Zusammenfassung: „Der kritische Impuls und die weitreichende Art von Magdoffs Denken werden gut vermittelt in seinem klassischen Essay von 1982: „The Meaning of Work: A Marxist Perspective“. Der Artikel beginnt mit einer kritischen Betrachtung von Edward Bellamys utopischem Entwurf einer sozialistischen Gesellschaft in Looking Backward, in der Arbeit (im Sinne von Adam Smith als Opfer gesehen) so weit wie möglich durch Freizeit ersetzt wird. Er schließt mit einer Zustimmung zur Ablehnung der Utopie Bellamys durch William Morris zugunsten einer sozialistischen Vision (von Marx inspiriert), in der Arbeit nicht als Qual gesehen wird, sondern in ihrer unentfremdeten Gestalt als Ziel für sich – energische Lebensaktivität, die auf nützliche und oft vergnügliche Zwecke gerichtet ist. In seiner gesamten Argumentation präsentiert Magdoff einen eindrucksvollen Überblick der Stadien der Arbeitsteilung im langen Verlauf der menschlichen Evolution, mit Fokus auf die Trennung von Stadt und Land,von Hand und Kopf (zurückgehend bis zu den Griechen) und der Degradierung der Arbeit unter der modernen Industrie.“
Bei den Marxisten könnte man meinen, dass sie wenig Meinungsverschiedenheiten haben über die Bedeutung der Arbeit in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Dasselbe kann jedoch nicht über die Arbeit in der Zukunft gesagt werden. Wenn ich über Arbeit im Sozialismus und Kommunismus, wie über Arbeit in der Geschichte sprechen werde, dann präsentiere ich hier eine marxistische Perspektive, nicht die marxistische Perspektive.
Eine sehr gute Illustration dafür, wie subjektive Anschauung und Klassenbefangenheit den Blick auf die Arbeit in einer sozialistischen Gesellschaft beeinflussen können, ist der einstmals populäre und einflussreiche utopische Roman Looking Backward von Edward Bellamy. Das Buch erschien 1888 mitten in einer Periode von rapider Industrialisierung, wachsender Konzentration der ökonomischen Macht und gewaltsamem Klassenkampf. Bellamy stellte sich vor, dass der Aufbau von Trusts in seiner Zeit schließlich zur Konzentration allen Kapitals in den Händen eine gigantischen Firma führen würde. Das würde den Übergang des Eigentums an den Produktionsmitteln auf den Staat erleichtern, der dann die Regeln der Vernunft anwenden würde um eine wohl geordnete, egalitäre Gesellschaft zu schaffen. Ein derartiges Szenario eines mühelosen, friedlichen Übergangs und der Entwurf einer gerechten sozialen Ordnung fesselte die Phantasie der Öffentlichkeit in den USA und darüber hinaus. Seit Onkel Toms Hütte war kein so einflussreicher Roman hierzulande mehr erschienen. Millionen Exemplare des Buchs wurden verkauft, viele Leser wurden auf sozialistische Gedanken gebracht; “Bellamy Clubs” wurden überall im Lande gegründet und die sich im Buch findenden Ideen trugen viel bei zum Programm der Populist Party.
Bellamy benützte ein einfaches und inzwischen gut vertrautes Stilmittel zur Einführung in sein Utopia. Der Held, Julian West, erwacht im Jahre 2000 aus einem hypnotischen Schlaf um sich in United States wiederzufinden, wo Klassen, Ausbeutung und Geld verschwunden sind und alle den Lebensstandard der wohlhabenden Mittelschicht Bostons im 19. Jahrhundert geniessen. West richtet sich in der neuen Welt ein und der Leser erfährt dabei, wie die gute Gesellschaft erreicht wurde und wie sie funktioniert.
Relevant in Bellamys Behandlung der Arbeit in seiner Utopie für die heutige Diskussion ist, dass er charakteristische bürgerliche Haltungen zu Arbeit und Freizeit in seinem Traum in die Zukunft mitnimmt: Arbeit ist eine Last. Am besten sollte sie vermieden werden. Aber wenn das schon nicht möglich ist, sollte sie so früh im Leben wie nur möglich absolviert werden, damit möglichst viel von der Lebenszeit mit Freizeit verbracht werden kann. Deshalb sind in Looking Backward alle verpflichtet, mit 21 Jahren in die Armee der Arbeitenden einzutreten und die ersten drei Jahre einen allgemeinen Arbeitsdienst abzuleisten. Danach kann man sich (abhängig von einigen Einschränkungen durch die Regierung) eine Beschäftigung wählen. Die Arbeitspflicht endet mit dem 45. Lebensjahr, und dann kann das gute Leben des Müßiggangs von kultivierten Damen und Herren beginnen.
