Die Kunst des Volkes

Und die Männer der Arbeit verbrauchten ihre Kraft im Kampf ums tägliche Brot, um die Lebenskraft zu erhalten, durch die sie arbeiten können. So lebten sie in täglich wiederkehrender Sorge; sie lebten nur, um zu arbeiten und arbeiteten nur, um zu leben, als ob das tägliche Brot das einzige Ziel eines mühevollen Lebens sei, und ein mühevolles Leben der einzige Weg zum täglichen Brot.  – Daniel Defoe

Ich weiß, dass ein großer Teil der hier Anwesenden entweder bereits die Schönen Künste ausübt oder gerade dafür ausgebildet wird, und es wird vielleicht von mir erwartet, dass ich mich besonders an ihn wende. Aber da kein Zweifel besteht, dass wir alle zusammengekommen sind, weil wir uns für diese Künste interessieren, so würde ich Sie alle lieber so ansprechen, als ob Sie die Öffentlichkeit im allgemeinen repräsentierten. Denn diejenigen unter Ihnen, die speziell Kunst studieren, könnten wenig von mir lernen, das für Sie von besonderem Nutzen wäre. Sie lernen bereits bei fähigen Lehrern, äußerst fähigen, wie ich zu meiner Freude weiß, und zwar nach einer Methode, die Sie alles Nötige lehren sollte, falls Sie den ersten Schritt getan und sich der Kunst gewidmet haben – ich meine damit, falls Sie auf das Richtige hinauswollen und auf die eine oder andere Art die Bedeutung der Kunst verstehen (was Sie auch können, ohne in der Lage zu sein, es auszudrücken), und falls Sie entschlossen sind, jenen Weg weiterzugehen, den Ihnen jenes ererbte Wissen gezeigt hat – wenn es bei Ihnen anders ist, dann wird Ihnen kein System und kein Lehrer dazu verhelfen, wirkliche Kunst irgendeiner auch noch so schlichten Art zu schaffen. Diejenigen unter Ihnen, die wirkliche Künstler sind, wissen genau, welchen speziellen Rat ich geben kann und in wie wenigen Worten er gesagt ist: folge der Natur, studiere das Altertum, mach deine eigene Kunst und stiehl sie nicht, scheue keine Mühe, habe Geduld und Mut bei der Verwirklichung jener schwierigen Aufgabe, die du dir vorgenommen hast. All das wurde Ihnen ohne Zweifel zwanzigmal gesagt und Sie haben es zwanzigmal zu sich selbst gesagt, und nun habe ich es Ihnen noch einmal gesagt, ohne Ihnen oder mir dadurch genützt oder geschadet zu haben. So wahr und bekannt das alles auch ist, so schwer ist es zu befolgen.

Aber für mich, und ich hoffe auch für Sie, ist Kunst eine sehr ernsthafte Angelegenheit, die durch nichts von den gewichtigen, die Gedanken der Menschen beschäftigenden Fragen getrennt werden kann; und ihrer Ausübung liegen Prinzipien zugrunde, über die alle denkenden Menschen ihre eigenen Anschauungen haben sollten, oder vielmehr haben müssen. Über einige dieser Grundsätze möchte ich sprechen und mich dabei nicht nur an die bewußt Kunstinteressierten wenden, sondern auch an all jene, die bedacht haben, welche Versprechen und Gefahren die fortschreitende Zivilisation jenen bringt, die nach uns kommen. Darüber, was für die Zukunft der Künste, die mit der Geburt der Zivilisation entstanden und nur bei ihrem Absterben untergehen werden, zu hoffen und zu befürchten ist; was die Gegenwart mit ihrem Zank, Zweifel und Wandel für eine bessere Zeit vorbereitet, in der der Wandel stattgefunden haben wird, in der der Streit besänftigt und der Zweifel ausgeräumt sein wird. Dies scheint mir wirklich eine wichtige Frage, die alle denkenden Menschen interessieren wird.

Diese Frage ist sogar von so umfassender Wichtigkeit, dass ich befürchte, Sie werden denken, ich übernehme mich mit einer Rede über ein so bedeutendes Thema; ich hätte es auch nicht gewagt, wenn ich mich nicht heute abend als ein Sprecher kompetenterer Menschen, deren Hoffnungen und Ängste ich teile, verstehen würde; da das so ist und weil ich in einer Stadt bin, in der die Menschen sich gerade nicht damit begnügen, nur für sich und für die Gegenwart zu leben, sondern die Pflicht anerkennen, die Augen für alles Neue offen zu halten, um jede darin liegende Wahrheit zu fördern und sich von ihr helfen zu lassen, so werde ich um so mehr ermutigt, wenn möglich mein ganzes Denken über diesen Gegenstand frei auszusprechen. Da Sie mir die große Ehre erwiesen haben, mich zum Präsidenten Ihrer Gesellschaft der Künste für das vergangene Jahr zu wählen, und mich baten, heute dass zu Ihnen zu sprechen, so würde ich meine Pflicht nicht erfüllen, wenn ich nicht nach Kräften und offen alles aussprechen würde, was mir für Sie von irgendeinem Nutzen zu sein scheint. Ich denke, dass ich unter Freunden bin, die es entschuldigen würden, wenn ich voreilig spräche, aber kaum, wenn ich nicht die Wahrheit sagte.
Das Ziel Ihrer Gesellschaft und Ihrer Kunstschule ist ja wohl die Förderung der Künste durch weit verbreitete Bildung. Das ist eine großartige Aufgabe, die dem Ruf dieser bedeutenden Stadt würdig ist. Aber da Birmingham auch, wie ich zu meiner Freude weiß, dafür bekannt ist, dass es mit Dingen Schluss macht, die als falsch erkannt sind, so sollten Sie meiner Meinung nach wissen und deutlich sehen, was Sie mit diesen Institutionen zu fördern beabsichtigen und ob Ihnen wirklich daran liegt oder ob Sie nur lustlos mitmachen. Kurz, ob Sie es wirklich im Innersten wissen und wirklich daran Anteil nehmen; oder ob Sie nur gehört haben, dass es eine gute Sache wäre, wenn sich irgendjemand damit abgäbe.
Falls Sie überrascht sein sollten, dass ich Ihnen diese Frage zum Überdenken vorlege, so werde ich Ihnen sagen, warum ich das tue. Es gibt einige unter uns, die die Kunst sehr lieben, und zwar äußerst ehrlich, und die deutlich erkennen, dass eine solche Liebe heutzutage rar geworden ist. Wir können nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass es neben einer großen Zahl von Menschen, die, arme Teufel!, elend dran sind und rohe Ansichten und Manieren haben, weil sie keine Chance oder Wahl in dieser Angelegenheit hatten, es viele hochherzige, nachdenkliche und gebildete Menschen gibt, die in ihrem Innern die Künste für eine dumme Laune der Zivilisation halten, oder vielmehr noch schlimmer, für eine Plage, eine Krankheit, ein Hindernis für den menschlichen Fortschritt. Einige von ihnen sind zweifellos sehr mit anderen Gebieten des Denkens beschäftigt. Sie sind, wie ich sagen würde, in so künstlerischer Weise durch das Studium der Wissenschaften, der Politik oder sonst was in Anspruch genommen, dass sie ihren Geist durch diese anstrengende und lobenswerte Arbeit notwendigerweise verengt haben. Aber da es nicht viele solche Menschen gibt, kann darin nicht der Grund für die herrschende Ansicht, die die Künste bestenfalls als unbedeutend betrachtet, liegen.

