jahren in die Bewegung eingetreten sind, zu verstehen, wie sehr wir in jenen Tagen kleinster Anfänge fähige Rekruten willkommen hießen“, sagt Hyndman in seinem Nachruf. „Gewiss, wir hatten unter uns Helen Taylor, Joynes, Champion, Burrows, Quelch, Williams, James Murray und andere tatkräftige Leute; aber auch so waren wir nur wenige, und der Sozialismus etwas Neues. Morris mit seinem großen Ruf und seinem edlen Charakter verdoppelte unsere Kraft mit einem Schlage, indem er sich für uns erklärte. Und wie hat er gearbeitet! Zu allem war er bereit, wie der Jüngste und Unbekannteste unter uns. Ja, er entrüstete sich über Versuche, ihn von Dingen zurückzuhalten, die er wirklich nicht hätte zu tun brauchen. Und immer war er voller Eifer, überschäumend von Humor und guten Einfällen. Jetzt haben wir den Mann verloren, den wir alle liebten und verehrten, aber sein Gedächtnis wird bei uns bleiben – lieblich wie die Musik seiner Verse und ermutigend wie der herzliche Gruß, dessen jeder seiner Kameraden im Kampfe für die Sache gewiss sein durfte.“
Aber nicht genug damit! Er war es, der inmitten eines Volkes, das durch Handel und Industrie groß und reich geworden, und das mehr als irgend ein anderes zäh an allem Bestehenden festzuhalten liebte, gerade durch den Hinweis auf die Forderungen höchster Kultur Leute für die Idee des sozialen Fortschrittes zu gewinnen wußte, die, wenn nicht er, der bewunderte Künstler, dafür eingetreten wäre. sich vor dem bloßen Gedanken an eine radikale Umgestaltung der herrschenden Gesellschaftsordnung schaudernd bekreuzt haben würden. Indem er den Sozialismus poetisch idealisierte, ihn gewissermaßen in die ästhetische Sphäre erhob, machte er ihn salonfähig. Wie hätte es sonst geschehen können, dass nicht nur einzelne seiner Berufsgenossen, wie Walter Crane, für seine sozialpolitischen Reformideen gewonnen wurden, sondern dass selbst ein so raffinierter Kulturmensch, wie Oscar Wilde, damals noch der verhätschelte Liebling der Londoner Gesellschaft, in einem The Soul of Man under Socialism betitelten Aufsatz der Fortnightly Review für den Sozialismus einzutreten wagte. Nicht für einen „autoritären“, ein „sozialdemokratisches Kasernensystem“, sondern für einen Sozialismus in Morris‘ Sinne, der das kapitalistische Privateigentum in eine öffentlich-rechtliche Institution, die Konkurrenz in Kooperation verwandle, ein System, wo „die Gemeinschaft mit Hilfe organisierter Maschinenarbeit für die nützlichen Dinge sorge, die schönen vom Individuum hergestellt werden“ bestimmt, dem neuen Individualismus die Wege zu ebnen, der die vollendete Harmonie, der neue Hellenismus sein werde.
Als Morris dreiundvierzigjährig die politische Arena betrat, lag schon eine längere Periode fruchtbaren Schaffens hinter ihm. Dennoch hatte er sich zur Erkenntnis seiner künstlerischen Lebensaufgabe erst nach mancherlei Irrungen durchgerungen. Nicht seine bildnerische, seine dichterische Gestaltungskraft war es, die dem Studenten eines Tages fast blitzartig zum Bewusstsein kam und ihn zunächst in literarische Bahnen drängte. Ein nie versiegender Strom rhythmischer Verse hat sich seit jenem Abend, da er im Freundeskreise sein erstes Gedicht zum besten gab, aus seiner Seele ergossen.
Von Malory und Chaucer unter den Älteren, unter den Zeitgenossen vor allen von Tennyson und Rossetti beeinflusst, hat er, in seinen Dichtungen bald die Recken der germanischen Vorzeit, bald die edlen Gestalten des klassischen Altertums heraufbeschwörend, in The Defence of Guenevere und The Story of Sigurd the Volsung, in The Earthly Paradise, The Life and Death of Jason und anderen eine Reihe umfangreicher, doch bei aller Schönheit in den Einzelheiten nicht sehr eigenartiger Werke hinterlassen, deren keines imstande gewesen wäre, seinen Weltruf zu begründen.
Die Dichtkunst wurde denn auch die Schutzpatronin jener „Bruderschaft“, zu der sich Morris und die Seinen Mitte der fünfziger Jahre in Oxford zusammenschlossen, um den „Kreuzzug und heiligen Krieg gegen das Zeitalter“ zu rüsten. Und die romantische Begeisterung, die sie erfüllte, führte 1855 sogar zur Gründung einer besonderen Zeitschrift, jenes Oxford and Cambridge Magazine, das nach dem Muster des präraffaelitischen Germ eine neue literarische Ära einleiten sollte, ohne an dessen Bedeutung heranreichen zu können. Unter den Genossen aber befand sich einer, der, geborener Künstler wie Morris, an persönlicher Eigenart alle andern überragte: Edward Burne-Jones. In dem Augenblicke, da einer des anderen ansichtig wurde, entdeckten sie ihre Seelenverwandtschaft und es entspann sich zwischen ihnen eines jener lebenslänglichen Freundschaftsbündnisse, deren unzerstörbare Kraft sich ebenso sehr auf das Bewusstsein gemeinsamer Ideale, wie auf die Tatsache wechselseitiger Ergänzung gründet.