In aller Fairness, Bellamy verunglimpft nicht die Arbeit an sich. Es ist sein Loblied auf die Freizeit, das typisch ist für die Mentalität der Bourgeoisie in der kapitalistischen Gesellschaft und für die oberen Klassen in der ganzen Geschichte. Adam Smith, der große Theoretiker der kapitalistischen Ökonomie, ist da viel deutlicher, wenn er in einem anderen Zusammenhang Arbeit als Aktivität definiert, die vom Arbeitenden verlangt, „seine Ruhe, seine Freiheit und sein Glück“ aufzugeben. Smith folgend, sind Löhne die Belohnung, die die Arbeitskraft für ihre oder seine Opfer bekommt. Wie zutiefst anders ist da die marxistische Perspektive! Schauen wir auf die Verachtung, die Marx auf Smith ablädt für dessen negative Haltung zu Arbeit:
„Du sollst arbeiten im Schweiß deines Angesichts! war Jehovas Fluch, den er Adam mitgab. Und so als Fluch nimmt A. Smith die Arbeit. Die „Ruhe“ erscheint als der adäquate Zustand, als identisch mit „Freiheit“ und „Glück“. Dass das Individuum „in seinem normalen Zustand von Gesundheit, Kraft, Tätigkeit, Geschicklichkeit, Gewandtheit“ auch das Bedürfnis einer normalen Portion von Arbeit hat und von Aufhebung der Ruhe, scheint A. Smith ganz fern zu liegen. Allerdings erscheint das Maß der Arbeit selbst äußerlich gegeben, durch den zu erreichenden Zweck und die Hindernisse, die zu seiner Erreichung durch die Arbeit zu überwinden. Dass aber diese Überwindung von Hindernissen an sich Betätigung der Freiheit – und dass ferner die äußren Zwecke den Schein bloß äußrer Naturnotwendigkeit abgestreift erhalten und als Zwecke, die das Individuum selbst erst setzt, gesetzt werden – also als Selbstverwirklichung, Vergegenständlichung des Subjekts, daher reale Freiheit, deren Aktion eben die Arbeit, ahnt A. Smith ebensowenig. Allerdings hat er recht, dass in den historischen Formen der Arbeit als Sklaven-, Fronde-, Lohnarbeit die Arbeit stets repulsiv, stets als äußre Zwangsarbeit erscheint und ihr gegenüber die Nichtarbeit als „Freiheit und Glück“. Es gilt doppelt: von dieser gegensätzlichen Arbeit und, was damit zusammenhängt, der Arbeit, die sich noch nicht die Bedingungen, subjektive und objektive, geschaffen hat (…), damit die Arbeit travail attractif, Selbstverwirklichung des Individuums sei, was keineswegs meint, dass sie bloßer Spaß sei, bloßes amusement (…). Wirklich freies Arbeiten (…), ist grade zugleich verdammtester Ernst, intensivste Anstrengung.
Die Arbeit der materiellen Produktion kann diesen Charakter nur erhalten, dadurch, dass 1. ihr gesellschaftlicher Charakter gesetzt ist, 2. dass sie wissenschaftlichen Charakters, zugleich allgemeine Arbeit ist, nicht Anstrengung des Menschen als bestimmt dressierter Naturkraft, sondern als Subjekt, das in dem Produktionsprozess nicht in bloß natürlicher, naturwüchsiger Form, sondern als alle Naturkräfte regelnde Tätigkeit erscheint. Übrigens denkt A. Smith nur an die Sklaven des Kapitals (…).“
(Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857/58)
Marx und Engels sahen Arbeit als zentral für die menschliche Existenz an. Dieses Thema entwickelt Engels in seinem unvollendeten Essay “Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen”, in dem er darauf besteht, Arbeit ist “die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, dass wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen”. Diese Vermutung von Engels über die Evolution des Menschen fokussiert den Gedanken, dass das Gehen auf zwei Beinen die Hände zu anderer Verwendung frei machte und ihre Entwicklung hin zur Erfüllung komplexer Aufgaben ermöglichte. Die Spezialisierung der Hand führte wiederum zur Arbeit, der Herrschaft über die Natur und der Differenzierung der menschlichen Gattung. Arbeit bracht die Leute zusammen unter Bedingungen „in denen sie sich etwas zu sagen hatten.“ So kam mit der Arbeit die Sprache und Stimulierung, unter deren Einfluss sich das Gehirn des Affen schrittweise veränderte hin zu dem menschlicher Wesen. Die weitere Evolution auf diesem Pfad führte zur Gesellschaft:
„Durch das Zusammenwirken von Hand, Sprachorganen und Gehirn nicht allein bei jedem einzelnen, sondern auch in der Gesellschaft, wurden die Menschen befähigt, immer verwickeltere Verrichtungen auszuführen, immer höhere Ziele sich zu stellen und zu erreichen. Die Arbeit selbst wurde von Geschlecht zu Geschlecht eine andre, vollkommenere, vielseitigere. Zur Jagd und Viehzucht trat der Ackerbau, zu diesem Spinnen und Weben, Verarbeitung der Metalle, Töpferei, Schifffahrt (…) Handel, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft.“
Zusammen mit der wachsenden Komplexität der Gesellschaft kam jedoch das Privateigentum, die Teilung der Bevölkerung in Klassen und die gesellschaftliche Teilung der Arbeit – alles zusammen veränderte die Bedeutung der Arbeit. Die Unterschiede in der Umwelt brachten Unterschiede in der Art, wie die Leute arbeiteten und in dem, was sie herstellten. Die jeweilige Bodenoberfläche, die Verfügbarkeit von Tieren, Fisch, Wald, Erzen, Kohle, Wasser etc. beeinflussten die Produktions- und Subsistenzmittel der Gemeinschaften. Die Natur lieferte beides, die guten Entwicklungsmöglichkeiten und die Hemmnisse. Innerhalb dieser Bedingungen war es jedoch der soziale Faktor, der zunehmend die Organisation der Arbeit und die Verteilung der Produkte bestimmte.
