Warum nicht?

Auf einer Sitzung der Commons Preservation Society hörte ich einen klugen Sprecher vermuten, dass unsere großen Städte, insbesondere London, dazu bestimmt sind, ohne jede Grenze weiter zu wachsen und die Anwesenden akzeptierten diese Vermutung wohlgefällig; so wie ich glaube, dass es die meisten machen würden. Nun, im gegenwärtigen kapitalistischen System ist schwer etwas zu erkennen, das dieses Wachstum der schrecklichen Lagerplätze aus Ziegelsteinen stoppen könnte; seine eindeutige Tendenz ist es, das Land und die Kleinstädte zugunsten der großen Handels- und Produktionszentren zu entvölkern. Aber dieses Übel – und es ist ein gewaltiges – wäre länger kein notwendiges Übel, wenn wir das Monopol auf Land loswerden könnten, die Produktion für den Profit einzelner und die blödsinnige Verschwendung durch die Konkurrenz im Handel. Es wäre gut möglich, dass es uns mit der Entwicklung der Elektrizität als Triebkraft erleichtert wäre, die mit der kapitalistische Tyrannei gebrachten Übel wieder zu beseitigen – wenn wir unsere Sinne zurückgewinnen und uns entscheiden, wie menschliche Wesen zu leben. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass wir von Kohle und Dampf als Kraftquelle abhängig bleiben, könnte noch viel getan werden um das Leben angenehmer zu machen, wenn allgemeine Kooperation in Produktion und Verteilung den Platz der gegenwärtigen Anarchie durch Konkurrenz einnehmen würde. Mit dem Risiko, als Träumer angesehen zu werden, ist es für uns deshalb so wichtig, unser Ideal der Lebensfreude hochzuhalten: denn eine der Gefahren, in die die soziale Revolution läuft, ist, dass die Generation, die den Fall des Kapitalismus erlebt, so darin erzogen sein wird, die tausend Armseligkeiten des jetzigen Systems zu ertragen, dass sie einen viel zu niedrigen Standard an Kultiviertheit haben und keine wirklichen Vergnügen mehr kennen wird. Es ist nur natürlich, dass Menschen, die niedergedrückt sind und voller Furcht um ihren jetzigen sorgenvollen Lebensunterhalt, nichts anderes vor sich sehen als die Erleichterung von diesem Terror und von der zerreibenden Plackerei. Es wird sicher eine andere Geschichte sein, wenn die Gemeinschaft im Besitz der Maschinen, Fabriken, Bergwerke und des Landes ist und zum Vorteil der Gemeinschaft verwaltet. In der Folge werden die Menschen dann herausfinden, dass die Versorgung mit dem rein Lebensnotwendigen keine so belastende Aufgabe sein wird, als dass da kein Spielraum für ihre Energien bliebe. Wenn das kommen wird, wenn sie in anderen Worten frei sein werden, dann werden sie sich dagegen verwahren, sich mit Hässlichkeiten, Schmutz und Unordnung zu umgeben; weder in ihren Arbeitsstunden, noch in ihrer Freizeit.
Deshalb stellen wir und beantworten wir uns einige Fragen über die Bedingungen der Wirtschaft, um uns einen Zweig des freudvollen Lebens vorzustellen, das sich Sozialisten für die Zukunft erwarten:
Warum werden Menschen in unübersehbaren Scharen zusammengepfercht in den schmorenden Höllen, die wir große Städte nennen?
Um des Profits willen – damit eine Reservearmee der Arbeit immer zur Verfügung ist um nach eiserner Gesetzmäßigkeit die Löhne zu senken und um einen plötzlichen Bedarf der kapitalistischen Spieler – fälschlicherweise „Organisatoren der Arbeit“ genannt – zu versorgen.
Warum werden diese Scharen von Konkurrenten um Existenz-Löhne in miserablen Baracken untergebracht, die für Flat-Head-Indianer eine Schande wären?