Was ist also mit uns oder den Künsten los, dass etwas, das einst für so ruhmreich gehalten wurde, heute belanglos erscheint?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten; ich möchte, um die Angelegenheit ganz deutlich werden zu lassen, behaupten, dass diejenigen, die im heutigen Denken den Ton angeben, mehrheitlich die Künste offen und aufrichtig hassen und verachten; und Sie wissen, dass die Leute so denken müssen wie ihre Anführer. Das bedeutet, dass wir, die wir hier zusammengekommen sind, um die Kunst durch weit verbreitete Bildung zu fördern, entweder uns selbst hinters Licht führen und unsere Zeit verschwenden, da wir eines Tages derselben Ansicht sein werden wie die führenden Köpfe, oder dass wir eine kleine Minderheit darstellen, die im Recht ist, wie Minderheiten das manchmal sind, während jene vorher erwähnten aufrichtigen Menschen und die große Masse der zivilisierten Menschheit von unglücklichen Umständen verblendet wären.
Ich hoffe, dass es zutrifft, dass wir so denken – als eine Minderheit, die Recht hat. Ich hoffe auch, dass wir ganz sicher wissen, dass die Künste, die wir fördern wollen, für das Leben der Menschen notwendig sind, wenn der Fortschritt der Zivilisation nicht so sinnlos sein soll wie ein sich drehendes Rad, das nichts bewegt.

Wie also sollen wir, die Minderheit, der uns durch unsere Situation auferlegten Pflicht, zu versuchen, zur Mehrheit zu werden, nachkommen?

Wenn wir nur jenen nachdenklichen Menschen und den Millionen, die sie anführen, den Charakter der Sache, die wir lieben, erklären könnten, die für uns so wichtig ist wie das Brot, das wir essen, und die Luft, die wir atmen, von der sie aber nichts wissen und nichts fühlen außer einem vagen Impuls von Abneigung, dann wäre schon der erste Schritt zum Erfolg getan. Das zu tun, ist wirklich schwierig; doch mir scheint, wenn wir über ein Kapitel der alten oder mittelalterlichen Geschichte nachdenken, dass uns dann so etwas wie ein Hoffnungsschimmer aufleuchtet, dass wir es doch erreichen werden. Nehmen Sie beispielsweise ein Jahrhundert des byzantinischen Reiches, ermüden Sie sich damit, die Namen der Pedanten, Tyrannen und Steuereintreiber zu lesen, denen die vom längst toten Rom geschmiedete furchtbare Kette immer noch die Macht gab, die Leute mit dem Glauben zu betrügen, dass ihre Herrschaft notwendig sei. Wenden Sie sich dann den Ländern zu, die sie regierten, und lesen und vergessen Sie eine lange Reihe von sinnlosen Morden nordischer und sarazenischer Piraten und Räuber. Das ist so ziemlich die Summe dessen, was uns die sogenannte Geschichte von den Ereignissen dieser Tage aufbewahrt hat – die dumpfe Niedergeschlagenheit und die Übeltaten der Könige und Schurken. Müssen wir uns deswegen abwenden und feststellen, das alles schlecht war? Wie lebten denn die Menschen im Alltag? Wie kam denn Europa zu Wissen und Freiheit? Es scheint, dass es noch andere Menschen gab als jene, von denen uns die sogenannte Geschichte die Namen und Taten hinterlassen hat. Diese Menschen, das Rohmaterial der Schatzkammer und des Sklavenmarkts, nennen wir heute »das Volk«, und wir wissen, dass sie die ganze Zeit gearbeitet haben. Wir wissen auch, dass ihre Arbeit nicht bloß die Arbeit von Sklaven war, den Brotkorb vor und die Peitsche hinter sich. Denn obwohl die sogenannte Geschichte sie vergessen hat, ist ihr Werk dennoch nicht vergessen; es bildete vielmehr eine andere Geschichte – die Geschichte der Kunst. Im Osten oder Westen gibt es keine alte Stadt, die nicht einige Spuren ihrer Sorgen, ihrer Freuden und Hoffnungen trägt. Von Isfahan bis Northumberland gibt es kein zwischen dem siebten und siebzehnten Jahrhundert errichtetes Gebäude, das nicht den Einfluss der Arbeit jener unterdrückten und vernachlässigten Menschenmasse erkennen lässt. Zwar erhob sich keiner von ihnen hoch über seine Gefährten. Es gab keinen Plato, Shakespeare oder Michelangelo unter ihnen. Wie stark war aber ihr Denken, obwohl es auf viele Menschen verteilt war, wie dauerhaft war es, und wie weit breitete es sich aus!
So war es immer zu jener Zeit, als die Kunst kraftvoll war und sich entwickelte. Wer könnte sagen, wie wenig wir über viele Zeitabschnitte wüssten, wenn wir nicht ihre Kunst kennen würden? Die sogenannte Geschichte hat die Erinnerung an Könige und Krieger aufbewahrt, weil sie zerstörten; die Kunst hat die Erinnerung an das Volk aufbewahrt, weil es schöpferisch war.
glentleitenIch denke also, dass uns dieses Wissen, das wir über das Leben in der Vergangenheit besitzen, einen Wink über die Richtung gibt, die wir gegenüber jenen aufrichtigen und ehrenhaften Menschen einschlagen sollten, die zwar zuallererst den Fortschritt wünschen, deren Denken aber hinsichtlich der Kunst falsch ist. Sie können sie sicher fragen: Was sollen wir tun, wenn all das erreicht ist, wonach Sie (und wir) uns so sehnen?

Dieser große Wandel, für den wir, jeder auf seine Art, arbeiten, wird wie andere auch heimlich kommen und da sein, bevor wir ihn bemerken; aber stellen wir uns vor, dass dieser Wandel schnell und dramatisch vollzogen ist und von allen gerecht empfindenden Menschen anerkannt und begrüßt wird; was sollen wir dann tun, wenn wir nicht wieder von vorn damit anfangen wollen, neue Hindernisse anzuhäufen, mit denen sich die nachfolgenden Zeiten abplagen müssen? Wenn wir uns von dem Mast abwenden, an dem die neue Fahne gerade hochgezogen wurde, wenn wir weggehen und dabei noch der Ton der Posaunen nachklingt, die die neue Ordnung der Dinge verkündet haben, wohin werden, wohin müssen wir uns dann wenden?

Wohin sonst als zu unserer Arbeit, zu unserem Alltagswerk?