Die erste gesellschaftliche Teilung der Arbeit
In den frühesten Formen sozialer Organisation gaben die Familie und die Verwandtschaftsbeziehungen das Muster dafür, wie die verschiedenen Aufgaben unternommen oder zugewiesen wurden. Es gibt verschiedene Theorien – oder sollten wir Spekulationen sagen? – wie diese Produktionsweise auf einfacher technischer Stufe, basierend auf persönlichen Beziehungen und der Produktion für den unmittelbaren Gebrauch (statt für den Handel) der Dominanz von Handel, Privateigentum und zunehmender strenger Arbeitsteilung Platz machte. Engels folgend „unterminiert die frühe ’natürliche‘ Arbeitsteilung die kollektive Produktion und Aneignung, erhebt die individuelle Aneignung der Produkte zur allgemeinen Regel und führt damit zum Handel zwischen Individuen … Schrittweise wird die Warenproduktion zur dominierenden Form.“ (Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats).
Wie auch immer die genaue Abfolge dieser Entwicklungsstufen war, es ist klar, dass die Teilung der Arbeit auf der Grundlage von Privateigentum und Handel die vorherrschende Charakteristik des wirtschaftlichen Lebens wurde.
Für Marx und Engels ist die erste und entscheidende Teilung die zwischen Stadt und Land. Marx sagte es so: „Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermittelten Teilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land. Man kann sagen, dass die ganze ökonomische Geschichte der Gesellschaft sich in der Bewegung dieses Gegensatzes resümiert.“ (Kapital, Band I)
Die Differenzierung von Stadt und Land entsteht natürlich aus der Teilung zwischen landwirtschaftlicher, industrieller und kommerzieller Arbeit. Schliesslich finden noch andere Aufteilungen statt, wie zwischen industrieller, kommerzieller und finanzieller Betätigungen innerhalb der Stadt. Aber was verstanden werden muss ist, dass der Stadt/Land-Widerspruch mehr umfasst als das einfache Stadt gegen Bauernhof. Mit der Entwicklung eines Staatslandes wachsen die regionalen Unterschiede und verfestigen sich. Heute existieren sogar in den fortgeschrittensten Industrieländern Konflikte und Kontraste zwischen Regionen, auf der einen Seite, die sich industriell, kommerziell, finanziell spezialisieren und denen auf der anderen Seite, die vorwiegend Landwirtschaft betreiben. Weiter wird mit dem Fortschreiten des internationalen Handels und der Bildung von Großreichen durch die industriell und militärisch vorherrschenden kapitalistischen Länder eine internationale Arbeitsteilung zwischen den Kernländern („Stadt“) und der Peripherie („Land“) geschaffen und reproduziert (durch Gewalt und „normale“ Marktvorgänge).
Sicher, neue soziale Formen und Fortschritte in der Produktivkraft ändern einzelne Aspekte in der Art und Weise, wie die Leute durch berufliche Spezialisierung und Lebensstil aufgeteilt werden. Dennoch gibt es zwei allen Variationen gemeinsam bleibende Eigenschaften in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung: 1.) es deckt sich immer mit einem bestimmten Set hierarchischer Beziehungen zwischen Individuen, sozialen Gruppen, und in bestimmten Perioden der Geschichte Nationen – egal ob verbunden mit Patriarchat, Sklaverei, Kasten, Gutswirtschaft oder modernen Klassen. Und 2.) ist sie immer in der Hand, geformt und reproduziert von einer dominanten sozialen Gruppe, meist bestehend aus jenen, die die Hauptmittel zur Produktion besitzen oder kontrollieren.
Wenn die gesellschaftliche Formierung durch Sklaverei, Kasten, Gutswirtschaft oder Zünfte wirkt, dann ist die Verteilung der Tätigkeiten gewöhnlich streng kontrolliert und tendiert dazu, vererbt zu werden. Aber sogar in einer Umgebung von Individualismus und „freiem“ Markt ist der Bereich der Tätigkeitsmöglichkeiten in engen Grenzen gehalten. In diesem Typ von Sozialsystem sind die hauptsächlichen Produktionsmittel im Besitz und unter Kontrolle einer relativ kleinen Klasse von Kapitalisten, bei denen die meisten Leute Anstellung suchen müssen um leben zu können.