Eine Ferienreise nach Belgien und Nordfrankreich im Jahre 1854 hatte Morris zum ersten Male mit der großen Kunst der Vergangenheit bekannt gemacht. Van Eyck und Memling, seitdem seine Lieblinge unter den Malern I die Kathedralen von Amiens, Beauvais und Chartres. die Schätze des Musee de Cluny und des Louvre entzücken ihn, und noch viele Jahre danach war in ihm die Erinnerung an jene Zeit lebendig. „Damals sah ich zuerst die Stadt Rouen“, heißt es in The Aims of Art, „die in jenen Tagen noch immer ein Stück Mittelalter war. Ich habe keine Worte, um zu beschreiben, wie jene Mischung von Schönheit, Geschichte und Romantik mich damals ergriff. Ich kann nur sagen, wenn ich auf mein vergangenes Leben zurückblicke, finde ich, dass dies der größte Genus war, den ich je gehabt.“ Wahrhaft kunstberauscht kehrte er nach England zurück, wo jetzt die Werke der Präraffaeliten in seinen Gesichtskreis traten. Aber erst eine zweite Reise nach dem Kontinent im Jahre 1855, diesmal in Burne-Jones’ Gesellschaft, brachte die Entscheidung. In einer Augustnacht auf den Kais von Havre auf- und niederwandelnd, beschlossen die Freunde, der Wissenschaft Valet zu sagen und sich endgültig der Kunst zu weihen, Burne-Jones als Maler, Morris als Architekt. Rührend ist der Brief, in dem er die Mutter mit seinem Entschluss auszusöhnen sucht. „Du siehst“, heißt es am Ende, „ich gebe mich nicht der Hoffnung hin, dass ich es irgendwo zu etwas Großem bringen könnte. Aber vielleicht darf ich vernünftigerweise hoffen, glücklich in meiner Arbeit zu sein, und manchmal, wenn ich müssig bin und nichts tue, gehen mir liebliche Zukunftsbilder durch den Sinn.“
G. E. Street, bei dem Morris 1856 zu Oxford in die Lehre trat, war einer der Leiter jener neugotischen Bewegung in der englischen Baukunst, die Pugin in den dreißiger Jahren angebahnt hatte. Einige der fähigsten Neuerer, nicht zum mindesten Norman Shaw, sind aus seiner Werkstatt hervorgegangen. Morris vermochte es nicht lange bei ihm auszuhalten. Ob ihn ein innerer Trieb zu andern Formen künstlerischen Schaffens drängte, oder die nüchterne Handwerksmäßigkeit seiner Tagesarbeit ihm die Baukunst verleidete, jedenfalls genügten wenige Monate, um ihn davon zu überzeugen, dass er sich in seiner Wahl geirrt Ja, die Zeit, die er bei Street verbrachte, wäre als verloren zu betrachten, hätten sich nicht gerade damals jene Beziehungen zu Philipp Webb angesponnen, der neben Burne-Jones später sein treuester Kampfgenosse werden sollte. Der Freund aber war es, der ihn Rossetti zuführte. Schnell verfiel er dem Banne dieses bezaubernden Mannes, und es bedurfte keiner großen Überredungskunst, um ihn Ende des Jahres 1856 zu bestimmen, Feder und Reißbrett mit Pinsel und Palette zu vertauschen. Er trat damit in den Kreis der 1848 von Rossetti, Hunt und Millais gegründeten präraffaelitischen Brüderschaft, deren Schöpfungen er bisher nur aus der Ferne bewundert, bald durch eigenes Können ergänzen sollte.
Eine Zeit fieberhaften Schaffens begann. Glücklich war er nicht. „Auf Morris selbst“, sagt Mackail, „hatte sein Entschluss einen verwirrenden und eine Zeitlang geradezu einen unseligen Einfluss. Die etwa zwei Jahre, in denen er sich mit der Malerei abmühte, war er launisch und reizbar. Er brütete in sich hinein und verlor zeitweilig viel von seiner früheren Güte und Herzlichkeit. Rossettis Sieg über einen so starken und sich selbst genügenden Geist war, solange er dauerte, ein vollkommener, der Kraft entsprechend, die es zu bezwingen galt. Er ward nicht nur sein Schüler, sondern sein Knecht.“ Den Meister nachzuahmen, ward das Ziel seines Strebens. Und vielleicht wäre sein Genius in diesem Abhängigkeitsverhältnis allmählich verkümmert, wenn nicht Rossetti selbst ihn unbewusst auf den rechten Weg geführt hätte.
Die malerische Ausschmückung der Union Debating Hall in Oxford durch Rossetti und seine Schüler, wobei Morris unter anderem die Verzierung des Dachstuhles übernahm und eigenhändig durchführte, öffnete ihm die Augen über seine spezifisch dekorative Begabung. Je weniger ihn auf die Dauer seine Fortschritte in der Malerei befriedigten, um so mehr begannen jetzt jene kunstgewerblichen Techniken wieder aufzuleben, die er von Jugend an geübt und niemals ganz aufgegeben hatte. Er modellierte, schnitzte, meißelte, illuminierte und machte Entwürfe für bunte Glasfenster; und seine Niederlassung in einer früher von Rossetti benutzten unmöblierten Wohnung auf Red Lion Square gab diesen spielenden Versuchen auch ein praktisches Ziel. Außerstande, unter all dem in den Möbelmagazinen feilgebotenen Kram einige seinem Geschmack und seinem Bedürfnis zusagende Einrichtungsstücke zu finden, entschloss er sich, das Erforderliche nach eigenen Angaben fertigen zu lassen.
Ein durchaus „mittelalterlicher Hausrat“, wie Rossetti erzählt, kam dabei zum Vorschein: ein runder Tisch, „fest und schwer wie ein Felsblock“, ebensolche Sessel, in denen „Barbarossa hätte Platz finden können“, eine mächtige Bank mit breitem Sitz, darüber drei Schränke mit großen Flügeltüren, endlich ein Kleiderspind, dieses, wie die übrigen Möbelstücke, von Rossetti und Burne-Jones mit Bildern, zum Teil nach Morris‘ eigenen Dichtungen, geschmückt. Es war ein erster Anlauf, der erste tätliche Protest eines Neuerers gegen die überwältigende Geschmacklosigkeit der Zeit, gegen das Fehlen einer noch so bescheidenen bürgerlichen Wohnungskunst in England. Aber erst seine Verheiratung mit Jane Burden am 26. April 1859 und der dadurch bedingte Bau eines eigenen Hauses führte die entscheidende Wendung in seiner Berufstätigkeit herbei.