Womit aber sollen wir es verschönern, wenn wir ganz frei und vernünftig geworden sind? Es ist notwendige Mühe, aber sollte es nur Mühe sein? Sollten wir nur die Stunden dieser Mühe aufs äußerste begrenzen können, damit die Freizeit weit über das hinausreicht, was lehmbau malisich die Menschen jemals erhofften? Und wenn wir alle Mühe für lästig halten, was sollen wir dann mit der Freizeit anfangen? Sollten wir sie ganz verschlafen? In diesem Fall sollten wir das tun – und hoffentlich nie wieder aufwachen.
Was sonst sollten wir also tun? Was sollten die Stunden, die wir notgedrungen auf die Arbeit verwenden, für uns bringen?
Diese Frage werden sich alle Menschen an dem Tag stellen müssen, an dem viele Übel beseitigt sind und an dem es keine erniedrigten Klassen mehr gibt, denen man die Schmutzarbeit aufbürden kann. Wenn dann das Denken der Menschen immer noch falsch ist und sie die Künste verabscheuen, dann werden sie diese Frage nicht beantworten können.
Früher lebten die Menschen unter quälenden Despotien, inmitten von Gewalt und in so großer Furcht, dass wir uns heute darüber wundern, wie sie das vierundzwanzig Stunden lang aushalten konnten, bis wir daran denken, dass damals, wie heute auch, ihre tägliche Arbeit den Hauptteil ihres Lebens ausmachte und dass diese tägliche Arbeit durch die tägliche Schöpfung von Kunst versüßt wurde. Sollen denn wir, die von den Übeln, die sie ertragen mussten, erlöst sind, trübseliger leben als sie? Sollten Menschen, die so viele Despotien hinter sich gelassen haben, sich an eine weitere binden, Sklaven der Natur werden und Tag für Tag in hoffnungsloser, sinnloser Mühe verbringen? muss sich das Leben denn immer noch verschlimmern, bis schließlich die Welt, die alle Feinde besiegt und nichts mehr zu überwältigen hat, sich entschließt, bis ans Ende der Tage inmitten finsterer Hässlichkeit zu arbeiten? Wie wären dann all unsere Hoffnungen enttäuscht, in was für einen Abgrund der Verzweiflung würden wir dann hinabstürzen!
In Wirklichkeit kann das nicht sein; doch wenn jene Krankheit, diese Abneigung gegenüber den Künsten, aussichtslos so weiter bestehen würde, dann wäre es so, und der Untergang jener Liebe zur Schönheit und Phantasie würde sich als Untergang der Zivilisation erweisen.
die-alte-kirche-von-petaejaevesiEines Tages aber wird die Welt diese Krankheit abschütteln, obwohl sie, wie ich glaube, dabei viele Schmerzen durchstehen muss, von denen einige den Todeskämpfen der Kunst sehr ähnlich sehen und andere vielleicht den armen Menschen dieser Welt sehr schwer fallen werden; ich befürchte jedenfalls, dass die unnachgiebige Notwendigkeit eher manche Veränderung in dieser Welt bewirkt als das kurzsichtige Bemühen, etwas zu erkennen, das wir die menschliche Voraussicht nennen.

Erinnern Sie sich bitte: ich fragte eben, was mit der Kunst oder mit uns nicht in Ordnung ist, da uns diese Krankheit befallen hat. Mit der Kunst im allgemeinen ist nichts falsch und kann es nicht sein; sie muss immer gut für die Menschheit sein, andernfalls würden wir alle uns irren. Aber bei der Kunst, wie wir sie in der letzten Zeit kennengelernt haben, liegt viel im Argen; wozu wären wir heute abend hier, wenn das nicht der Fall wäre? Wurden nicht die Kunstschulen überall im Land vor etwa dreißig Jahren gegründet, weil wir bemerkten, dass die populäre Kunst verschwand – oder vielleicht schon verschwunden war?
Es ist schwer für mich, über den Fortschritt, der seither in diesem Land – und nur in diesem Land, wenn überhaupt – gemacht wurde, zu sprechen, ohne entweder schroff oder unaufrichtig zu sein, und dennoch muss ich es aussprechen. Zwar ist ein scheinbarer äußerlicher Fortschritt in einigen Dingen unbestreitbar, aber mir ist unklar, inwieweit er zu Hoffnungen berechtigt, denn die Zeit muss ihn erproben und uns zeigen, ob er nur eine vorübergehende Mode war oder aber das erste Zeichen einer wirklichen Bewegung unter der großen Menge zivilisierter Menschen. Ehrlich gesagt und unter Freunden, diese Worte scheinen mir, schon während ich sie ausspreche, zu gut, um wahr zu sein. Und dennoch, wer weiß? Obwohl wir so daran gewöhnt sind, die Zukunft wie die Vergangenheit auszumalen, waren unsere Augen doch ebenso oft blind, wenn wir zurück oder nach vorne blicken, weil wir so gespannt auf unsere eigene Zeit, auf unser eigenes Schicksal gestarrt haben. Möge jedenfalls alles besser werden, als ich glaube!
Lasst uns unseren Gewinn berechnen und ihm die weniger hoffnungsvollen Zeichen der Zeit gegenüberstellen. In England – und, soviel ich weiß, allein in England – wurden die Maler, wie mir scheint, zahlreicher und sicherlich bewusster in ihrer Arbeit, und in einigen Fällen haben sie – und dies ganz besonders in England – ein Gefühl für Schönheit entwickelt und ausgedrückt, das die Welt seit dreihundert Jahren nicht mehr gesehen hat. Das ist sicherlich ein sehr großer, nicht leicht zu überschätzender Gewinn, und zwar sowohl für den Maler als auch für den Betrachter.
Außerdem haben sich in England, und nur in England, die Architektur und die sie begleitenden Künste sehr verbessert – der letzteren haben sich die vorher erwähnten Schulen angenommen, um sie zu beleben und zu fördern. Auch das ist ein beträchtlicher Gewinn für die Benutzer der so hergestellten Werke, aber, fürchte ich, ein weniger bedeutender Gewinn für die meisten Hersteller dieser Gegenstände.
Diesem Gewinn müssen wir bedauerlicherweise die nicht leicht zu berechnende Tatsache gegenüberstellen, dass der Rest der sogenannten zivilisierten Welt in dieser Angelegenheit kaum mehr getan zu haben scheint als auf der Stelle zu treten; und dass bei uns diese Verbesserungen nur relativ wenig Menschen betroffen haben, so dass der Großteil unserer Bevölkerung nicht im geringsten von ihnen berührt wurde, mit dem Ergebnis, dass die Masse unserer Architektur – jener Kunst, die am meisten auf den Geschmack des ganzen Volkes angewiesen ist – tagtäglich schlechter wird.
Art for the peopleBevor ich weitergehe, muss ich noch ein zusätzliches entmutigendes Moment erwähnen. Viele von Ihnen werden sich wohl noch daran erinnern, wie eindringlich jene, die zuerst mit der Bewegung zu tun hatten, von der die Gründung unserer Kunstschule ein Teil war, die Aufmerksamkeit unserer Musterzeichner auf die schönen Werke des Ostens lenkten. Das war sicher eine sehr gute Entscheidung, denn sie baten uns, eine Kunst zu beachten, die sowohl schön, methodisch, lebendig und vor allem populär war. Es ist nun ein trauriges Ergebnis jener Krankheit der Zivilisation, dass diese Kunst angesichts des Vorrückens der westlichen Eroberung und seines Handels schnell verschwindet, und zwar täglich schneller. Während wir hier in Birmingham zusammengekommen sind, um die Verbreitung der Kunsterziehung zu fördern, sind zur selben Zeit Engländer in Indien tatkräftig dabei, in ihrer Kurzsichtigkeit die Quellen genau jener Erziehung zu zerstören – Juwelierarbeit, Metallhandwerk, Töpferei, Kalikodruck, Brokatweberei, Teppichwirken –, all diese berühmten und historischen Künste der großen Halbinsel werden seit langem als so unwichtig betrachtet, dass sie für den Vorteil jedes belanglosen Schrotts des sogenannten Handels beiseite geschoben wurden. Jetzt gehen die Dinge dort schnell ihrem Ende entgegen. Einige von Ihnen haben vermutlich die Geschenke gesehen, die die eingeborenen Prinzen dem Prince of Wales überreichten, als er Indien bereiste. Ich selbst habe sie gesehen, ich will nicht sagen mit großer Enttäuschung, denn ich dachte mir schon, wie sie aussehen würden, aber doch mit großem Kummer, denn unter diesen teuren Geschenken, die als große Schätze übergeben wurden, war kaum hier und da ein Stück, das den alten Ruhm jener Wiege der Handwerkskunst ahnen ließ. In einigen Fällen wäre es sogar, wenn es nicht so traurig wäre, lächerlich gewesen, die klägliche Schlichtheit zu sehen, mit der das eroberte Volk die leere Rohheit seiner Herren kopiert hat. Und diesen Verfall fördern wir gerade jetzt tatkräftig, wie ich sagte. Ich las ein kleines Buch (jetzt Teil des »Handbook of Indian Art«, von Dr. – jetzt Sir George – Birdwood, veröffentlicht vom Science and Art Department), ein Handbuch für den indischen Hof auf der letztjährigen Pariser Ausstellung, das den Zustand der Gewerbe in Indien eins nach dem andern durchgeht. Man würde sie »Kunstgewerbe« nennen; aber in Wirklichkeit sind oder waren alle Gewerbe »Kunstgewerbe«.
Dr. Birdwood, der Autor dieses Buches, ein Wissenschaftler und Liebhaber der Künste, ist sehr erfahren in indischen Angelegenheiten. Seine Geschichte, nicht überraschend für mich oder andere, die sich für den Osten und seine Arbeit interessieren, ist wirklich traurig. Die eroberten Völker geben in ihrer Hoffnungslosigkeit überall die authentische Ausübung ihrer eigenen Künste auf, die, wie wir wissen und wie wir laut verkündet haben, auf den wahrsten und natürlichsten Grundsätzen beruhen. Die oft gelobte Vollkommenheit dieser Künste ist die Krönung vieler Jahrhunderte voll Arbeit und Veränderung, aber die eroberten Völker werfen sie als wertlos fort, um sich der minderwertigen Kunst oder eher der Kunstlosigkeit ihrer Eroberer anzupassen. In einigen Gegenden des Landes sind die authentischen Künste so gut wie zerstört, in vielen anderen beinahe, und in allen fangen sie mehr oder weniger an zu kränkeln. Die Regierung fördert sogar seit geraumer Zeit diesen Verfall. Zum Beispiel lässt die Regierung billige indische Teppiche in den indischen Gefängnissen herstellen, zweifelsohne mit den besten Absichten und sicher in voller Übereinstimmung mit der englischen Öffentlichkeit sowohl hier als auch in Indien. Ich würde nicht sagen, dass es schlecht ist, echte Werke, Kunstwerke in Gefängnissen herzustellen; ich halte es sogar für gut, wenn man es richtig macht. Aber in diesem Fall hat sich die Regierung, wie gesagt in voller Übereinstimmung mit der englischen Öffentlichkeit, dazu entschlossen, billige Waren herstellen zu lassen, unabhängig davon, ob sie nun hässlich sind oder nicht. Und ich versichere Ihnen, sie sind wirklich billig und hässlich. Aber obwohl sie das Schlechteste ihrer Art sind, würden sie nicht so gemacht werden, wenn nicht alles in dieselbe Richtung liefe. Überall und mit allen indischen Gewerben ist es dasselbe, so dass es so weit gekommen ist, dass diese armen Menschen auch den einen Wert, den einen Ruhm verloren haben, den ihnen die Eroberung noch gelassen hatte. Ihre berühmten Waren, die von denen so gelobt wurden, die vor dreißig Jahren die Erneuerung unserer eigenen Volkskunst anstrebten, sind nicht mehr zu vernünftigen Preisen auf den gewöhnlichen Märkten zu kaufen, sondern müssen aufgespürt und als wertvolle Relikte in Museen verwahrt werden, die zu unserer Kunsterziehung gegründet wurden. Kurz, ihre Kunst ist tot, und es war der Kommerz der modernen Zivilisation, der sie erschlagen hat.