Letztlich: welche Arten von Jobs zu haben sind und wie die Arbeiten aufgeteilt sind, ist direkt oder indirekt bestimmt vom Eigeninteresse der Besitzer und Manager des Kapitals.
Die zweite gesellschaftliche Teilung der Arbeit
Die hierarchischen Strukturen die mit dem Stadt/Land-Widerspruch einhergehen, haben eine zweite Trennung zur Folge, die die Unterscheidungen zwischen den Menschen verewigt: die Trennung von Kopf- und Handarbeit. Die Wurzeln dieses Gegensatzes und seine psychologische Verstärkung gehend weit zurück. Beachten wir, wie z.B. Sokrates Handarbeit und den Handwerker sieht:
„Was die mechanischen Künste genannt werden, trägt ein soziales Stigma und ist in unseren Städten geradezu entehrt. Denn diese Tätigkeiten schaden den Körpern derer, die solche Arbeit machen oder beaufsichtigen müssen, zwingen sie zu einer sitzenden Tätigkeit und manchmal sogar dazu, den ganzen Tag neben dem Feuer zu verbringen. Diese physische Schädigung führt auch zu einem Verfall der Seele. Weiter, die Arbeiter in diesen Gewerben haben nicht einmal die Zeit, um die Pflichten der Freundschaft und Bürgerschaft auszuüben. Als Folge werden sie als schlechte Freunde und Patrioten angesehen. Und in einigen Städten, speziell den kriegerischen, ist es den Bürgern vom Gesetz nicht erlaubt, ein mechanisches Gewerbe zu betreiben.“
Sokrates reflektiert deutlich die Einstellung und Ideologie von freien Bürgern der oberen Klassen in einer Gesellschaft, in der Sklaven extensiv die körperliche Arbeit übernehmen. Aber die Abwertung der physischen Arbeit ist nicht nur typisch für Sozialsysteme mit verschiedenen Formen von erzwungener Arbeit, sie ist allen Klassengesellschaften gemeinsam. Wie Veblen erklärt:
„Die Unterscheidung zwischen gehobener Arbeit und Plackerei ist eine unfaire oder gehässige Einteilung verschiedener Tätigkeiten. Die Tätigkeiten, die als gute Arbeit klassifiziert werden sind wertvoll, ehrenwert, nobel; andere Tätigkeiten die nicht dieses Element des Ansehens enthalten und besonders jene die auch Dienstbarkeit und Unterordnung beinhalten, sind wertlos, entwürdigend, gemein. Das Konzept von Würde, Wert oder Ehre, das entweder auf Personen oder Leitungsorgane angewendet wird, hat erstrangige Konsequenz in der Entwicklung von Klassen und Klassenunterschieden…“ (Thorstein Veblen, „The Theory of the Leisure Class“)
Veblens „exploit“ entspricht nicht der marxistischen Verwendung des Ausdrucks. Er bezieht sich auf das weite Spektrum nicht-körperlicher Aktivitäten. Die Absicht seiner Klassifikation ist es, die „gehobene“ Arbeit leistenden Gruppen zu identifizieren, die auftauchen, sobald die manuell Arbeitenden einen Überschuss an Unterhaltsmitteln für Häuptlinge, Adlige, Priester, Großgrundbesitzer, Händler, Kapitalisten, Militärs, Staatsleute etc. produzieren können. Sicher, die Kategorie „gehobene Arbeit“ schließt in diesem Sinn viele nützliche und nicht-ausbeuterische Tätigkeiten mit ein. Wichtig ist aber, dass die objektiven Elemente, die Teilungen und Unterteilungen von manuell und nicht-manuell Arbeitenden schaffen und erhalten – Privateigentum, ausbeuterische Klassenstrukturen und der Staat – verstärkt werden durch eine subjektive, unterstützende Sozialpsychologie und Ideologie, die die Menschen und ihre Arbeit aufteilt nach Graden von Minderwertigkeit und Höherwertigkeit.
Die jeweiligen Typisierungen der Einstufungen werden natürlich mit der Zeit variieren. Tiefsitzende Voreingenommenheiten allerdings übertragen sich von einem sozialen System ins andere. So hat die traditionelle Unterordnung der Frauen unter die Männer und die Identifikation von Frauenarbeiten innerhalb und außerhalb des Hauses als Plackerei den Interessen vieler ausbeutender Klassen bis hin in unsere Zeit genützt. Ähnlich besteht der Rassismus, der den US-Sklavenherren über ein Jahrhundert diente. als Instrument der Unterdrückung und Diskriminierung fort und beschränkt vor allem die Schwarzen auf die am meisten unsicheren und schlecht bezahltesten Jobs mit niedrigem Status.
