Sozialismus und Anarchismus

Als Antwort auf den Vorschlag unseres Genossen Blackwell und weil noch niemand diese freie Diskussion begonnen hat, von der er sprach, möchte ich ein paar Gedanken niederschreiben, die beim Lesen der Beschlüsse des Kongresses von Valencia entstanden sind, wie sie von unserem Genossen vorgestellt wurden. Ich äußere sie nicht in polemischem Geist, sondern mit der Prämisse, einfach meine Gedanken und Hoffnungen auf die Zukunft vorzulegen, was auch immer ihr Wert sei.
common2Zu Beginn möchte ich sagen, dass ich mich selbst Kommunist nenne und dass ich dieses Wort nicht durch die Hinzufügung irgendeines anderen Wortes beschreiben will. Das Ziel des Kommunismus besteht für mich in der vollkommenen Gleichheit der Bedingungen für alle Menschen und alles in einer sozialistischen Richtung, das kurz davor zum Stehen kommt, ist lediglich ein Kompromiss mit dem bestehenden Zustand der Gesellschaft, ein Haltepunkt auf dem Weg zum Ziel. Er ist der einzig logische Fortgang jeder Gesellschaft, die etwas anderes ist als eine gewaltsam gestützte, geschlossene Firma für den ausdrücklichen Zweck der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen im Interesse der Stärkeren. Unsere jetzige Gesellschaft, dominiert durch den Kapitalismus, die Gesellschaft des Vertrags, ist eine Form der Klassenherrschaft, die von den Kräften erzwungen wurde, die das Sklaven-Ideal aufrechterhalten neben dem Wachstum des Wissens und der erreichten Herrschaft des Menschen über die Kräfte der Natur. Die Geschichte der „Gesellschaft“ seit dem Niedergang des Feudalismus war die graduelle Befreiung der Klassen- oder Sklavengesellschaft von den Fesseln des Aberglaubens, so dass sie sich ungehemmt entwickeln konnte innerhalb der genannten Grenzen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen – das beeindruckende und wunderbar rapide Wachstum an Macht und Ressourcen der modernen Sklavengesellschaft ist diesem Abschütteln des Aberglaubens geschuldet.
Auch der Kommunismus wird sich von Aberglauben freihalten müssen. Seine Ethik wird sich gründen müssen auf die Anerkennung von Ursache und Wirkung statt auf Regeln, die a priori abgeleitet sind einer Beziehung des Menschen zum Universum oder seines imaginierten Herrschers. Von diesen beiden Punkten: der Gleichheit der Bedingungen und der Anerkennung von Ursache und Wirkung in der materiellen Welt wird alles kommunistische Leben wachsen. So weit denke ich kann ich klar sehen, aber wenn ich versuchen würde die Formen auszumalen, die dieses Leben haben wird, bekenne ich falsch liegen zu müssen und das wird uns allen so gehen. Die meisten Leute, von denen man sagen kann, dass sie überhaupt denken, erkennen jetzt, dass die Verwirklichung des Sozialismus sicher kommen wird, obwohl manche nicht weiter sehen können als bis zu einem rohen und unvollkommenen Staatssozialismus, der sehr verständlicherweise viele vom Sozialismus insgesamt abschreckt. Alle wirklichen Sozialisten stimmen zu, dass der Kommunismus die notwendige Weiterentwicklung des Sozialismus ist, aber ich wiederhole, darüber hinaus muss alles spekulativ bleiben. Im Spekulieren über die Zukunft der Gesellschaft sollten wir versuchen, uns von reinen Phrasen frei zu machen: gerade weil viele davon ihre Bedeutung verlieren werden wenn die Veränderung kommt, auf die wir alle schon lange warten.
Und hier habe ich dasselbe Anliegen wie unsere anarchistisch-kommunistischen Freunde, die irgendwie autoritär sind wenn es um Autorität geht, und dabei auch nicht ein bisschen unsicher. Denn wenn Freiheit von Autorität die Zubilligung der Ratsamkeit und Möglichkeit für jede individuelle Person ist, immer und unter allen Umständen das tun zu können, was ihr beliebt – dann wäre das eine absolute Negation der Gesellschaft und würde den Kommunismus als höchsten Ausdruck von Gesellschaft unmöglich machen. Wenn man aber damit beginnt, die Zusicherung, „machen zu können was man beliebt“ näher zu bestimmen durch den Zusatz „solange nicht dadurch dasselbe Recht anderer verletzt wird“, wird die Ausübung einer gewissen Art von Autorität notwendig. Wenn die Individuen sich nicht gegenseitig nötigen sollen, muss es irgendwo eine Autorität geben, die darauf vorbereitet ist, sie zu nötigen, sich nicht zu bekämpfen und diese Autorität muss klarerweise kollektiv sein. Und dann gibt es noch andere Schwierigkeiten neben den gröberen und offensichtlichsten.