Das „rote Haus“, nur etwa zehn Meilen von London, und doch in einer völlig ländlichen Umgebung. nächst dem Dörfchen Upton in der Grafschaft Kent gelegen, ward von Morris und Webb gemeinsam entworfen, erbaut und eingerichtet. Es war ein unregelmäßiges, zweistöckiges Gebäude mit unverputzten Ziegelwänden und steil ragendem Dach, mit hohen Bogenfenstern und weiten Portalen, das, von Efeu und Kletterrosen umrankt, sich inmitten schattiger Obstbäume und blumiger Rasenflächen erhob und durch ein den inneren Hof schmückendes eigenartiges Brunnenhäuschen noch einen besonderen architektonischen Reiz erhielt. Auch seine ganze Innenausstattung war von besonderer Art. Denn abgesehen von den leuchtenden Perserteppichen, den blauweißen Delfter Fayencen und dem chinesischen Porzellan zum Hausgebrauch, enthielt es fast nichts, das nicht eigens für diesen besondern Zweck von dem kunstliebenden Bauherrn, der, wie er sagte. sein Heim zum schönsten Fleck auf Erden machen wollte, und den für sein Werk nicht minder begeisterten Freunden ersonnen und von ihnen selbst oder doch unter ihren Augen geschaffen worden wäre. Decken und Wände, namentlich im Treppenhaus und in dem weiten Empfangsraum, der durch seinen hohen Kamin eine feierliche Note erhielt, waren mit Fresken und Stickereien geschmückt. Jeder Stuhl, jeder Tisch und jedes Bett, jeder Löffel, jeder Krug und jedes Glas – alles musste neu erfunden werden, um nur ja der platten Hässlichkeit der Marktware zu entrinnen. Wie das Bauwerk und sein Inneres ward endlich auch der weite Garten von Morris selber angelegt und sinnig gestaltet.
Heute, wo jenes Bauwerk in seiner schlichten Schönheit gewissermaßen zum Urbild des modernen englischen Landhauses geworden ist, und neuere Schöpfungen es längst überholt haben, wird es kaum noch die Blicke des Wanderers auf sich lenken. Auch die Unberührtheit der umgebenden Landschaft, die ihm einst vielleicht seinen intimsten Reiz verlieh, ist auf immer zerstört. Damals aber war das „rote Haus“ eine liebliche Offenbarung. „Ich wünschte“, schreibt Rossetti an Norton, „Ihr könntet das Haus sehen, das Morris für sich in Kent gebaut bat. Es ist in jeder Hinsicht ein Werk von höchstem Adel und mehr ein Gedicht, denn ein Haus, wie man es sich kaum vorstellen kann, aber auch ein herrlicher Ort, um darin zu leben.“ Einige Jahre lang ist es der Sammelpunkt einer Reihe der genialsten Männer Englands gewesen. Burne-Jones, der sich mittlerweile ebenfalls verheiratet hatte, Rossetti, Swinburne, Webb, Brown, Hughes und endlich Faulkner, ein altes Mitglied der Oxford-Brüderschaft, mit seinen beiden Schwestern waren häufige Gäste. „Wie herrlich waren diese Sonntage im Roten Haus“, schreibt einer von ihnen später in der Erinnerung an jene Zeit. „Die Ankunft draußen in Abbey Wood, der Duft der würzigen Luft, dann die schaukelnde Wagenfahrt über Land und der schöne geräumige Wohnsitz. wo wir uns ebenso daheim fühlen durften, wie bei uns selbst. Keine Liebesbeteuerungen, nur das freudige Bewusstsein beieinander zu sein! Wir lachten, weil wir glücklich waren.“
Das „rote Haus“ ist nie vollendet worden. Geschäftliche Gründe haben Morris schon nach einigen Jahren gezwungen, sich von seinem Werke loszureißen. Und wenn auch der größte Teil des kostbaren Hausrates nach seinem neuen Londoner Heim auf Queen Square, Bloomsbury, hinübergerettet werden konnte, es blieben Bruchstücke. Die Einheit war zerstört.
Auch hat der Künstler sich nicht zum zweiten Male entschließen können, ein Haus zu bauen, weder für sich selbst, noch für andere, obwohl das Haus als Kunstwerk fortan das Ideal war, um dessen Verwirklichung wir seine entfesselte Schöpferkraft rastlos ringen sehen. Wohl hatte schon Ruskin von einer Wiedergeburt der Baukunst geredet und selbst dem „bürgerlichen Wohnhaus, das errichtet werde, um zu dauern, durch seine Schönheit zu erfreuen und jedes Menschen Eigenart, seinen Beruf, ja seine Geschichte zu verkörpern“, eine Art monumentalen Charakters zugesprochen.
Doch auch in dieser Hinsicht ist Morris der Vollender. Nichts empörte ihn mehr als die geradezu beschämende Behausung, mit der die meisten seiner Zeitgenossen sich abfinden mussten, jene „moderne Wohnung, die, ob klein oder groß, weder Mittelpunkt noch Individualität habe“, ja nichts anderes sei, als ein „Haufen aufs Geratewohl zusammengefügter Räume, eine viereckige Schachtel mit einem Deckel“, wie er sich drastisch ausdrückte. Und wenn für ihn die bildende Kunst im weitesten Sinne „die Gesamtheit unseres äußeren Lebens, einschließlich der Form und Farbe alles Hausrats, auch die Anordnung der Felder für Ackerbau und Weide, die Verwaltung der Städte und allerhand Straßen“ umfasste, so erschien ihm doch das Bauwerk mit seinem äußern Schmuck und seiner innern Verzierung als die wahre künstlerische Einheit, die Architektur, die „Kunst der Zivilisation“, als die allumfassende Zentralkunst, die außer der Baukunst im engeren Sinne auch die Malerei und Bildnerei sowie die mannigfaltigen Kunstgewerbe mit umschloss. Und es war nicht einseitige Überschätzung, sondern weise Selbstbeschränkung, wenn er, sich der Grenzen seines Talents bewusst, seine ganze Kraft allein den letzteren zuwandte.
Die alte Oxford~Brüderschaft, deren Seele literarischer Enthusiasmus gewesen, war mit den Jahren zerfallen. Einige der Genossen waren im Philistertum untergetaucht, andere ausgewandert und verschollen. Aber um den alten Stamm, Morris, Burne-Jones und Faulkner. hatten sich neue Elemente geschart und auch in diesem Kreise erwachte mit der Zeit das Verlangen nach vereintem Handeln. Schon 1847 hatte Felix Summerly einen Künstlerbund gegründet, dem Creswick, Dyce, Madise, Mulready, Bell und Westmacott angehörten, um kunstgewerbliche Produkte. „Art Manufactures“, anzufertigen. Doch wurden irgendwie erhebliche Erfolge damals nicht erzielt. Wer fünfzehn Jahre später im roten Hause“ zuerst darauf verfallen. die zunächst ausschließlich nach innen gerichteten Produktivkräfte des Freundeskreises durch Gründung einer Handwerksgilde nach außen zu kehren, bleibt ungewiss. Wenn aber, wie es scheint, Brown und vor allen Rossetti, der mit seinem künstlerischen Idealismus einen regen Geschäftssinn zu verbinden wußte, die erste Anregung hierzu gegeben, so war es Morris, der diese Idee mit wahrem Feuereifer ergriff und alsbald die treibende Kraft des ganzen Unternehmens wurde.