Arbeitsteilung und moderne Industrie
Die oberen Klassen haben sich zu allen Zeiten um das Rekrutieren, Disziplinieren und Zusammenhalten der zur Verfügung stehenden Arbeitskraft besorgt. Das trifft auf kapitalistische Gesellschaften ebenso zu wie auf Feudalismus und Sklaverei. Und obwohl heute das Lohnsystem wie eine dauerhafte, selbstregulierende Institution erscheinen mag, ist es das wegen einer langen Geschichte von Kämpfen, in denen vereinter ökonomischer und staatlicher Druck eine Arbeiterklasse zurechtformte, deren Lebensunterhalt von Löhnen abhängt. Die brutalsten Zwangsformen wurden angewandt, als die kapitalistischen Beziehungen in Kolonialgebieten durchgesetzt wurden. Aber die Schaffung eines Industrieproletariats in den „zivilisierten“ Ländern war auch kein Bett von Rosen:
„Weil die Gestalt der britischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts inmitten moderner Industrie entstand; wegen der erbitterten Konkurrenzeigenschaft des Marktes, mit dem es der typische Manufakturist zu tun hatte; wegen der Entfremdung der Arbeit in dieser Umwandlung und weil es nach allem den Lohngebern im Verteilungssystem einer kapitalistischen Ökonomie als Feind gegenübertrat, wurde das moderne Industrieproletariat in seine Rolle weniger durch Anziehung oder finanzielle Belohnungen eingeführt, sondern durch Zwang, Gewalt und Schrecken. Es konnte nicht wie in einem sonnigen Garten aufwachsen, es wurde geschmiedet, über einem Feuer, durch mächtige Hammerhiebe … Die typische Umgebung ist eine von Beherrschtwerden und Furcht; Furcht vor Hunger, Vertreibung oder Gefängnis für die, die den neuen industriellen Regeln nicht gehorchen. Bis heute war die Erfahrung anderer Länder in vergleichbaren Entwicklungsstufen im Wesentlichen nicht viel anders.“ (Sidney Pollard, „The Genesis of Modern Management“)
Der Übergang zu Lohnarbeit veränderte massiv die Lebensweise und die Bedeutung der Arbeit für früher selbständige Bauern und Handwerker. Im England des 17.Jahrhunderts wurde die Arbeit für Lohn als eine Form der Versklavung gesehen. Es wurden nicht nur viele Fabriken gebaut wie Armenhäuser oder Gefängnisse, die in diesen Betrieben aufgepresste Arbeitsdisziplin setzte auch gefängnisähnliche Praktiken voraus. In der vorindustriellen Periode war die der Arbeit gewidmete Zeit bestimmt durch die zu erledigende Aufgabe und natürliche Bedingungen (das Wetter für die Bauern, Ebbe und Flut für Fischer, usw.). Arbeit, Freizeit und religiöse Feste waren miteinander verflochten mit wenig Abgrenzung zwischen „Arbeit“ und „Leben“. Das Fabriksystem dagegen schuf eine völlig neue Arbeitsdisziplin; Zeiten und Pflichten wurden von Aufsehern rigide überwacht.
Der Kapitalismus führte auch eine neue Ebene in die Arbeitsteilung ein. Zusätzlich zu der früheren sozialen Aufteilung der Arbeit wurde der Produktionsprozess selbst fraktioniert. Die extensive Nutzung der Maschinen routinierte die verschiedenen Produktionsabschnitte, an die der Arbeiter gebunden ist und verwandelt den Arbeiter in ein Anhängsel der Maschine, die er oder sie bedient. Diese Veränderungen sind hervorragend untersucht in Harry Bravermans Klassiker, Labor and Monopoly Capital (Monthly Review Press, 1974). Marxens Analyse des Arbeitsprozesses in Kapital Bd. I aktualisierend, erklärt Braverman:
„Arbeitskraft ist in der kapitalistischen Gesellschaft eine Ware geworden. Ihr Gebrauch verläuft nicht länger entsprechend den Notwendigkeiten und Wünschen derer, die sie verkaufen, sondern es geht nach dem, was die Käufer verlangen, die hauptsächlich „Arbeitgeber“ sind und ihr Kapital vermehren wollen. Und es ist das spezielle und permanente Interesse dieser Käufer, diese Ware weiter zu verbilligen. Für die einfachste Methode, Arbeit zu verbilligen steht beispielhaft das Babbage-Prinzip: teile sie auf in ihre einfachsten Elemente. Und da die kapitalistische Produktionsweise eine Arbeitsbevölkerung entsprechend ihren Anforderungen schafft, wird das Babbage-Prinzip genau durch diese Form des „Arbeitsmarktes“ auch den Kapitalisten selber aufgezwungen.
Jeder Schritt des Arbeitsprozesses ist so weit wie möglich von Spezialwissen und Erfahrung getrennt und auf einfache Arbeit reduziert. Währenddessen werden die relativ weniger Personen, für die Spezialkenntnisse und Ausbildung reserviert sind, so weit wie möglich von der Verpflichtung zu einfacher Arbeit befreit. Auf diese Weise bekommen alle Arbeitsprozesse eine Struktur, die im extremen Fall zwei Pole schafft: die Zeit der auf der einen Seite ist außerordentlich wertvoll und die der anderen ist fast nichts wert.