Was in Indien vor sich geht, geschieht auch mehr oder weniger überall im Osten; aber ich habe hauptsächlich über Indien gesprochen, weil ich nicht umhin kann zu denken, dass wir selbst dafür verantwortlich sind, was dort passiert. Der Zufall hat uns dort zu Herrschern über Millionen gemacht; wir müssen uns mit Sicherheit darum kümmern, sonst geben wir den Menschen, die wir hilflos gemacht haben, Steine statt Brot.
Aber da die Kunst weder dort noch irgendwo sonst verbessert werden kann, bis die führenden Länder selbst einen normalen Zustand erreicht haben, so lassen Sie uns zur Betrachtung ihrer Situation bei uns zurückkehren. Und ich sage nochmals, dass, wie offensichtlich auch die äußerliche Verbesserung der Künste in den letzten paar Jahren ist, ich doch sehr befürchte, dass etwas mit der Wurzel der Pflanze nicht stimmt und dass es verfrüht ist, über das Ausbrechen ihrer Februarknospen zu jubeln.

Ich habe Ihnen gerade dargelegt, dass die Liebhaber der indischen und orientalischen Kunst, zu denen die Leiter unserer Institutionen der Kunsterziehung und sicherlich viele Mitglieder der sogenannten herrschenden Schichten zählen, völlig machtlos sind und den Niedergang dieser Kunst nicht aufhalten können. Die allgemeine Tendenz der Zivilisation steht ihnen entgegen und ist zu stark für sie. Und obwohl viele unter uns die Architektur sehr lieben und meinen, dass die Gesundheit des Körpers und der Seele unterstützt wird, wenn man inmitten schöner Dinge lebt, sind wir Großstädter doch meist dazu gezwungen, in Häusern zu leben, die für ihre Hässlichkeit und Unbequemlichkeit verschrien sind. Der Strom der Zivilisation ist gegen uns, und wir können nicht dagegen ankämpfen.
Und weiter jene opferbereiten Menschen, die den Anspruch der Wahrheit und Schönheit bei uns hochgehalten haben und deren Bilder, entstanden unter Schwierigkeiten, die nur ein Maler ermessen kann, geistige Qualitäten zeigen, die von keinem Zeitalter übertroffen werden – diese großartigen Menschen haben nur einen kleinen Kreis, der ihre Werke versteht, und sie sind den Leuten im allgemeinen ganz und gar unbekannt. Die Zivilisation ist so sehr gegen sie, dass sie das Volk nicht bewegen können. Daher kann ich, wenn ich all das sehe, nicht glauben, dass die Wurzel des Baumes, den wir pflegen, ganz gesund ist. Ich glaube tatsächlich, dass diese vorhin erwähnte Verbesserung, für den Fall, dass alles andere in der Welt stehen bliebe, zu so einer Kunst führen würde, die, in diesem unmöglichen Fall, in etwa beständig wäre und vielleicht auch stehen bliebe. Das wäre eine Kunst, die erklärtermaßen von einigen wenigen für einige wenige kultiviert würde, die es für notwendig erachten. würden – für eine Pflicht, wenn sie Pflichten anerkennen könnten –, die gewöhnliche Masse zu verachten, über allem zu schweben, für das die Welt seit ihrem Beginn gekämpft hat, und jede Annäherung an ihren Kunstpalast sorgfältig abzuwehren. Es wäre erbärmlich, über die Aussicht auf so eine Schule der Kunst viele Worte zu verschwenden, die in gewisser Weise, zumindest theoretisch, gegenwärtig existiert und die eine Redensart als Motto hat, die nicht so harmlos ist, wie sie scheint: Kunst um der Kunst willen. Ihr vorherbestimmtes Ende wird kommen, denn diese Kunst wird sich schließlich als ein zu zartes Ding erweisen, als dass selbst die Eingeweihten mit ihr umgehen könnten; schließlich werden die Eingeweihten dasitzen müssen und nichts tun – was auch niemand bedauern wird.
Wenn ich gedacht hätte, dass Sie hierher gekommen sind, um so eine Kunst zu fördern, dann hätte ich sicher nicht hier stehen und Sie nicht Freunde nennen können; obwohl man ein so mattes Völkchen, wie ich es Ihnen geschildert habe, auch kaum Feinde nennen bräuchte.
Dennoch gibt es solche Menschen, wie gesagt, und ich habe Sie mit der Rede über sie belästigt, weil ich weiß, dass jene aufrichtigen und intelligenten Leute, die den menschlichen Fortschritt dringend wünschen und dennoch einen Teil der menschlichen Sinne vermissen lassen und antikünstlerisch eingestellt sind, solche Leute für Künstler halten und darin die Bedeutung der Kunst und ihre Wirkung auf die Menschen sehen, und dass sie glauben, dass wir Handwerker auch auf so ein enges, schwachmütiges Leben aus sind. Ich bemerke ständig, dass viele, die es ehrlich gesagt besser wissen müssten, dies für ausgemacht halten; ich will uns endlich von diesem Vorwurf befreien und den Leuten klarmachen, dass wir am wenigsten von allen die Kluft zwischen den Klassen vertiefen, oder noch schlimmer, neue Klassen der Erhabenheit oder der Erniedrigung, neue Herren und neue Sklaven schaffen wollen; dass wir am wenigsten von allen »die menschliche Pflanze« in verschiedene Richtungen, hier dürftig, dort verschwenderisch, züchten wollen. Ich wünsche mir, dass die Leute wissen, dass die von uns beabsichtigte Kunst eine gute Sache ist, an der alle Anteil haben können und die alle weiterbringen wird; wenn nicht bald alle Leute an ihr Anteil haben, dann wird es wirklich bald für niemanden mehr eine Kunst geben; wenn nicht alle durch sie gefördert werden, dann wird die Menschheit auch das bisher Erreichte verlieren. Die von uns ersehnte Kunst ist auch nicht bloß ein Traum; so eine Kunst lebte früher einmal, in Zeiten, die schlimmer als die heutigen waren, als es weniger Mut, Freundlichkeit und Wahrheit gab als heute; und in Zukunft wird es wieder so eine Kunst geben, wenn mehr Mut, Freundlichkeit und Wahrheit in der Welt sein werden als gegenwärtig.