Das Band der kommunistischen Gesellschaft wird freiwillig sein in dem Sinne, dass alle ihren Grundprinzipien zustimmen werden, wenn sie auf angemessene Weise festgelegt werden und sie werden ihnen vertrauen, indem sie der Menschheit das bestmögliche Leben ermöglichen. Aber wenn wir für die Gleichheit der Bedingungen eintreten – z.B. die freie Möglichkeit für jeden, seine Bedürfnisse zu befriedigen – dann lasst uns nicht die notwendige (und glückliche) Vielfalt von Temperamenten, Fähigkeiten und Verlangen vergessen, die unter den Menschen zu allem existiert, was außerhalb der Region der einfachsten Bedürfnisse liegt. Und obwohl viele dieser verschiedenen Wünsche –oder wenn sie wollen, die meisten – ohne Zusammenstoß des Individuums mit der kollektiven Gemeinschaft erfüllt werden können, wird es mit einigen davon nicht so sein. Jede vorstellbare Gemeinschaft wird manchmal eine kollektive Aktion bestimmen, ohne deswegen von sich aus unmoralisch oder repressiv zu sein; oder wird einigen ihrer Mitglieder Pein verursachen – und was soll dann geschehen, wenn es sich um eine Sache handelt, die entweder getan werden oder aufgegeben werden muss? Muss dann die kleinere Minderheit den Weg freimachen oder die große Mehrheit? Ein konkretes Beispiel wird hier nützlich sein, insbesondere da es mein Temperament tangiert.
Ich war immer der Meinung, dass die Verwirklichung des Sozialismus uns Gelegenheit geben wird, der grausamen Flut des Utilitarismus zu entkommen, mit der uns die Hochentwicklung der Gesellschaft des Handels verflucht hat. Aber das wird erst auf lange Sicht so sein und ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass uns in den ersten Tagen des Sozialismus der Reflex auf den Terror des Hungers, der uns jetzt so bedrückt, in Exzesse des Utilitarismus treiben wird. Tatsächlich gibt es auch eine Richtung von Sozialisten, die den Utilitarismus mit schicksalsergebenem Eifer anbeten, vielleicht als natürliche Konsequenz ihrer Vorstellung von Realismus. Damit wäre es nicht unwahrscheinlich, dass die öffentliche Meinung in einer Gemeinschaft zustimmen könnte, alles Holz Englands zu fällen, das Land in eine Bonanza-Farm oder eine Gemüsegärtnerei unter Glas zu verwandeln. Und was könnten wir in einem solchen Fall dagegen tun, die wir es ablehnen „um des Lebens willen den gesunden Lebensverstand wegzuwerfen“ – wenn wir die Macht unserer Argumente ausgeschöpft haben? Sicher sollten wir uns der Autorität beugen. Und eine kleine Überlegung wird uns viele solcher Fälle zeigen, in denen die kollektive Autorität eine individuelle Opposition überwiegen wird, jedoch naheliegender Weise ohne die Hoffnung für diese, sich unmittelbar durchsetzen zu können. In solchen Fragen muss es ein Geben und Nehmen geben und die Ablehnenden müssen das Größere dem Kleineren vorgehen lassen. Kurz gesagt: die Erfahrung lehrt uns, dass wo immer ein Dutzend gedankenvoller Menschen zusammen sind, es zwölf verschiedene Meinungen über jedes Thema geben wird, das keine reine Selbstverständlichkeit ist (und oft sogar noch darüber). Wenn diese Zwölf zusammenarbeiten wollen, dann müssen sie alle geben und nehmen und müssen einer gemeinsamen Richtlinie zustimmen, die als Band zwischen ihnen wirkt oder sie sollten die Sache lassen. Und was ist dieses gemeinsame Band wenn nicht Autorität? – es ist zuerst einmal das Bewusstsein der Freien Vereinigung.