Das könnte vielleicht sogar das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Arbeitsteilung genannt werden. Es ist nicht die einzige Kraft, die auf die Arbeitsorganisation wirkt, aber es ist sicher die mächtigste und allgemeinste. Ihr Ergebnis, mehr oder weniger weit herausgebildet je nach Industrie und Arbeitszweig gibt ein massives Zeugnis ihrer Gültigkeit. Sie formt nicht nur die Arbeit sondern ganze Bevölkerungen, denn auf lange Sicht schafft es die Menge an einfacher Arbeit, die die erste Funktion von Bevölkerungen in entwickelten kapitalistischen Ländern ist.“
Der passende Untertitel von Bravermans Buch lautet: “The Degradation of Work in the Twentieth Century.”
Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht nur Entfremdung und Enthumanisierung des Arbeitsprozesses selber sind, die die Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft entwerten. Die Unsicherheit, der Wechsel mit Arbeitslosigkeit, die beanspruchenden Umstände bei der Suche nach Arbeit, die zunehmende Beschäftigung in verschwenderischen und gesellschaftsschädlichen Beschäftigungen, um nicht zu erwähnen die magere Entlohnung für die Masse der ArbeiterInnen – alles trägt zu der Degradierung der Arbeit in unserer Zeit bei. Deshalb ist es kein Wunder, dass Studs Terkel, der eine breite Auswahl von ArbeiterInnen aus dem ganzen Land über ihre Jobs befragte, in der Einleitung seines faszinierenden Buches Working (Pantheon Books, 1972) berichtete:
„Dieses Buch, das über Arbeit geht, handelt aber im wesentlichen von Gewalt – gegen den Geist wie gegen den Körper. Es geht um Geschwüre genau so wie um Unfälle, über Brüllgefechte wie über Faustkämpfe, über Nervenzusammenbrüche wie über Amokläufe. Es handelt vor allem (oder unter allem) von tagtäglichen Verletzungen der Menschenwürde. Den Tag zu überleben ist Triumph genug für die Verletzten und Geschundenen unter uns vielen … Es geht auch um die Suche nach Sinn wie nach Brot, nach Anerkennung wie nach Geld, nach Überraschungen statt Erstarrung, für irgendeine Art von Leben statt einer Montag-bis-Freitag-Variante des Totseins. Vielleicht ist auch Unsterblichkeit ein Teil der Herausforderung. Es soll an die Wünsche erinnert werden, ausgesprochen oder nicht ausgesprochen, der Helden und Heldinnen dieses Buches …
Für die meisten ist es eine kaum verborgene Unzufriedenheit. Der Arbeiter-Blues wird verbitterter gesungen als das Angestellten-Klagelied. ‚Ich bin eine Maschine‘, sagt der Punktschweißer. ‚Ich bin eingesperrt‘, sagt der Kassierer und der Hotelangestellte macht das Echo. ‚Ich bin ein Maultier‘, sagt der Stahlarbeiter. ‚Ein Affe kann das machen, was ich mache‘, sagt der Rezeptionist. ‚Ich bin weniger als eine Landmaschine‘, sagt der migrantische Arbeiter. ‚Ich bin ein Objekt‘, sagt das Modemodel. Die mit dem blauen und die mit dem weißen Kragen benützen den identischen Ausdruck, ‚ich bin ein Roboter.‘ …
Nora Watson [eine Befragte] sagte es vielleicht am prägnantesten. ‚Ich glaube, die meisten von uns suchen eine Herausforderung, nicht einen Job. Die meisten von uns, wie die Fließbandarbeiter, haben Jobs, die zu klein für ihren Geist sind. Die Jobs sind nicht groß genug für die Leute.'“
Marx und die Arbeit im Sozialismus
Für Marx war es ein vorrangiges Ziel des Sozialismus, die Mühsalen der Arbeit und die aus dem Kapitalismus erwachsende Lebensweise zu überwinden. Aber wie gut bekannt, zeichnete er keine Blaupause für eine solche Gesellschaft. Die Zukunft würde im Prozess der Revolution geformt werden, beeinflusst von den historischen Umständen und als Antwort auf die Erfahrungen, die die Arbeiterklasse in der revolutionären Transformation von Staat und Gesellschaft machen wird. Dennoch gibt es Punkte, die für eine Revolution der Ausgebeuteten wesentlich sind: die Abschaffung der Klassen und des Privateigentums an den Produktionsmitteln zugunsten einer gesellschaftlichen Leitung der Produktion. Das beinhaltet in einem marxistischen Rahmen notwendigerweise die Aufhebung aller Formen von Arbeitsteilung, die durch die Existenz des Privateigentums und von Klassen hervorgebracht wurden und ein Teil davon sind. Wie zentral dieser Punkt für das Denken von Marx war kann man an seiner Vision erkennen, was das schliessliche Ziel einer kommunistischen Gesellschaft sein könnte und sollte:
„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ (Kritik des Gothaer Programms)
Es muss betont werden, dass Marx dieses Ideal nur nach einem langen Prozess realisierbar sah, denn die neue soziale Ordnung „entsteht aus der kapitalistischen Gesellschaft, und ist deshalb in jeder Beziehung, ökonomisch, moralisch und intellektuell noch mit den Geburtsmerkmalen der alten Gesellschaft gekennzeichnet, aus deren Schoß sie erwächst.“
Womit er sich nicht beschäftigte sind die Hindernisse in der Erreichung dieses Endziels, wenn die „Geburtsmerkmale der alten Gesellschaft“ in der neuen verkrustet sind. Dieses Problem ist klarer sichtbar geworden als Ergebnis der Erfahrungen der Länder, in denen soziale Revolutionen stattgefunden haben. Es ist jetzt offensichtlich, dass das Weiterbestehen der Arbeitsteilung zwischen Intellektuellen und Arbeitern, zwischen Administratoren und den Massen, zwischen Stadt und Land nach der Revolution zum Weiterbestehen von Interessengegensätzen zwischen den Gesellschaftssektoren und einem entsprechenden Geist von Konkurrenz und Individualismus führt. Zweifellos war Mao Tse-tung tief von dieser Erfahrung beeindruckt, denn er betonte wiederholt die Wichtigkeit, auf die Abschaffung der hauptsächlichen Widersprüche im Volk zu achten, wenn der Sozialismus voranschreiten solle.