Lassen Sie uns noch einmal kurz in die Geschichte blicken, bevor meine Rede mit einem Ausblick zu Ende geht. Ich sagte zu Beginn, dass ein Teil des üblichen und notwendigen Rats an Kunststudierende darin besteht, das Studium des Altertums zu empfehlen; und sicher haben viele von Ihnen, wie ich selbst, diesen Rat befolgt, haben zum Beispiel die Säle des bewundernswerten Museums in South Kensington durchstreift, und wurden, wie ich selbst, angesichts der Schönheit, die der menschliche Geist erfunden hat, von Staunen und Freude ergriffen. Nun bedenken Sie bitte, was diese wundervollen Werke sind und wie sie hergestellt wurden; und wenn ich für sie das Wort »wundervoll« gebrauche, dann geschieht das wirklich weder aus Übertreibung noch ohne Rücksicht auf seine Bedeutung.
Diese Dinge sind nun schlicht die gewöhnlichen Haushaltsgeräte jener vergangenen Tage, und das ist der Grund dafür, dass sie so selten sind und so sorgfältig gehütet werden. In ihrer Zeit waren sie gewöhnliche Dinge, die ohne Furcht, sie zu zerbrechen oder zu beschädigen, benutzt wurden, sie waren damals keine Raritäten – und trotzdem haben wir sie »wundervoll« genannt.
Und wie wurden sie hergestellt? Wurden diese Gegenstände und Muster von einem großen Künstler entworfen, von einem hochgebildeten Menschen, glänzend bezahlt, mit Delikatessen verpflegt, sorgfältig untergebracht, in baumwollene Kleider gehüllt, kurz, von einem Menschen, der dabei nicht arbeitete? Keineswegs. Diese so wundervollen Werke wurden von »kleinen Leuten«, wie man sagt, gemacht, und zwar bei ihrer täglichen Arbeit. Solche Menschen ehren wir, wenn wir jene Werke hochschätzen. Und glauben Sie, dass ihnen ihre Arbeit lästig vorkam? Diejenigen von Ihnen, die Künstler sind, wissen sehr gut, dass sie nicht lästig war, dass sie es nicht sein konnte. So mancher Strahl der Freude fiel, dessen bin ich sicher, und Sie werden mir nicht widersprechen, auf die Ausführung jener Labyrinthe von geheimnisvoller Schönheit, auf die Erfindung jener seltsamen Tiere, Vögel und Blumen, über die auch wir uns insgeheim gefreut haben in South Kensington. Zumindest während ihrer Arbeit waren diese Menschen nicht unglücklich, und ich nehme an, dass sie wie wir an den meisten Tagen und den größten Teil des Tages gearbeitet haben. Oder was sind jene Schätze der Architektur, die wir neuerdings so sorgfältig studieren, wie wurden sie gemacht? Unter ihnen sind allerdings großartige Dome und Paläste von Königen und Herrschern, jedoch nicht viele; wie vornehm und ehrfurchtseinflößend sie auch sein mögen, so unterscheiden sie sich doch nur in der Größe von der kleinen grauen Kirche, die noch so häufig die gewöhnliche englische Landschaft verschönert, und von dem kleinen grauen Haus, das, in einigen Teilen des Landes wenigstens noch, ein englisches Dorf etwas Besonderes werden lässt, das alle zum Betrachten und Nachdenken einlädt, die Romantik und Schönheit lieben. Aus diesen Häusern, die von normalen Menschen bewohnt wurden, und aus den unauffälligen Kirchen, in denen sie ihren Gottesdienst abhielten, besteht der Hauptteil unserer architektonischen Schätze.

Und, um noch einmal zu fragen, wer entwarf und schmückte sie? Der große Architekt, der vorsorglich für diesen Zweck unterhalten und vor den alltäglichen Schwierigkeiten einfacher Leute behütet wurde? Keineswegs.
Manchmal war es vielleicht der Mönch, des Landarbeiters Bruder; am häufigsten sein anderer Bruder, der Dorfzimmermann, der Schmied, der Maurer und wer nicht noch alles – »ein kleiner Mann«, der in seiner normalen, alltäglichen Arbeit Werke schuf, die heute so manchen fleißigen, »gebildeten« Architekten zum Staunen und zur Verzweiflung bringen. Hat er etwa seine Arbeit gehasst? Das ist wohl unmöglich. Ich habe, wie die meisten von uns, solche Menschen in irgendeinem abgelegenen Dorf bei der Arbeit gesehen, wo selbst heute kaum jemals Fremde vorbeikommen und dessen Bewohner sich selten fünf Meilen von ihrer Haustür entfernen. An solchen Orten habe ich so feine, so sorgfältig ausgeführte und so erfindungsreiche Arbeit gesehen, dass nichts in dieser Art besser sein könnte. Und ich erkläre, ohne Widerspruch zu befürchten, dass kein menschlicher Scharfsinn solch ein Werk hervorbringen kann, ohne Freude zu empfinden, die an seinem Zustandekommen so beteiligt ist wie das planende Gehirn und die gestaltende Hand. Solche Werke sind auch alles andere als selten. Der Thron des großen Plantagenets oder des großen Valois wurde nicht feinfühlender geschnitzt als die Bank des dörflichen Messdieners oder die Truhe der bäuerlichen Hausherrin. Daraus ersehen Sie, dass viel getan wurde, um das Leben in diesen Tagen erträglich zu machen. Sie können sicher sein, dass nicht jeden Tag Mord und Totschlag herrschten, obwohl sich die Geschichte so liest; aber täglich klang der Amboss unter dem Hammerschlag, umspielte der Meißel den Eichenbalken, und immer kam irgendeine Schönheit oder eine neue Idee dabei heraus, und folglich irgendeine Freude für die Menschen.