Weiterhin, wenn wir von der individuellen menschlichen Freiheit sprechen, dürfen wir nicht vergessen, dass jeder Mensch ein sehr komplexes Lebewesen ist, bestimmt von vielen verschiedenen Stimmungen und Impulsen; kein Mensch ist immer klug oder klug in allen Aspekten. Der nüchterne Philip braucht Schutz vor dem betrunkenen Philip oder er wird vielleicht von seinem Rausch in einem schönen Schlamassel aufwachen. Sicher fühlen wir alle, dass wir einen oder zwei Halunken mit unter unserer Haut tragen neben dem anderen oder den zweien, die ein aufrechtes und ehrbares Leben führen wollen. Und ist es nicht so, dass wir uns von diesem unserem besseren Selbst begeistern lassen wollen? Und etwas entsteht aus den Erwartungen unseres besseren Selbst – und das ist das Soziale Bewusstsein, ohne das es keine wahre Gesellschaft gibt und das selbst eine falsche Gesellschaft imitieren muss, um wenigstens ein Pseudo-Soziales-Bewusstsein zu haben – was wir manchmal Heuchelei nennen.
Nun, versteht mich nicht falsch. Ich plädiere nicht für irgendeine Form von Willkür oder unbegründeter Autorität, sondern für das Öffentliche Bewusstsein als Handlungsregel: und lasst uns mit allen Mitteln so wenig Autorität ausüben wie möglich. Ich vermute, dass viele unserer kommunistisch-anarchistischen Freunde dasselbe meinen, wenn sie betonen, jede Autorität abzulehnen. Und wenn für alle Menschen die Gleichheit der Bedingungen gesichert ist und unsere Ethik auf Vernunft basiert – dann nehme ich nicht an, dass wir das Heranwachsen einer neuen Autorität fürchten müssen, die den Platz der alten einnimmt, die wir zerstört haben werden – und die, erinnern wir uns, auf der Annahme beruht, dass Gleichheit unmöglich ist und Sklaverei eine Grundbedingung der menschlichen Gesellschaft sei. Und unterstellt, dass alle menschlichen Bedürfnisse entsprechend dem Maß des gemeinsamen Reichtums befriedigt werden: dann könnte man das als die politische Frage dabei bezeichnen, die sich aber dann von selbst erledigt hat.


Kommunismus und Anarchismus
Ich muss mich dafür entschuldigen, dass meine Antwort an meine Genossen sich so lange verzögert hat. Meine Reise zu dem Kongress in Paris und zu erledigende Geschäfte vor und nach diesem Ereignis sind hauptsächlich für diese Verzögerung verantwortlich. Ich möchte jetzt mein Möglichstes tun um den Freunden zu antworten, die an Commonweal geschrieben haben. Nebenbei muss ich vorausschicken, dass ich einen wesentlichen Druckfehler unkorrigiert habe stehen lassen: statt Moralisches Bewusstsein sollten meine Freunde lesen: Soziales Bewusstsein.
Und jetzt habe ich die eine Schwierigkeit in der Antwort auf meine Freunde, die diese Sache diskutieren, dass nach aller Wahrscheinlichkeit ich mich theoretisch sehr wenig von dem unterscheide was sie denken, aber beträchtlich von dem, was sie schreiben. Z.B. scheint mir Genosse Armsden auf meinen Gemeinplatz „du hast das Recht zu tun was du willst, solange du nicht das Recht deines Nachbarn einschränkst, zu tun, was er will“ mit einer Verneinung zu begegnen, was er eigentlich nicht meinen kann. Wie auch immer, ich versichere noch mal und versichere auch, dass das Soziale Bewusstsein, das jedem als gesellschaftlich geläufig ist, einen solchen individuellen Eingriff verbietet und weiter, dass ein Mensch ohne Gesellschaft nicht nur unmöglich ist, sondern undenkbar. Ich möchte deshalb sagen, dass ich annehme, dass der unglückliche Satzfehler von Moralisch statt Sozial das Argument meines Freundes von der Frage abgelenkt hat.
Genosse H. Davis missversteht meine Verwendung des Wortes Kommunismus, wenn er annimmt, dass ich es so verwende wie es die Oweniten taten: als Implizierung eines Lebens in separaten Gemeinschaften, ob als verstreute Sonderfälle innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft oder nicht. Dagegen benütze ich es als genaueren Ausdruck für Sozialismus und impliziere damit die Gleichheit der Bedingungen und daraus folgend die Abschaffung des Privateigentums. In diesem Sinn kann man natürlich nicht kommunistisch leben solange die jetzige Gesellschaft des Kapitalismus (oder des Vertrags) nicht an ihr Ende gekommen ist. Gleichheit, das Leben in kleinen Gemeinschaften ist nach der Lehre sicher kein Merkmal dieser großen Veränderung, obwohl ich wenig Zweifel habe, dass sie eine solche Lebensweise hervorbringen wird und große Städte dann verschwinden werden; was ich, genauso wie Genosse Davis, für höchst wünschenswert halte.