Die tatsächliche Gründung einer Genossenschaft mit der Firma Morris, Marshall, Faulkner & Co., Fine Art Workmen in Painting, Carving, Furniture and the Metals, 8 Red Lion Square, Holborn W. G, an der außer den genannten noch an jener künstlerischen Überwachung, die doch allein Harmonie unter den verschiedenen Teilen eines gelungenen Werkes zuwege bringen kann, durch die unvermeidlich übermäßigen Kosten gesteigert worden, die daraus erwuchsen, dass man einen einzelnen Künstler seiner Tätigkeit als Maler entziehen musste. Die genannten Künstler hoffen nun, durch ihre Vereinigung dieser Schwierigkeit Herr zu werden. Da sie unter sich Männer von verschiedener Anlage haben, werden sie aller Art Ausschmückung, von eigentlichen Gemälden bis zur geringsten künstlerischen Verzierung herab, ausführen können. Es lässt sich erwarten, dass durch solches Zusammenwirken das höchste Maß dessen, was man im strengen Sinne unter der Arbeit des Künstlers versteht, zugleich mit seiner fortgesetzten Überwachung zu den denkbar niedrigsten Preisen zu beschaffen sein werde, während zugleich das Ergebnis notwendig höheren Ranges sein muss, als wenn jeder einzelne Künstler von Fall zu Fall in der üblichen Weise verwandt Würde.“ Die Firma erbot sich ausdrücklich zur Lieferung von jederlei Wanddekoration in Form von Gemälden oder Ornamenten für Wohnhäuser, Kirchen oder öffentliche Gebäude, Von Schnitzerei und Bildnerei für architektonische Zwecke, von Verglasungen besonders in Verbindung mit Wandverzierung, von allerlei Metallarbeiten, einschließlich von Schmucksachen, von künstlerischem Hausrat in jedem beliebigen Material, insbesondere auch von Stickereien, Lederarbeiten usw. Auch wurde betont, dass aBe die genannten Arbeiten nach streng geschäftlichen Prinzipien ausgeführt werden sollten, und dabei die Hoffnung ausgesprochen, „dass gute Dekoration, da sie eher den Luxus des guten Geschmackes als den der Kostbarkeit einschließe, weit wohlfeiler befunden werden dürfte, als man gemeinhin annähme“.
Ihren Ruf begründete die Firma durch ihre bunten Glasfenster, für welche die großen Maler die Zeichnungen lieferten, während Morris die Farben und Gläser auswählte und die Ausführung überwachte. Vor ein größeres Publikum trat sie zum ersten Male auf der Londoner Weltausstellung von 1862. Die Aufnahme ihrer Arbeiten streng „mittelalterlichen Stiles“, wie der Ausstellungsbericht besagt. war eine geteilte. Immerhin konnte man für 150 Pfund Waren absetzen und eroberte auch zwei Medaillen. Ausgestellt waren damals außer Verglasungen und Kunststickereien auch allerhand Möbel. Darunter eine Garderobe, ein Bücherschrank, ein Waschtisch, eine Toilette, eine Bettstelle usw. Ferner Gläser, bemalte Fliesen und Schmucksachen. Papiertapeten, bedruckte Baumwollstoffe und andere Webwaren, Boden- und Wandteppiche, die späteren Hauptartikel der Firma, fehlten vorläufig noch ganz. Eine entschiedene Anerkennung ihrer Leistungen bedeutete es, als das South Kensington-Museum der Firma in den Jahren 1866/67 die Ausschmückung des Speisesaales der Restauration übertrug, der, wie Jessen bemerkt, „in seiner vornehmen Ruhe noch heute die bunte Eklektik der übrigen Räume zu Schanden macht“. Von da ab ging es immer schneller aufwärts. Bald zeigte es sich, dass Morris Recht hatte, wenn er behauptete, dass „Schönheit im ganzen eine marktgängige Ware sei, und dass alles in allem ein bestimmter Gegenstand die Gunst des Publikums um so eher gewinnen werde, je höher sein Niveau vom künstlerischen wie vom technischen Standpunkte sei“.
Dennoch war es von höchster Wichtigkeit, dass Morris wirtschaftlich unabhängig und jedenfalls nicht darauf angewiesen war, um diese Gunst zu buhlen. Das Betriebskapital, mit dem man zu arbeiten begann, war minimal. Es belief sich, auch nachdem die von den Genossenschaftern geleisteten höchst geringfügigen Anzahlungen im Jahre 1862 etwas erhöht worden waren, nur auf 140 Pfund, eine Summe, die durch einige von Morris und dessen Mutter gewährte Darlehen im Betrage von mehreren hundert Pfund ergänzt, sonst aber, solange das Unternehmen in der alten Form fortbestand, nicht mehr gesteigert wurde. Als Werkstatt benutzte man zunächst einige Räumlichkeiten in dem Hause Nr. 8 Red Lion Square, musste aber wegen Platzmangels schon 1865 nach Queen Square, Bloomsbury, übersiedeln. Im Jahre t88t wurde dann der bekannte Laden in Oxford Street eröffnet, und die Betriebsstätte nach Merton Abbey in Surrey verlegt, wozu endlich 1890 noch die für die Kelmscott Press erforderlichen Lokalitäten hinzutraten. Zum provisorischen Leiter der Genossenschaft ward mit einem jährlichen Gehalt von 150 Pfund Morris ernannt. Faulkner, dessen künstlerische Leistungen so gut wie gar nicht in Betracht kamen, unterstützte ihn bei der kaufmännischen Führung der Geschäfte, während Webb ihm als architektonischer Beirat diente. „Wir übrigen“, sagt Rossetti in einem Brief an Norton, „beschränken uns darauf, nach Bedarf Entwürfe beizusteuern, da es natürlich unser Plan ist, etwas Wertvolles durch Zusammenwirken zustande zu bringen, ohne jedoch auch nur im geringsten die persönlichen Bestrebungen derer unter uns zu stören, die Maler sind.“ Bald aber schwand das anfangs so lebendige Interesse der meisten Genossenschafter. Nur Burne-Jones und Webb sind der Firma auch später treu geblieben. Morris freilich übertraf sie alle. Und es war nur eine natürliche Konsequenz dieser Tatsache, dass die Gilde sich schließlich auflöste, und das Unternehmen unter der Firma Morris & Co. am 31. März 1875 in seinen Alleinbesitz überging. So stand es denn jetzt bei ihm, die ganze Produktion nach seinem freien Ermessen zu gestalten.