Diese Worte führen mich zum eigentlichen Kern dessen, was ich Ihnen sagen will, und ich bitte Sie, es ernsthaft zu bedenken – nicht, weil ich es sage; sondern als einen Gedanken, der sich schon regt und aus dem eines Tages etwas werden wird.
Ich verstehe unter wirklicher Kunst den Ausdruck, den der Mensch seiner Freude an der Arbeit gibt. Ich glaube nicht, dass er bei seiner Arbeit glücklich sein kann, ohne dieses Glück auszudrücken; und das ist besonders dann der Fall, wenn er an irgendetwas arbeitet, was er besonders gut kann. Diese Freude ist ein äußerst freundliches Geschenk der Natur, da alle Menschen oder vielmehr, so scheint es, auch alle Dinge arbeiten müssen; daher hat nicht nur der Hund Freude am Jagen, das Pferd am Galoppieren und der Vogel am Fliegen, sondern wir bilden uns, da der Gedanke uns so natürlich erscheint, ein, dass selbst die Erde und die Elemente sich freuen, ihr zugeteiltes Werk zu tun; und die Dichter haben uns von lächelnden Frühlingsauen, vom lustig flackernden Feuer und vom endlosen Lachen der Brandung erzählt.
Erst in letzter Zeit hat der Mensch dieses universelle Geschenk zurückgewiesen; früher dagegen war er immer, falls er nicht zu sehr durcheinander gebracht, vor Krankheit befallen oder von Sorgen niedergeschlagen war, bestrebt, wenigstens seine Arbeit angenehm zu gestalten. Schmerz war ihm zu oft bei seinem Vergnügen begegnet und Langeweile bei seiner Rast, als dass er ihnen vertrauen konnte. Warum sollte er sein Glück also nicht in dem suchen, was ihn immer begleiten musste – in seiner Arbeit? Und ich frage noch einmal: Sollten wir, die so viel gewonnen haben, auf diesen frühesten, natürlichsten Gewinn der Menschheit verzichten? Welch seltsame Irrlichter müssen uns geführt haben, wenn wir das zum Großteil, wie ich sehr befürchte, getan haben; oder lassen Sie mich eher sagen: Wie sehr müssen wir unter den Kampf mit den Übeln, die wir besiegt, gelitten haben, dass wir das größte aller Übel darüber vergessen haben.
Wenn ein Mensch Arbeit tun muss, die er verachtet und die sein natürliches und berechtigtes Verlangen nach Freude nicht erfüllt, dann muss der größte Teil seine Lebens unglücklich und ohne Selbstachtung sein. Ich bitte Sie, bedenken Sie, was das heißt und welch ein Ruin schließlich daraus folgen muss.
Wenn ich Sie nur davon überzeugt hätte, dass die Hauptaufgabe der zivilisierten Welt heute darin besteht, die Arbeit für alle befriedigend zu machen und das äußerste zu tun, um die Menge an unbefriedigender Arbeit zu reduzieren – nein, wenn ich nur zwei oder drei von Ihnen davon überzeugt hätte, dann hätte ich schon gute Arbeit geleistet.
Suchen Sie auf keinen Fall wegen einer bösen Ahnung, die Sie haben mögen, bei der Täuschung Zuflucht, dass die heutige kunstlose Arbeit glücklich mache; für die meisten Menschen ist das nicht so. Es würde vielleicht lange dauern, Ihnen zu demonstrieren und voll verständlich zu machen, dass die angebliche Kunst, die sie hervorbringt, freudlos ist. Aber es gibt einen anderen leicht einsehbaren Beweis dafür, dass sie äußerst unbefriedigende Arbeit ist; es ist eine traurige Angelegenheit, und ich bitte Sie, mir zu glauben, dass ich die ganze Schande dieser Sache spüre, während ich hier darüber spreche; aber wenn wir nicht zugeben, dass wir krank sind, wie können wir dann geheilt werden? Dieser traurige Beweis besteht darin, dass die von der zivilisierten Welt verrichtete Arbeit hauptsächlich betrügerische Arbeit ist. Sehen Sie: Ich gebe zu, dass die Zivilisation gewisse Dinge gut macht, Dinge, von denen sie bewusst oder unbewusst weiß, dass sie für ihren gegenwärtigen ungesunden Zustand notwendig sind. Diese Dinge sind, kurz gesagt, hauptsächlich Maschinen, um den Wettbewerb im Kaufen und Verkaufen, der fälschlicherweise Handel genannt wird, fortzuführen, und Maschinen zur gewalttätigen Zerstörung des Lebens – das heißt Waffen für zwei Arten von Kriegen, von denen der letztere zweifelsohne der schlimmere ist, vielleicht nicht einmal an sich, sondern weil das Bewusstsein der Welt in dieser Frage anfängt, etwas empfindlich zu werden. Aber was andererseits die Dinge betrifft, die man für ein würdiges tägliches Leben braucht, für ein Leben von wechselseitigem Vertrauen, Geduld und gegenseitiger Hilfe, das das einzig wahre Leben für denkende Menschen ist, so macht die zivilisierte Welt diese Dinge schlecht, und sogar zunehmend schlechter und schlechter.

Damit spreche ich, wie Sie wohl wissen, nur das aus, was von vielen gedacht, was sogar auch von vielen gesagt wird. Lassen Sie mich ein ganz und gar vertrautes Beispiel für diese verbreitete Ansicht anführen. Es gibt jetzt ein sehr cleveres Buch mit Bildern (die ursprünglich in Fun veröffentlicht wurden) an den Bahnhofskiosken zu kaufen, das sich »Der britische Arbeiter, verfasst von einem, der nicht an ihn glaubt« nennt – ein Titel und ein Buch, die mich wütend und zugleich beschämt machen, weil sie sehr ungerecht sind und nicht die geringste Wahrheit in ihrer absonderlichen und unvermeidlich übertreibenden Art ausdrücken.
Es trifft ziemlich zu und ist sehr traurig festzustellen, dass derjenige, der heutzutage eine gewöhnliche Arbeit vom Gärtner, Zimmermann, Maurer, Färber, Weber, Schmied oder sonst jemanden ausgeführt haben möchte, ein seltener Glückspilz ist, falls er es gut gemacht bekommt. Er wird im Gegenteil überall auf das Umgehen offensichtlicher Pflichten und auf Missachtung der Rechte anderer stoßen. Doch kann ich nicht einsehen, warum der »britische Arbeiter« das ganze Maß oder den Hauptteil dieses Tadels verdienen sollte.
Ich bezweifle, dass es für eine große Menge Menschen möglich wäre, eine Arbeit zu tun, zu der sie getrieben werden und in der weder Hoffnung noch Freude ist, ohne dass sie versuchen würden, sich davor zu drücken – jedenfalls hat man sich unter solchen Umständen immer davor gedrückt. Andrerseits weiß ich, dass einige Menschen so aufrichtig sind, dass sie trotz Verdruss und Hoffnungslosigkeit ihre Arbeit gut machen werden.
Diese Menschen sind das Salz der Erde. Aber muss nicht etwas mit einem Gesellschaftszustand nicht in Ordnung sein, der diese Menschen zu bitterem Heroismus treibt und die meisten zur Drückebergerei, in den Abgrund einer oft nur halbbewussten Selbstverachtung und Erniedrigung? Seien Sie sicher, dass etwas nicht stimmt; und dass die heutige blinde und hastende Zivilisation einer massiven Anklage wegen dieses enormen Berges von freudloser Arbeit gegenübersteht – wegen einer Arbeit, die jede Faser des Körpers und jede Gehirnzelle in Anspruch nimmt, und die ohne Freude und ohne Ziel getan wird – wegen einer Arbeit, die jeder, der mit ihr in Berührung kommt, so schnell, wie die Furcht vorm Verhungern oder vorm Ruin es ihm erlaubt, abzuschütteln versucht.
Einer Sache bin ich so sicher wie der Tatsache, dass ich lebe und atme, und die ist: dass der Betrug bei den alltäglichen Verrichtungen, über den Beschwerden in aller Mund sind, die ich verstehen kann, weil er existiert, das natürliche und unausweichliche Ergebnis einer Welt ist, die mit kommerziellem Krieg und Krieg auf dem Schlachtfeld beschäftigt ist und die vergessen hat – das sage ich von allen Menschen, von jedem einzelnen, dass sie vergessen haben, dass die Natur nach Freude an unserer täglichen Arbeit verlangt.
Daher sage ich nochmals, dass es für den weiteren Fortschritt der Zivilisation notwendig ist, dass die Menschen über Wege nachdenken, wie erniedrigende Arbeit begrenzt und schließlich ganz abgeschafft werden kann.