Aber was ist mit der Endvision, die uns Marx hinterlassen hat? Liegt es noch im Bereich der Vernunft, ein solches Ideal weiter aufrecht zu erhalten? Es ist jetzt hier nicht die Gelegenheit, um diese Frage in allen Konsequenzen zu untersuchen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass dieser Vision zwei Annahmen zugrundeliegen: eine, die in den Schriften von Marx und Engels behandelt wird und eine, die sie meinem besten Wissen nach ignoriert haben.
Eine Grundannahme für die Realisierbarkeit des kommunistischen Ziels ist, dass die menschliche Natur nicht für alle Zeit konstant ist: dass Antriebe des Haben-Wollens, Individualismus und Konkurrenz keine biologischen Gaben sind. Die Tatsache, dass Leute ihr soziales Verhalten und ihre Einstellung ändern, ist das Herzstück der Theorie des historischen Materialismus: Obwohl „die Menschen Produkte der Umstände und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände und geänderter Erziehung sind“ darf nicht vergessen werden, „dass die Umstände eben von den Menschen verändert werden und dass der Erzieher selbst erzogen werden muss“ (Marx, Feuerbach-Thesen). Die Unterstützung dieser These kommt aus dem Studium der Geschichte, insbesondere aus anthropologischen Untersuchungen. “Herr Proudhon weiss nicht,” schrieb Marx in Das Elend der Philosophie, “dass die ganze Geschichte nichts anderes ist als eine fortwährende Transformation des Wesens des Menschen.”
Eine oft anzutreffende Zurückweisung der kommunistischen Vision folgt der Behauptung, dass die Leute nur dann arbeiten, wenn sie von einem ökonomischen Motiv angetrieben werden. Aber diese Ansicht ist widerlegt durch viele primitive Gesellschaften, von denen wir wissen und in denen nicht-ökonomische Arbeitsanreize vorherrschen: soziale Verantwortung, Tradition, Verlangen nach Prestige und Vergnügen in handwerklichem Können. Ausgehend von den Berichten über Veränderungen des Verhaltens von Menschen in der Vergangenheit gegenüber der Gemeinschaft und ihrer Arbeit ist es vernünftig anzunehmen, dass die menschliche Natur sich einer sozialen Ordnung, basierend auf Kooperation, Verschwinden einer rigiden Arbeitsteilung und der Möglichkeit einer vollkommeneren Entwicklung des Individuums anpassen wird – mit Enthusiasmus anpassen wird.
Aber hier ist eine zweite Annahme involviert, die das Wesen der Bedürfnisse der Menschen betrifft – ein Thema, dem Marx und MarxistInnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Wenn die Bedürfnisse der Leute unbeschränkt sind und besonders wenn sie eine Konsumleidenschaft entwickeln, wie sie die führenden kapitalistischen Länder des Westens charakterisiert, dann scheint es so, dass die Aussichten, den höheren Status des Kommunismus zu erreichen, tatsächlich sehr gering sind. Das Problem sind nicht nur die begrenzten Ressourcen der Erde, auch wenn das allein schon genug Grund zur Skepsis liefert. Grenzenlose Expansion auf der Suche nach einem immer höheren materiellen Lebensstandard im Weltmaßstab könnte nur in der Wiederholung der schlimmsten Merkmale der Klassengesellschaft enden. Der Antrieb für eine ständige Zunahme der Produktion einer noch größeren Palette von Gütern würde neben anderem die Fortsetzung der rigiden Arbeitsteilung und der Konzentration der Produktion in Großbetrieben und Großstädten nach sich ziehen. Gleichzeitig würde die Gleichheit in der Güterverteilung über Bord gehen. Bei einer Abwesenheit von Grenzen für die Bedürfnisse gäbe es keinen praktischen Weg, die Bedürfnisse jedes Konsumenten zu befriedigen: begrenzte Produktionsmöglichkeiten würden zwangsläufig zu Ungleichheit in der Verteilung führen, verbunden mit der Intensivierung von Konflikten zwischen privilegierten und zurückgesetzten Sektoren.