In seiner Replik auf den betrunkenen und nüchternen Philip meint Genosse Davis sicherlich nicht wirklich, dass irgendeiner gemeinen Person erlaubt sein sollte, den Rest der Bürger zu tyrannisieren ohne deren Widerstand – aber das ist es, was seine Worte bedeuten.
Zur Frage der Mehrheitsregel lasst uns die Sache noch einmal ansehen. Jede Regelung muss, wie Genosse Davis es sieht, eine Mehrheits-Regelung sein – z.B. die einer effektiven Mehrheit. Immer wenn eine Minderheit bestimmt, ist es, weil sie besser organisiert, besser bewaffnet, weniger dumm, energischer ist als die blosse Zähl-Mehrheit: diese effektive Mehrheit dominiert die ‚Minderheit‘ und solange sie diese beherrschen kann, wird sie es tun. Es wird die Zeit kommen und ich hoffe darauf, da das Soziale Bewusstsein so hoch entwickelt sein wird, dass Zwang unmöglich wird, sogar gegen einen Teil der Gemeinschaft: aber in jenen Tagen wird die Gemeinschaft aus Menschen bestehen, die so fest auf dem Boden des Kommunismus stehen, dass keine Chance für irgendeinen von ihnen besteht, auf irgendeine Weise seinen Nachbarn anzugreifen. Alle vernünftigen Menschen, wie sie sich auch nennen werden, würden diese Veränderung begrüßen und weil ich weiß, dass das nicht eintreten kann solange das Privateigentum existiert, erwarte ich sehr die Abschaffung des Privateigentums – und bin ein Kommunist.
Aber ich schätze mich nicht als Pessimisten ein, wenn ich mich gezwungen sehe, einen solchen Zustand der Dinge erst in einiger Ferne zu sehen. Was können wir in der Zwischenzeit tun? Ich erinnere mich, dass der bekannte Reisende Dr. Wolff, als er die Wüsten des Ostens bereiste, allein ein Zelt zusammen mit seinem handfesten griechischen Diener bewohnte, der sich üblicherweise an den Festtagen seiner Kirche vollaufen ließ und betrunken dann den armen Wolff verhaute. Er wehrte sich und sagte zu seinem Diener (ich zitiere seine Worte) „Du darfst dich entweder nicht betrinken oder wenn du betrunken bist, darfst du mich nicht schlagen“. Aber der Diener sagte zu Wolff, „ich werde mich betrinken und wenn ich betrunken bin, dann muss ich dich einfach schlagen“. Wolff als der physisch Schwächere musste es hinnehmen, aber wenn da zwei Wolffs gewesen wären, möchte ich weiterführen, dann hätten sie selber Gewalt angewendet und hätten sie dann das Trinken erlaubt, hätten sie sicher die Schlägerei zu Ende gebracht. Und tatsächlich denke ich so: wir alle hätten uns ähnlich verhalten und es pedantisch gefunden, einem Mann zu erlauben, zwei Männer zu verhauen. Und sicher ist es immer so: wenn sich das Individuum unsozial verhält, dann hat es in diesem Fall kein Recht gegenüber der Gesellschaft und hat es selbst verworfen.
Ich kann nur das, was ich in meinem ersten Artikel sagte, vollständig wiederholen: Wie stark die Assoziation auch in Einzelgruppen unterteilt sein mag, die Menschen werden sich in Verwaltungsangelegenheiten assoziieren müssen und manchmal wird es Meinungsunterschiede darüber geben, was getan werden soll. Beispielsweise: eine Gemeinde überlegt den Bau einer Brücke; manche sagen Ja, andere sagen Nein und bleiben bei der Meinung, nachdem alle möglichen Argumente gebracht wurden: was soll jetzt geschehen? Welche Seite soll nachgeben? Unsere anarchistischen Freunde sagen, es darf nicht von einer Mehrheit durchgesetzt werden – in diesem Fall wird sich dann die Minderheit durchsetzen. Und warum? Gibt es irgend einen heiligen Rechtsanspruch für die Position der Minderheit? ich kann das nicht finden, obwohl ich feststelle, dass diese Meinung auch von den Absolutisten vertreten wird.