Ich glaube nicht, dass meine bisher gesprochenen Worte Ihnen Gelegenheit gegeben haben anzunehmen, dass ich damit schwere oder harte Arbeit meine; ich bejammere nicht sehr die Mühen der Menschen, zumal wenn sie verteilt auftreten, ich meine, wenn sie nicht systematisch nur eine Klasse oder einen Stand treffen.
Ich glaube auch nicht (ich wäre sonst verrückt oder ein Träumer), dass die Aufgaben, die die Welt stellt, ohne harte Arbeit erledigt werden können. Aber ich habe genug davon gesehen, um zu wissen, dass sie keinesfalls erniedrigend sein muss. Die Erde zu pflügen, das Netz auszuwerfen, die Herde zu hüten – diese und ähnliche Beschäftigungen, die gewiss hart und schwierig sind, sind für die Besten unter uns gut genug, eine gewisse Freizeit, Freiheit und ausreichender Lohn vorausgesetzt.
Was die Maurer, Steinmetze und so weiter betrifft – sie wären Künstler und würden nicht allein notwendige, sondern auch schöne und deswegen beglückende Arbeit tun, wenn die Kunst nur annähernd das wäre, was sie sein sollte. Es ist nicht solche Arbeit, die wir aus der Welt schaffen müssen, sondern die Schinderei, die jene tausendundeins Dinge produziert, die niemand braucht und die nichts als Spielmarken für den Wettbewerb im Kaufen und Verkaufen sind, der fälschlich Handel genannt wird und von dem ich vorhin sprach; ich weiß aus dem Grund meines Herzens und nicht nur verstandesmäßig, dass diese Schinderei danach schreit, abgeschafft zu werden. Was darüber hinaus jene Arbeit betrifft, die heutzutage an sich gute und nützliche Dinge herstellt, die bloß für den kommerziellen Krieg missbraucht werden, so muss sie reguliert und reformiert werden. Diese Reform kann durch nichts anderes als durch die Kunst zustande gebracht werden. Wenn wir nur zur Besinnung kommen und die Notwendigkeit, ich wiederhole: die Notwendigkeit erkennen könnten, die Arbeit für alle Menschen angenehm zu machen, was sie jetzt nur für wenige ist, wenn wir, damit die ganze Gesellschaft nicht schließlich von Unbehagen, Unruhe und Verzweiflung verschlungen wird, mit klarem Blick nur einige Dinge opfern würden, die uns nichts Gutes tun, da wir sie unberechtigter Weise und besorgt besitzen, dann, glaube ich, würden wir wirklich die Saat eines noch nicht da gewesenen Glücks, einer Ruhe und Zufriedenheit säen, die die Welt zu so einem Ort machten, zu dem sie, ich kann nicht umhin, das zu denken, vorherbestimmt war. Und mit dieser Saat wäre gleichzeitig die Saat der wirklichen Kunst, durch die der Mensch die Freude an seiner Arbeit ausdrückt, gesät – eine Kunst, die vom Volk und für das Volk gemacht wird und den Hersteller wie den Verwender erfreut.
Das ist überhaupt die einzige wirkliche Kunst, die einzige Kunst, die den Fortschritt der Welt fördern und nicht behindern wird. Auch kann ich nicht ernstlich bezweifeln, dass Sie in Ihrem tiefsten Inneren wissen, dass das so ist, jedenfalls alle unter Ihnen, die ein Gefühl für Kunst haben. Ich glaube, dass Sie darin mit mir übereinstimmen, auch wenn Sie in vielen Dingen, die ich sagte, anderer Meinung sein mögen. Ich bin mir sicher, dass dies die Kunst ist, deren Wohlergehen wir alle fördern und deren unerlässliche Unterrichtung wir so weit wie möglich verbreiten wollen.

Damit habe ich Ihnen etwas von dem erzählt, was meiner Meinung nach für die Zukunft der Kunst zu erhoffen und zu befürchten ist; und falls Sie mich fragen, was ich als praktisches Ergebnis dieser Behauptung erwarte, dann muss ich sofort erklären, dass mir bewusst ist, dass wir viel Arbeit und viele Hindernisse vor uns haben, selbst wenn wir alle einer Ansicht sein sollten, und der Ansicht, die ich in dieser Angelegenheit für richtig halte; wir bräuchten trotzdem all die Klugheit, die Voraussicht und den Fleiß der Besten unter uns; und selbst dann würde uns unser Pfad manchmal ziemlich dunkel vorkommen. Heutzutage, wo die Ansichten, die wir für richtig halten und die eines Tages allgemein als richtig gelten werden, so schwer zu kämpfen haben, um überhaupt beachtet zu werden, ist es für uns höchste Zeit, einen genauen und deutlich ausgewiesenen Weg zu erkennen. Ich vermute, es wird Ihnen zu banal vorkommen, wenn ich sage, dass die allgemeine Bildung, die die Menschen zum Denken führt, auch eines Tages ein richtiges Denken über Kunst hervorbringen wird. So banal es sich anhört, ich glaube tatsächlich daran, und ich werde wirklich dadurch ermutigt, zumal wenn ich daran denke, wie offensichtlich diese Zeit eine Zeit des Übergangs vom Alten zum Neuen ist und was für ein seltsames Mischmasch, das wir eines Tages überwinden werden, unsere Ignoranz und Halbignoranz vermutlich aus dem erschöpften Schund des Alten und dem rohen Schund des Neuen, die uns beide so nah sind, machen werden.