Ein Garten mit uralter Mauer, saftigen Wiesen und schattigen Bäumen am Ufer eines klaren Flusses. Darinnen die langgestreckten Arbeitsschuppen mit niedrigem Dach und ein Mühlrad. das sich bedächtig im Kreise dreht. Lange Streifen bedruckten Baumwollstoffes spülen im Wasser, dichte Strähnen leuchtenden Garnes, frisch aus der Indigokufe, spielen im Winde. Färber und Drucker gleiten still umher. Drinnen im Hause keine Dampfmaschinen und kein Großbetrieb. Wenige Handwebstühle für Seiden-und Wollstoffe. Stühle für Teppichknüpferei und Gobelinwirkerei, ein Raum für Zeugdruck, die Färberstuben und das Atelier für Glasmalerei. Über das Ganze ausgegossen ein Hauch wie aus alter Zeit, eine Atmosphäre des Friedens, ja der Muße, in der die Arbeiter nicht zu Tode gehetzt werden, sondern Atem schöpfen und auch etwas von der Schönheit dieser Welt genießen können. Das war Merton Abbey. Und mitten in dieser kleinen Welt Morris selbst, ihr Schöpfer. ein nordischer Recke, trotzig und kühn, echt durch und durch, mit sonnengebräuntem, bärtigen Antlitz und dem ergrauten Lockenhaar, das sich buschig wie eine Löwenmähne über der breiten Stirn erhob und über den guten grauen Augen, die vor Freude blinken, vor Begeisterung leuchten und vor Empörung aufblitzen konnten. Ein Mann ohne jede Prätention, der in seinem blauen Baumwollhemd, seiner weiten Hose, seinem Arbeitskittel und seinem Schlapphut, mit seinen oft von Farbe befleckten Händen und seinem schwankenden Gang auf den ersten Blick eher einem Fleischer oder einem Seemann gleichen konnte, als einem großen Künstler, der dazu bestimmt war, das Kunstgewerbe seines Landes zu neuem Leben zu erwecken.
Dass seine Bemühungen in dieser Richtung auf eine Wiederbelebung der Handwerkskunst hinauslaufen mussten, lag in den Verhältnissen. Nichts ist törichter als ihm gerade hieraus einen Vorwurf zu machen. Wie wenig für die Kunst damals von der Großindustrie zu erwarten war, wird später zu erörtern sein. So stand ihm denn als Ideal die mittelalterliche Werkstatt vor der Seele. Ihre Reorganisation allein schien ihm vor allem zwei unabweisbare Forderungen zu erfüllen: Die Vereinigung aller zur Lösung einer bestimmten künstlerischen Aufgabe erforderlichen Kräfte in einem Betriebe, unter gleichzeitiger Beseitigung jeglicher, die schöpferische Tätigkeit des Arbeiters unterbindenden Art der Arbeitsteilung.
Über die schädliche Rückwirkung einer zu weit gehenden Arbeitsteilung auf die Beziehungen zwischen Arbeit und Kunst hat Morris sich oft geäußert. Bis zu einem gewissen Grade technisch unvermeidlich. sei dieser Prozess heute weit über das zulässige Maß hinaus gediehen und werde schließlich die Kunst im Gewerbe überhaupt zum Absterben bringen, wenn nicht alsbald eine Rückbildung eintrete. „Ich bin überzeugt“, erklärt er im März 1882 vor der Royal Commission on Technical Instruction, „dass es nicht wünschenswert ist, die Arbeit zwischen dem Künstler und dem sogenannten Musterzeichner zu teilen, ja ich meine, es ist im ganzen erwünscht, dass beide in der Praxis ein und dieselbe Person seien.“ Denn, dass der eine dem anderen den künstlerischen Entwurf fertig liefere und es ihm ruhig überlasse, dessen technische Verwirklichung nach seinem Gutdünken vorzubereiten, müsse zu häufigen Missverständnissen und in der weiteren Folge zu einer Beeinträchtigung der künstlerischen Idee führen. Dies umso mehr, als der Musterzeichner das betreffende technische Verfahren oft selbst nicht beherrsche. Darum sei zu fordern, dass dieser sich mit den Eigentümlichkeiten der Maschine und des Materials, in dem der Entwurf ausgeführt werden solle, intim vertraut mache; er müsse z. B. imstande sein, selbst zu weben. Auch müsse endlich der Arbeiter, vom kleinsten bis zum größten, in technischen wie in anderen Fragen durchaus vorgebildet sein, wenn er, ohne Schaden zu stiften, an der Entstehung eines Kunstwerkes mitwirken solle. Das heißt, der schaffende Künstler wie alle seine Hilfskräfte dürften sich nicht qualitativ, sondern nur quantitativ, nicht ihrem Wesen, sondern nur dem Grade nach von einander unterscheiden. Und durch eine entsprechende Ausgestaltung des gewerblichen Schulwesens habe man es auch in der Hand, sich diesem Ziele allmählich zu nähern.
Die hohen Ansprüche, die Morris an andere stellte, hat er in erster Linie selbst zu verwirklichen gesucht. Unaufhörlich darauf bedacht, sich immer neue Arten gewerblicher Technik anzueignen, nicht zufrieden, bis er es wenigstens in einigen von ihnen, so in der Teppichweberei und im Buchdruck, zu unübertrefflicher Meisterschaft gebracht, hat er wohl niemals einen künstlerischen Entwurf geliefert, den er zur Not nicht eigenhändig hätte ausführen können. Und wie er, rastlos fortschreitend, ein Rebell und ein Eroberer, sich in der Universalität seines künstlerischen Schaffens zu sonnen liebte, so suchte er das gleiche Streben nach allseitiger Vervollkommnung auch in allen seinen Gehilfen zu erwecken und wach zu erhalten. Fest davon durchdrungen, dass nicht etwa eine dem Menschen angeborene oder von ihm mühselig erworbene Fertigkeit, sondern die Intelligenz und Anpassungsfähigkeit eines Arbeiters über seine Tüchtigkeit entscheide, nahm er, soweit das Geschäftsinteresse dies irgendwie erlaubte, jeden auf, der sich darum bewarb, und verwandte ihn, wie es gerade kam, wobei dahingestellt bleiben mag, ob dieses eigenartige System ohne die suggestive Kraft seiner starken Persönlichkeit durchführbar gewesen wäre.