Oder kehren wir noch einmal zum Prinzipiellen zurück. Unterstellt, eine Kommune beschließt, in ihrem Bereich die Lohnsklaverei wieder einzuführen. Soll das von der Mehrheit der Kommunen erlaubt werden? Sollten wir nicht Sklaven von ihren Herren befreien? Wenn nicht, warum sind wir dann heutzutage revolutionäre Sozialisten?
Ein mit „Anarchist“ unterzeichnender Freund stolpert über freiwillige und unfreiwillige Assoziation, wie ich glaube. Wenn alle Menschen gleich sind, dann wird das Geben und Nehmen meiner Überzeugung nach einen so großen Einfluss auf das Denken der Menschen haben, dass die Autorität der repressiven repräsentativen Institutionen (oder was immer an ihre Stelle treten wird) so vollkommen mit dem Sozialen Bewusstsein eins werden wird, dass es darüber keinen Disput mehr geben wird, weder prinzipiell noch über Einzelheiten, denn die Wenigeren müssten den Mehreren nachgeben – und ich möchte hoffen ohne Verbitterung. Der Leserbriefschreiber scheint nicht fähig zu sein, sich selbst außerhalb der bestehenden Umstände zu denken; gleichzeitig stellt er sich aber die Möglichkeit einer freien Vereinigung unter den jetzigen Umständen vor; eine ganz illusorische Hoffnung, denn die unter uns, die nicht privilegiert sind, haben nach der Pfeife der Privilegierten zu tanzen.
Genosse Blackwell schlägt vor: wenn es nicht wahrscheinlicher ist, dass die Mehrheit gegenüber der Minderheit recht hat (was ich zugebe), dann könnten sie ebenso eine Münze werfen. Ich widerspreche nicht; aber dann könnte es auch eine Meinungsverschiedenheit über diese Methode geben, und wie wird dann entschieden? Es ist sonderbar, dass Genosse Blackwell mit seinem Vorschlag, dass die größere der beiden unterschiedlichen Seiten in einer Angelegenheit der Verwaltung das Anliegen fallen lassen sollte, nicht sehen kann, dass das Sieg für die Neinsager bedeuten würde. In anderen Worten: bei jeder Frage, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist, kann ein Widerspenstiger immer verhindern, dass ein Vorhaben getan werden kann und damit in diesen Fragen die vollkommenste vorstellbare Minderheitenherrschaft errichten.
Die andere Seite der Hilfsmittel des Genossen Blackwell ist ein System dauernder Kompromisse, das, wenn überhaupt möglich, verhängnisvoll wäre, denn es würde jede vernünftige Arbeit und jeden Fortschritt verhindern, wenn sie nicht verabschiedet werden können.
Genosse Blackwell widerspricht meiner Kennzeichnung der Anarchisten-Sozialisten als diffus, liefert aber selbst ein Beispiel ihrer Unklarheit mit der Plattform des Kongresses von Pittsburg von 1883. Denn er fügte hinzu, „ich glaube, dass jetzt die meisten Mitglieder der Socialist League jedem dieser Schwerpunkte zustimmen“. Richtig, und jeder andere Sozialist auch, denn es ist nichts ausgesprochen Anarchistisches an ihnen. Und das finde ich ist oft der Fall mit Kommunisten-Anarchisten, sie können sich selbst nicht von den Kommunisten unterscheiden. Ihr Anarchismus besteht in einer irgendwie übertriebenen Furcht des möglichen Wiedererstarkens einiger der tyrannischen Methoden der überwundenen Gesellschaft und einem konsequenten Misstrauen dagegen, dass die neue Gesellschaft eine bestimmte Form haben soll. Auf der anderen Seite habe ich Anarchisten getroffen, die überhaupt nicht unklar bleiben und entschieden gegen den Kommunismus sind. Sie haben in der Tat mit kämpferischen Sozialisten gemeinsam, dass sie die organisierte Monopolherrschaft abschaffen wollen; sie sind für das unorganisierte Monopol oder die Herrschaft des stärksten Individuums; sie führen als ihr Motto „Jedem nach seinen Taten“, was die Aufrechterhaltung des Privateigentums ohne eine aufrechterhaltende Assoziation bedeutet – eine unmögliche und nicht auszudenkende Position.