Um des Profits willen – niemand würde doch solche Hundehütten sich selbst zuliebe bauen: es ist keine unüberwindbare Schwierigkeit, die Leute in luftigen, freundlich geschmückten Räumen zu beherbergen; ihre Wohnungen nicht nur mit guten öffentlichen Küchen und Baderäumen auszustatten, sondern auch mit schönen Sälen für das gemeinsame Essen und anderes – so wie in den Colleges von Oxford und Cambridge, wo schon der Aufenthalt eine Freude ist.
Warum sollte irgendein Haus oder größeres Wohngebäude, in Appartements oder anders aufgeteilt, ohne freundlichen und großzügigen Garten sein und ohne ein entsprechendes Spielgelände?
Weil der Profit und die Gewinne aus dem Handel es verbieten.
Warum sollte ein Drittel Englands so erstickt und mit Rauch vergiftet sein, dass im größeren Teil Yorkshires (zum Beispiel) es die allgemeine Ansicht sein muss, dass Schafe von Natur aus schwarz sind? Und warum müssen die Flüsse von Yorkshire und Lancashire aus Schmutz und Farbe bestehen?
Der Profit will es so haben: niemand behauptet noch, dass es nicht ein Leichtes wäre, solche Verbrechen gegen ein anständiges Leben zu verhindern. Aber die „Organisatoren der Arbeit“, besser gesagt die „Organisatoren des Drecks“, wissen, dass das nichts einbringt und da sie die meiste Zeit des Jahres sicher auf ihren Landsitzen verbringen, auf Yachten im Mittelmeer oder in den Highlands, wo sie zur Jagd gehen, gefällt ihnen der verrauchte Landstrich vielleicht als Abwechslung, die ihre Phantasien stimuliert bezüglich … nun, wir wollen nicht theologisch werden.
Zu den Fabriken selbst: warum sollte es in ihnen kaum soviel Platz geben, um sich umdrehen zu können? Warum sollten sie, wie im Falle der Webereien, Treibhäuser für Rheumatismus sein? Warum sollten sie solch elende Gefängnisse sein? Die Profitschneiderei erzwingt es, das ist alles: es gibt keinen anderen Grund, warum es nicht ausreichend Platz in ihnen geben sollte, genügend frische Luft, ein Minimum an Lärm, nein – sie könnten sogar auf ihre Art schön sein. Umgeben von Bäumen und Gärten; in vielen Fällen könnten die Erfordernisse der Produktion dazu genützt werden, die Umgebung zu verschönern, z.B. beim Textildruck, der große Wasserreservoire benötigt.
In solchen Fabriken wäre Arbeit nicht nur keine Last, sondern äußerst attraktiv: junge Männer und Frauen würden in der Zeit ihres Lebens, in der sie am meisten nach Vergnügungen suchen in ihre Arbeit gehen wie auf eine Party; es ist ziemlich sicher, dass Arbeit so arrangiert werden könnte dass keine soziale Beziehung reizvoller wäre als die gemeinsame Verrichtung hoffnungsvoller Arbeit: Liebe, Freundschaft, familiäre Zuneigung – alles mag durch sie beschleunigt werden; Freude würde verstärkt und Ärger gemindert.
Woher sollen die materiellen Mittel kommen, um das zu ermöglichen?
Fellow Workers, aus den Millionen des Mehrwerts, der durch die „Organisatoren des Drecks“ aus Eurer Arbeit gepresst wird – aus Euch herausgeholt mithilfe der Anwendung von Werkzeugen und Maschinen, die vom angesammelten Genie aller Zeitalter erfunden wurden, nur um Euch um den Anteil an der Erde, der gemeinsamen Mutter, zu bringen.
Darüber ist es wert nachzudenken, Fellow Workers! Denn während Theologen über die Existenz einer Hölle anderswo ihre Dispute austragen, sind wir auf dem Weg, sie hier zu verwirklichen. Und wenn der Kapitalismus sich halten sollte: was immer aus den Menschen werden wird, wenn sie tot sind – mit der Geburt werden sie in der Hölle landen. Denkt daran und widmet Euch der Verbreitung der RELIGION DES SOZIALISMUS.

„Why not?“, Artikel in Justice, 12. April 1884.
Eigene Übersetzung, 2013

Dieser Beitrag wurde unter Texte von William Morris veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.