Freilich, auch das Talent des vielseitigsten Künstlers hat seine Grenzen. So hat Morris z. B. nur ganz ausnahmsweise Möbelstücke entworfen. J. P. Seddon und F. Maddox Brown, später Philipp Webb und George Jack, haben diese Aufgabe für die Firma übernommen. Selbst der bekannte Morris-Chair war nicht seine Erfindung, sondern die Kopie eines altertümlichen Stuhles, den Warrington Taylor irgendwo auf dem Lande aufgestöbert hatte. Auch Metallarbeit, Mosaik und Email hat er vernachlässigt, sich sogar bei seinen Verglasungen und in der Teppichweberei auf andere gestützt.

Sollte also die harmonische Lösung größerer künstlerischer Aufgaben, wie sie z. B. die innere Ausstattung eines ganzen Hauses darstellte, überhaupt gelingen, so musste, wie das schon der Prospekt der Genossenschaft im Jahre 1861 betont hatte, die hierzu erforderliche Zusammenfassung einander ergänzender Kräfte in dem kunstgewerblichen Unternehmen selbst erfolgen. So hatte man auch die Frauen herangezogen, ihnen Stickereien auf Tuch und Seide sowie die Bemalung von Fliesen und anderen Tonwaren übertragen. Aber das Prinzip, bei der Herstellung der von der Firma gelieferten Gegenstände auf die Beteiligung fremder Betriebe zu verzichten, erwies sich auf die Dauer um so unhaltbarer, als die Zahl der Gildegenossen zusammenzuschmelzen begann. Schon die zur Anfertigung jener mit bunter Stickerei verzierten Wandbehänge, eines der ersten Produkte der Firma, erforderlichen groben Stoffe mussten von Fabrikanten aus Yorkshire, die Tonwaren, deren man bedurfte, aus Holland bezogen werden. Auch hat die Firma niemals selber Glas gegossen. Morris’ berühmte Papiertapeten wurden zwar zunächst handwerksmäßig in eigener Werkstatt, bald aber nach seinen Entwürfen auch maschinell von Jeffry & Co. hergestellt. Ähnliches gilt von seinen gedruckten Stoffen und von der Bemalung der Fliesen, die wenigstens später von De Morgan als Spezialität übernommen wurde. So kam es. dass der Firma Schaffensgebiet sich im Laufe der Zeit eher verengte, als erweiterte. Nur in den unnachahmlichen Leistungen der Kelmscott Press ist Morris noch einmal, kurz vor seinem Tode, in vollem Umfang zu dem alten Prinzipe zurückgekehrt.
Wenn nun die vielerlei Dinge, welche die Firma auf den Markt brachte, trotz ihres verschiedenen Ursprungs, sich harmonisch ineinander fügten, so lag das daran, dass sie alle von dem gleichen künstlerischen Geiste beseelt waren. Ja, man kann sehr wohl von einem einheitlichen Stile reden, der sich vielleicht am besten als eine eigenartige Fortbildung gotischer Formen unter orientalischem Einfluss charakterisieren lässt. Aber jene Anlehnung an die Werke der Alten, die man so oft getadelt hat, war für Morris ein bloßer Notbehelf. „Der Faden der Tradition ist zerrissen“, klagt er einmal, “wir haben nichts was uns wie ein Strom der Inspiration vorwärts tragen könnte“. Unser Zeitalter ist hässlich. Will man etwas Schönes sehen, so muss man vor- oder rückwärts schauen. Nein, wenn jemand heute etwas Schönes schaffen will, so muss er die Epoche wählen, die ihm am besten behagt, und sich mit ihr identifizieren.“ Und das hat er getan. Er wählte das 13. Jahrhundert, „das Jahrhundert Dantes“, die Gotik, weil deren Formenwelt seinem persönlichen Geschmack am meisten zusagte, aber ohne sich streng daran zu binden, oder gar andere in ihrer freien Wahl beschränken zu wollen. Nur die Kunst der Renaissance und ihre späteren Ausläufer wollte er als krankhafte Entartung nicht gelten lassen, und auch für die naturalistische Kunst der Japaner hatte er keinen rechten Sinn.
So wenig hat er schematischer Nachahmung das Wort geredet, dass er sie für geradezu unmöglich hielt. „Jedes echte Kunstwerk, auch das geringste“, heißt es in Some Hints on Patterndesigning, „ist unnachahmlich. Ich bin fest davon überzeugt, dass all die aufgehäufte Erkenntnis moderner Wissenschaft, alle Energie modernen Handeins, alle Tiefe und Geistigkeit modernen Denkens nicht einmal die Handarbeit eines unwissenden, abergläubischen Berkshirebauern des 14. Jahrhunderts reproduzieren kann, auch nicht die eines nomadisierenden kurdischen Schafhirten oder eines bis aufs Blut ausgesaugten indischen Pächters.“ Das Studium der Vergangenheit war ihm nur Mittel zum Zweck. „Wir wollen uns in sie versenken, uns von ihr durchdringen und erleuchten lassen“, sagt er einmal, „fest entschlossen, nichts nachzuahmen oder zu wiederholen, und lieber entweder überhaupt keine Kunst zu haben, oder eine, die wir uns selbst geschaffen; ein Gewächs ihrer Zeit, doch verknüpft mit der Geschichte aller Zeiten“.
Das Maß, in dem er hierbei mithelfen konnte, hat er wahrlich nicht überschätzt. Schon sein Wahlspruch „If I can“, den er von Jan van Eyck übernommen, deutet an, wie bescheiden von sich er dachte. Wahrhaft umwälzend hat er auf das Flächenmuster gewirkt. Und ihren Gipfelpunkt erreichte seine Kunst in jenen herrlichen Schöpfungen der Kelmscott Press, die unwiderleglich von jenem seltenen, fast einzigen Einklang künstlerischer und technischer Einsicht und Fertigkeit zeugen, in dem, nach Jessen seine wahre Größe liegt. Und wie unerschöpflich war seine Erfindungsgabel Beläuft sich doch die Zahl seiner tatsächlich ausgeführten Entwürfe für Papiertapeten, Baumwolldrucke, Wollstoffe, Seidendamaste, gepresste Sammete, Teppiche, ungerechnet jene besonderen, von ihm persönlich in der Regel nur ein einziges Mal ausgeführten Entwürfe, auf nahezu 600, ganz abgesehen von zahllosen Stickereimustern.