All das summiert sich dazu, dass die notwendige Bedingung einer wirklich kommunistischen Gesellschaft die vollständige Abkehr von der Kultur des Kapitalismus und Konsumismus ist. Das würde einen komplett neuen Zugang zum Entwurf von Städten und Dörfern, von Transport, Industrieansiedlung, Technologie und vielem anderen bedeuten. Vor allem müsste sich diese neue Kultur auf eine Sicht der menschlichen Bedürfnisse gründen, die vereinbar ist mit einer kooperativen und egalitären Gesellschaft.
Obwohl, wie schon oben erwähnt, Marxisten die Frage der Bedürfnisse und der Anforderungen einer neuen Kultur vernachlässigten, ist es sehr wohl zutreffend, dass diese Anliegen absolut präsent sind in einem berühmten utopischen Roman eines Marxisten: News from Nowhere von William Morris (1890). Morris regte sich auf über Bellamys Ideen, wie man in der Besprechung lesen kann, die er über Looking Backword schrieb:
„Bellamy sagt uns, dass jeder Mensch seine Beschäftigung frei suchen könne und die Arbeit niemand eine Last sei, der von ihm erzeugte Eindruck ist aber der einer riesigen stehenden Armee; straff gedrillt und von mysteriösem Schicksal zu ständiger Sorge um die Produktion von Waren getrieben, die jede Kaprize befriedigen sollen, ob verschwenderisch oder absurd, wenn sie nur verlangt wird. Ich glaube, dass das Ideal der Zukunft nicht auf die Einsparung menschlicher Energie durch Reduktion der Arbeit auf ein Minimum weist, sondern eher auf eine Reduktion der Quälerei durch Arbeit auf ein Minimum; so gering, dass sie aufhört, eine Qual zu sein. (…) In diesem Teil seines Entwurfes macht sich Bellamy deshalb selbst unnötige Probleme mit der Suche (und mit offensichtlichen Fehlern) nach gewissen Anreizen zur Arbeit als Ersatz für die Angst vor dem Hungertod, die jetzt unser einziger Antrieb ist; wogegen nicht oft genug wiederholt werden kann, dass der wahre Anreiz zu freudvoller und nützlicher Arbeit das Vergnügen an der Arbeit selbst ist und sein muss.“ (The Commonweal, 22. Januar 1889)
Der utopische Roman, den Morris ein Jahr später schreiben wird, ist wie zu erwarten entschieden anders als der Bellamys. Er liefert keine komplette Vorausbeschreibung aller Aspekte der neuen Gesellschaft, noch gibt er vor, die einzige und notwendige Gestalt der Zukunft zu beschreiben. Es ist mehr ein Ausdruck einer persönlichen Bevorzugung der Art von Welt, in der er leben möchte. Gerade im Gegensatz zu Bellamy zeigt Morris Sinn für Geschichte, ein Verständnis dafür, dass soziale Veränderungen als Ergebnis bitteren Klassenkampfs kommen und Beachtung für mögliche Veränderungen des menschlichen Wesens und der sozialen Beziehungen. Von besonderem Interesse ist in unserem Zusammenhang seine Betonung der Befriedigung, die aus der Arbeit gewonnen werden kann. Aber das wird erst ermöglicht durch das Umfeld eines vereinfachten Lebensstils und der Befreiung von den Zwängen künstlich produzierter Bedürfnisse. In Morris‘ Welt machen die großen Städte Platz für Dörfer, Wälder und Wiesen. Unter diesen einfacheren Bedingungen verschwindet die rigide Arbeitsteilung mit dem Interesse und der Zeit, die die Menschen haben, um viele Fähigkeiten zu erlernen. Vor allem betont er die Freuden, die aus manuellen Tätigkeiten und aus Handwerken erwachsen und die daraus entstehende Kreativität.
Von besonderem Interesse an News from Nowhere ist nicht, dass uns der Autor Antworten liefern würde, die wir für die komplexe Welt von heute brauchen. Weil seine Lösungen die entfernte Zukunft behandeln, kann ihr Gehalt nur utopisch sein. Die wirklichen Lösungen wird die Geschichte bringen. Auf der anderen Seite verdienen die von ihm eingeführten Themen der Qualität des Lebens, der Arbeit und Kultur in einer klassenlosen Gesellschaft Beachtung. Sie haben das Verdienst, Ideen vorzuschlagen, die für die Art und Weise, wie die heutigen Kämpfe für ein besseres Leben geführt werden sollten, von Bedeutung sind.
„The Meaning of Work: A Marxist Perspective“, Monthly Review (USA), 1982 und 2006 (Wiederabdruck aus Anlass des Todes von Harry Magdoff). Link:
http://monthlyreview.org/2006/10/01/the-meaning-of-work-a-marxist-perspective
Eigene Übersetzung, 2013
Über Harry Magdoff: http://mrzine.monthlyreview.org/2006/foster020106.html