Aber wenn ich weiter einige Worte, die wie praktische Ratschläge aussehen, sagen muss, dann, glaube ich, ist meine Aufgabe unangenehm, und ich befürchte, dass ich, was immer ich auch sage, einige unter Ihnen verletzen werde; denn dabei geht es in Wirklichkeit eher um Moral als um das, was die Leute landläufig Kunst nennen.
Jedenfalls kann ich nicht übergehen, dass es meiner Meinung nach unmöglich ist, die Kunst von der Moral, Politik und Religion zu trennen. Die Wahrheit in diesen großen, prinzipiellen Angelegenheiten ist eine einzige, und sie kann nur in formalen Abhandlungen in ihre Teile zerlegt werden. Ich muss Sie auch nochmals bitten, daran zu denken, dass, obwohl nur mein Mund spricht, er doch, wie schwach und unzusammenhängend auch immer, die Gedanken vieler Menschen wiedergibt, die klüger sind als ich. Und weiter, dass wir, auch wenn die Dinge sich zum Besten wenden, doch, wie vorhin gesagt, unsere klügsten Köpfe brauchen, damit sie uns den richtigen Weg weisen; trotzdem kann selbst heute, wo wir weit davon entfernt sind, sicherlich auch der Geringste unter uns irgendeinen Dienst für die Sache tun und damit seinem Leben einen Sinn geben.
Daher möchte ich sagen, dass ich glaube, dass das heutige Leben zwei Tugenden sehr nötig braucht, wenn es jemals angenehm werden soll; und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie absolut notwendig sind, um die Entwicklung einer Kunst anzuregen, die vom Volk und für das Volk gemacht wird und die eine Freude für den Hersteller und den Benutzer ist. Diese Tugenden sind Aufrichtigkeit und Einfachheit des Lebens. Um deutlicher zu werden, benenne ich das dem zweiten widersprechende Laster, nämlich den Luxus. Mit Aufrichtigkeit meine ich, dass man jedem Menschen mit Sorgfalt und Freude gibt, was ihm gebührt, und dass man entschlossen ist, keinen Nutzen aus dem Schaden irgendeines Menschen zu ziehen, was meiner Erfahrung nach keine häufige Tugend ist.
Und beachten Sie, dass das Verhalten nach jeweils einer dieser Tugenden uns die andere leichter werden lässt. Denn wenn wir nur wenige Bedürfnisse haben, besteht kaum Gelegenheit, von ihnen zur Ungerechtigkeit getrieben zu werden. Und wenn wir an dem Prinzip festhalten, jedem seinen Teil zu geben, wie könnte es dann unsere Selbstachtung ertragen, wenn wir uns selbst zu viel gäben?
In der Kunst und bei ihrer Vorbereitung, ohne die keine kräftige und wertvolle Kunst existieren kann, das heißt bei der Hebung der bisher erniedrigten Klassen, würde das Einhalten dieser Tugenden eine neue Welt schaffen.
Denn wenn Sie reich wären, würde Ihr einfacher Lebensstil sowohl den fürchterlichen Kontrast zwischen Verschwendung und Mangel lindern, der der große Schrecken zivilisierter Länder ist, als auch ein Maßstab eines würdigen Lebens sein für jene Klassen, die Sie fördern wollen und die den reichen Leuten doch ähnlich genug sind in ihrem Neid und in ihrem Bemühen, den Müßiggang und die Verschwendung nachzuahmen, die der Besitz von viel Geld hervorbringt.

Unabhängig von der moralischen Seite der Angelegenheit, über die ich zu Ihnen sprechen muss, lassen Sie mich sagen, dass, obwohl Einfachheit in der Kunst teuer oder nicht teuer sein kann, sie wenigstens nicht verschwenderisch ist und dass nichts der Kunst mehr schadet als ihr Fehlen. Ich war nie in irgendeinem Haus von reichen Leuten, das nicht besser ausgesehen hätte, wenn man draußen ein Freudenfeuer aus neun Zehnteln seines Inhalts veranstaltet hätte. Mir scheint, dass unser Opfer hinsichtlich des Luxus wirklich gering oder null sein wird. Denn, soweit ich erkennen kann, ist das, was die Leute gewöhnlich darunter verstehen, entweder eine Ansammlung von Besitztümern, die eine schiere Belästigung für ihren Eigentümer sind, oder eine Folge von pompösen Anlässen, die den reichen Mann bei jeder seiner Unternehmungen behindern oder belästigen. Ja, der Luxus kann nicht ohne die eine oder andere Form von Sklaverei existieren, und seine Beseitigung wird wie die Beseitigung anderer Sklavereien, durch die sowohl die Sklaven wie ihre Herren befreit werden, begrüßt werden.
Wenn wir schließlich neben der Einfachheit des Lebens auch die Liebe zur Gerechtigkeit erlangen werden, dann wird alles für den neuen Frühling der Künste bereit sein. Wie können diejenigen unter uns, die Arbeiter beschäftigen, es ertragen, irgendjemandem weniger zu zahlen, als er zu einem bescheidenen Leben braucht, oder weniger Freizeit zu geben, als seine Fortbildung und Selbstachtung verlangen? Oder wie können diejenigen unter uns, die Arbeiter sind, es ertragen, den eingegangenen Vertrag zu missachten oder es notwendig werden zu lassen, dass ein Vorarbeiter herumläuft, um unsere kleinen Tricks und Drückebergereien auszuspionieren? Oder können wir Ladenbesitzer es aushalten, über unsere Waren die Unwahrheit zu sagen, um unsere Verluste jemand anderem aufzuhalsen? Oder wie können wir, die Öffentlichkeit, es ertragen, für irgendetwas Geld auszugeben, das einen Menschen belästigt, einen anderen ruiniert und einen dritten verhungern lässt? Oder, was ich für noch schlimmer halte, wie können wir es ertragen, etwas zu benutzen, und wie können wir uns an einer Sache erfreuen, deren Anfertigung für den Hersteller Qual und Kummer gewesen ist?

Nun habe ich, glaube ich, das gesagt, weswegen ich hierher gekommen bin. Ich gebe zu, dass das alles nichts Neues ist, aber Sie wissen, dass die Erfahrung lehrt, dass eine Sache ständig wiederholt werden muss, bevor irgendeine größere Anzahl von Menschen dazu gebracht werden kann hinzuhören. Betrachten Sie daher meine Worte heute Abend als ein weiteres notwendiges Aussprechen der Gedanken, die ausgesprochen werden müssen.
Schließlich glaube ich, dass ich, wie ernsthaft diesen Worten auch widersprochen werden mag, zu einem Publikum geredet habe, bei dem jedes verantwortungsbewusste und aufrichtige Wort, wie meines war, das Denken anregen und etwas Gutes bewirken wird. Jedenfalls ist es für jemanden, der seinen Mitmenschen ernsthaft gegenübertreten will, eine gute Sache, all das auszusprechen, was ihn wirklich bewegt, damit die Menschen sich weniger fremd sind und damit Missverständnisse, jene Ursache sinnlosen Streits, vermieden werden können.
Doch wenn es irgendeinem von Ihnen so vorgekommen ist, als ob mein Worte ohne Hoffnung wären, dann fehlte es ihnen an Kunst. Sie müssen wissen, dass Hoffnungslosigkeit meinen Mund verschlossen, nicht geöffnet hätte. Ich habe wirklich Hoffnung, aber kann ich für ihr Eintreffen einen Zeitpunkt nennen und sagen, dass es in meinem Leben oder in Ihrem geschehen wird?
Aber wenigstens will ich sagen: nur Mut!, denn wundervolle, unverhoffte, großartige Dinge geschahen sogar in jener kurzen Zeit, die ich am Leben bin.
Diese Zeit ist sicher wundervoll und reich an Veränderungen, die, während sie anhalten und an Kraft gewinnen, eines Tages Besseres für die schweren Tage der Menschen bringen werden, die dann, mit freierem Herzen und wacheren Augen, wieder den Sinn für die offen zutage liegende Schönheit erlangen und sich daran erfreuen werden.
Auch wenn diese Stunden so dunkel sein mögen, wie sie wirklich in vieler Hinsicht sind, so lasst uns wenigstens unterdessen nicht tatenlos dasitzen wie Dummköpfe oder feine Herren, die die gewöhnliche Arbeit für nicht gut genug halten; lassen wir uns nicht von dem Durcheinander unterkriegen; sondern lasst uns stattdessen arbeiten wie gute Leute, die im matten Kerzenschein versuchen, ihre Werkstatt für das morgige Tageslicht in Ordnung zu bringen – für das Morgen, an dem die zivilisierte Welt, die Gier, Streit und Zerstörung hinter sich gelassen hat, eine neue, großartige Kunst haben wird, die vom Volk und für das Volk gemacht ist und den Hersteller wie den Verwender erfreut.


The Art of the People, ein Vortrag vor der Birmingham Society of Arts and School of Design, 19. Februar 1879
Enthalten in: William Morris – Kunst und die Schönheit der Erde, Vier Vorträge über Ästhetik, Stattbuch Verlag, Berlin, 1986

Das Plakat zeigt die Einladung zu einem Vortrag von Morris über das gleiche Thema zehn Jahre später.
Der englische Text The Art of the People in einem Druck im Stil der Kelmscott Press aus Chicago, 1902.

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