Aber war es wirklich eine Volkskunst, eine Kunst für die Massen, die so unter seinen rastlosen Händen entstand? Oft hat man spöttisch auf die Preise hingewiesen, zu denen die Firma ihre Erzeugnisse auf den Markt brachte, Preise, denen meist nur die bestgefüllten Börsen zu genügen vermochten. Und auch Morris hat sich nicht darüber täuschen können, dass die künstlerische Veredelung alltäglicher Gebrauchsgegenstände in zahlreichen Fällen mit ihrer Verteuerung gleichbedeutend ist. Aber er ist der wichtigen Frage, wie die Kosten für eine seinen Anforderungen entsprechende Ausstattung zu erschwingen seien, keineswegs ausgewichen. Und er hat sie stets in dem gleichen Sinne beantwortet, nämlich mit dem Satz: „Indem wir ein einfaches Leben führen.“
Er habe nie eines reichen Mannes Haus betreten, sagt er einmal, das nicht gewonnen haben würde, wenn man neun Zehntel seiner Einrichtung ins Feuer geworfen hätte. Und was für die Reichen, das gelte für die Minderbemittelten eher in noch höherem Grade. Verachtet die trügerischen Schöpfungen der Mode und alle jene Scheingüter und Erfindungen des Handelsgeistes! „Duldet nichts in eurem Hause, wovon ihr nicht wisst, dass es nützlich, und glaubt, dass es schön ist, so wird es euch schwerlich an Mitteln gebrechen, um das wirklich Notwendige in edler Form zu erstehen“, lautete seine Lehre. Und auch der Kunst werdet ihr damit am besten dienen.
Denn Einfachheit der Lebensführung, die Einfachheit des Geschmackes gebiert. d. h. eine Liebe zu feinen und zarten Dingen, ist von allem am notwendigsten für die Geburt einer neuen und besseren Kunst, die wir ersehnen. Einfachheit allerorten, im Palast wie in der Hütte.“ Gerade weil er in dieser Einfachheit die „wahre Grundlage aller Verfeinerung“, ja den Ausgangspunkt aller Kunst erblickte, darum ist er auch nie ‚müde geworden, sie seinem Volke zu predigen und ihm in immer erneuten Beispielen vor Augen zu führen, wie wenig im Grunde vom Standpunkte einer hohen Kultur zum materiellen Leben gehöre.
Was aber betrachtete er als in diesem Sinne unentbehrlich? Er selber hat uns in einem seiner Vorträge das Wohnzimmer „eines gesunden Menschen“ geschildert, wie es ihm vorschwebte, einen Raum wohl gemerkt, „wo man weder viel zu kochen, noch für gewöhnlich zu schlafen, noch viel schmutzige Arbeit zu verrichten hätte“. Und dieses Bild ist so charakteristisch für den Künstler, dass ich es hier wiedergeben will. Ein solches Zimmer müsste nämlich die folgenden Einrichtungsstücke aufweisen: „Zuerst einen Bücherschrank mit einer großen Menge Bücher darinnen. Dann einen Tisch, der feststeht, wenn man daran schreibt oder arbeitet Dann mehrere Stühle, die man verstellen, und eine Bank, auf der man sitzen oder liegen kann. Dann eine Kommode mit Schubfächern. Dann wird man, es müsste denn der Bücherschrank und die Kommode sehr schön mit Malerei oder Schnitzwerk verziert sein, Gemälde oder Radierungen an der Wand brauchen, je nach seinen Mitteln, nur keine Lückenbüßer, sondern wirkliche Kunstwerke. Oder die Wand selbst muss mit irgend einem schönen und ruhigen Muster geschmückt sein. Auch ein oder zwei Vasen wird man nötig haben, um Blumen hineinzustecken, die man nicht entbehren kann, namentlich wenn man in der Stadt lebt. Endlich darf natürlich auch ein Kamin nicht fehlen, der in unserem Klima notwendig das wichtigste Stück im ganzen Raume sein muss. Das ist aber auch wirklich alles, was man braucht, besonders wenn der Fußboden gut ist. Wenn nicht, was nebenbei gesagt in einem modernen Hause ziemlich sicher der Fall ist, wird freilich ein schmaler Teppich, der in zwei Minuten aufgerollt werden kann, von Nutzen sein, und man wird auch auf seine Schönheit bedacht sein müssen, wenn er uns nicht furchtbar stören soll. Ist man nun nicht musikalisch, in welchem Falle man ein Klavier braucht, so ist das wirklich alles, wessen man bedarf, und man kann zu diesen Erfordernissen nur sehr wenig hinzufügen, ohne zu belästigen und Arbeit, Denken und Muße zu behindern. Werden nun diese Dinge“, so schließt er, „zu dem geringsten Preise hergestellt, zu dem man sie gut und solid anfertigen kann, so dürften sie nicht viel kosten, und ihre Zahl ist so gering, dass die, welche sie sich überhaupt anschaffen können, auch einige Mühe darauf verwenden können, sie passend und schön zu erlangen. Und alle, denen die Kunst am Herzen liegt, sollten sich bestreben, danach zu handeln und dafür Sorge zu tragen, dass keine Scheinkunst unter ihnen sei, nichts, was anzufertigen oder zu verkaufen einen Menschen entwürdigt hat“.
Morris hat jene glückliche Zeit, wo die Menschen die längst vergessene „Kunst des Kaufens“ wieder erlernen sollten, nicht mehr erlebt. Früher als seine Freunde ahnten, ist er ihnen entrissen worden. Für ihn selbst, dem schmerzlicher als vielen anderen der unlösbare Zwiespalt zwischen der Grenzenlosigkeit menschlichen Wollens und der Beschränktheit persönlichen Könnens zu lebendigem Bewusstsein gekommen, dem von jeher jene weiblichste aller Tugenden, Geduld gefehlt, die uns die Kraft verleiht, uns mit der Unzulänglichkeit des Daseins klaglos abzufinden, hatte der Gedanke an die Todesruhe längst alle Schrecken verloren.

“Will not be soft and kind
That rest from life, from patience and from pain,
That rest from bliss we know not when we find,
That rest from love that ne’er the end can gain“,
hatte es sich schon vor Jahren seinem Herzen entrungen.

Und als jetzt die Stunde nahte, wo jenes dunkle Sehnen in Erfüllung gehen sollte, da hat er sich fast ohne Kampf in sein Schicksal ergehen. Schon länger war er ein kranker Mann. Die gichtische Anlage, die in seiner Familie erblich war, trat mit wachsenden Jahren auch bei ihm deutlicher hervor. Immer heftiger und hartnäckiger wurden die Anfälle der tückischen Krankheit, und da er sich nicht schonen wollte, traten weitere Komplikationen hinzu. Noch einmal hat er es versucht, sich hoch oben im Norden die alte Kraft zurückzuerobern. Aber kränker, als er hinausgefahren, ist er heimgekehrt, und am 3. Oktober 1896 um die Mittagsstunde ist er dann still und friedlich hinübergeschlummert, „einem Kindlein gleich, das sich an der Mutterbrust satt getrunken“ wie Lady Burne-Jones schön gesagt hat.
„Morris is beaten gold“ so hat Ruskin den Freund charakterisiert, und Crane hat ihn später als den Pionier der „englischen Renaissance“ gefeiert. Aber auch die ihm ferner standen, fühlten bei seinem Scheiden, dass eine Persönlichkeit von geschichtlicher Bedeutung von ihnen gegangen war. „Dass Morris ein Genie ersten Ranges gewesen“, erklärte in seinem Nachrufe selbst The Builder, der ihn oft kritisierte, kann mit Rücksicht auf keinen einzelnen Zweig seines Schaffens behauptet werden. Dennoch übte die vielseitige Natur seiner Fähigkeiten und sein fortschreitender Erfolg in verschiedenen Richtungen einen bemerkenswerten Einfluss auf seine Generation aus und verlieh ihm eine Stellung in der Öffentlichkeit, wie sie kein einziges seiner Talente, für sich genommen, ihm gegeben haben würde. Was er in der Tat und in vollem Umfange in der Kunst bewirkte, das war die Reform des englischen Geschmacks auf dem Gebiet der Hauseinrichtung und Dekoration. Seine Ideen hierüber waren ebenso gesund, wie seine Entwürfe bewundernswert“.
„Was er in dieser Hinsicht bedeutete, ist wohl niemals klarer hervorgetreten, als auf jener 6. Kunstgewerbeausstellung der Arts and Crafts Exhibition Society von 1900, die ein übersichtliches Bild seines gesamten künstlerischen Schaffens zu geben versuchte. „Nach den gemischten Eindrücken, welche die übrigen Säle hinterlassen“ schreibt Muthesius, tritt man hier wie in einen Tempel ein, in welchem der erhabene Geist eines großen Genies waltet, das unbeirrt von der Strömung des Tages seine eigenen Wege ging. Gegenüber dem Ernst dieser Werke schnellen die Leistungen der übrigen Säle bedenklich in die Höhe. Morris ist tot, – das empfindet man, wenn man sie im Rückgang wieder durchschreitet. Von höchstem Interesse, ja von kulturgeschichtlichem Werte aber ist die große Reihe von Werkzeichnungen, die die Wände seines Saales zieren. Sie enthüllen uns die Seele des künstlerischen Schaffens des Meisters, sie gewähren einen Einblick in jene Brunnen unversiegbarer Erfindungskraft, aus denen er schöpfte. Denn wie jeder große Künstler, fasste er jede neue Aufgabe von einem neuen Gesichtspunkt auf, er drang immer vorwärts und blieb immer ein Lernender. So bewahrte er seinen Werken jene Jugendfrische, die sie von denen des Routiniers so grundverschieden macht“.
Doch würde es überhaupt verfehlt sein, William Morris allein nach den Werken zu beurteilen, die er uns zurückgelassen. Schon Burne-Jones, der ihm vielleicht von allen am nächsten gestanden, hat einmal gesagt, die größere Hälfte seiner herrlichen Persönlichkeit werde mit seinem Tode untergehen. Es sei nicht möglich, die Eigenart und Unabhängigkeit ihrer Äußerungen zu beschreiben. Was sich namentlich nicht festhalten lasse, das sei seine Handlungsweise und seine Lebensführung. In der Tat, dass er, der große Künstler, der gewerblichen Arbeit mit eigener Hand ihren Adel zurückgegeben, das ist wohl die gewaltigste seiner Leistungen. Aber nicht wie ein fühlender Mensch, wie ein Naturgeist, und und nach eigenen Gesetzen hat er gewirkt. „Wie ein Traum, einsam und selbstgenügsam, fast ohne Liebe und ohne Hass“, hat er sich unter den Menschen bewegt. Und auch im Tode noch ein Bruchteil der lebendigen Weisheit aller Dinge zu bleiben, war sein Glaube und seine Hoffnung. Wenn man es aber als das angeborene Gesetz des Genius betrachten will, keinem anzugehören als sich und seinem Werke, wird man ihm auch das Höchste, Genialität, nicht absprechen können.


Heinrich Waentig (1870-1943) war ein sehr interessanter Mann, über den wir, ohne detailliert nachgeforscht zu haben, nicht sehr viel sagen können. Er war Sozialdemokrat, Professor an verschiedenen Universitäten mit vielen Veröffentlichungen und hatte England und die USA bereist. Nach dem Verfassen dieses Buches ging er 1909 als Dozent für sechs Jahre nach Japan. Danach wieder Professor in Deutschland und Reichstagsabgeordneter für die SPD. 1930 war er für mehrere Monate sogar Minister des Inneren in Preussen. 1931 soll er aus der SPD ausgetreten sein.

Dieses Buch gibt Zeugnis von der hohen Aufmerksamkeit zur Jahrhundertwende in Deutschland für William Morris. Dem Kapitel wäre nur in wenigen Punkten aus unserer Sicht zu widersprechen. Ausgehend vom Titel seiner Arbeit ist Waentig den Zielen von Morris sehr nahe gekommen und hat sie wohl besser verstanden als die meisten deutschen Künstler und Akteure des Werkbunds zu jener Zeit. Er setzt z.B. Ruskin und Morris nicht in eins, wie es damals oft geschah. Auch zur Geschichte des Werkbundes ist dieses Buch sehr lesenswert.

Zum Download hier: Das Kapitel über William Morris und das Kapitel Kunst und Arbeit.
Das ganze Buch kann gelesen werden auf der Webseite der Digitalen Sammlungen der Universitätsbibliothek Weimar.

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