Unsere Freunde, die diese Punkte diskutiert haben, stimmen – ich weiß – mit dieser Ansicht nicht überein, meinen aber, Kommunisten zu sein obwohl sie überall Stolpersteine finden. Für mich kann ich nur sagen, was immer uns die Gleichheit gibt, mit den möglichen Rückschlägen dabei, wird mich zufrieden stellen und ich halte das im Grunde für das Ideal aller Sozialisten. So meine ich, je weniger Parteinamen und Abgrenzungen wir haben, desto besser; damit genügend Raum bleibt für die unvermeidlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Temperamenten der Einzelnen und damit unterschiedliche Auffassungen zu keinem ernstem Streit führen.

Der erste Diskussionbeitrag erschien ohne Titel als „Correspondence“ in Commonweal, No. 175 vom 18. Mai 1889, der zweite in No. 188 vom 17. August 1889

Hier noch der einleitende Beitrag des Genossen Blackwell:
… So interessant die grundsätzlichen Artikel in Commonweal und Justice sind, so bin ich mir sicher, dass es eine große Gruppe von Sozialisten gibt, die wie ich es begrüßen würde, zur Abwechslung Beiträge in der Sprache des Betriebes oder der Straße lesen zu können, von Genossen, die etwas über das Wie und Wozu von Sozialismus und Anarchismus wissen wollen. Ich meine, dass die freundschaftliche Diskussion über unsere Meinungsverschiedenheiten als Kommunisten, Anarchisten und Sozialdemokraten entschieden nützlich ist für unsere gemeinsame Sache der Emanzipation der Arbeit.
Ich möchte die Aufmerksamkeit aller Genossen auf die Veränderungen in der Arbeit der spanischen Sozialisten aufmerksam machen, die auf einem Kongress in Valencia beschlossen wurden. Dabei denke ich auch an die neuere Tendenz der Socialist League in Richtung Kommunismus-Anarchismus. Die von den Delegierten einstimmig verabschiedeten Paragraphen, die danach von den einzelnen Gruppen bestätigt wurden, lauten wie folgt:
1. Unter Anarchismus verstehen wir einen gesellschaftlichen Zustand, der keines Staates bedarf. Wir sind überzeugt, dass solange das Prinzip der Autorität besteht, es keine Garantie für die Freiheit aller Mitglieder der Gesellschaft gibt. Das Prinzip der Autorität oder der Führung der Gesellschaft besagt, dass die, die sich assoziieren wollen, unfähig sind, selbst zu herrschen und es degeneriert immer zur Tyrannei. Die Soziologie beweist, dass der Mensch schon seine Mündigkeit erreicht hat und wert ist, alle Freiheiten zu geniessen; dass die Gesetze der Natur – die einzigen, die er akzeptiert – es ihm erlauben, diese zu geniessen. Das einzige Hindernis das dem entgegensteht, ist eine Frage der Interessen, der Monopole und Privilegien, die nicht von Vernunft oder Gerechtigkeit, sondern durch Betrug und Gewalt gestützt werden.
2. Da wir anerkennen, dass eine Gesellschaft nie vollständig anarchistisch sein kann, wenn in ihr der geringste Autoritarismus oder die geringste Unterdrückung bleibt, müssen wir auch die Abschaffung des Privateigentums und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen als Garantie der Freiheit erkennen.
3. Aus dem Gesagten folgt die Konsequenz, dass die revolutionäre anarchistische Organisation aus allen Individuen, Vereinigungen, Gruppen, Zirkeln, Zeitschriften usw. gebildet wird, die den Anarchismus akzeptieren, ohne Unterscheidung der revolutionären Mittel oder der ökonomischen Ansichten.
4. Da der Mensch frei sein soll in seiner Aktivität wie in seinem Recht auf Vereinigung und da die Gruppen und Individuen frei sind, Vereinbarungen mit anderen zu treffen und so zu handeln, wie es ihnen am Besten erscheint, um die beabsichtigten Ergebnisse zu erzielen, ohne irgendwelche anderen Behinderungen – werden keine anderen Regeln oder Vorschriften auferlegt und bei jedem Individuum, jeder Gruppe und der ganzen Organisation bleibt es, die Mittel zu untersuchen, die sie am geeignetsten finden, um die Sieg des Anarchismus zu sichern.
5. Wir glauben, dass es für alle Einheiten der Organisation sinnvoll sein wird, ein Zentrum für Austausch und Statistik zu haben: für den Informationsaustausch, für die Kommunikation und Abmachungen zwischen den Gruppen. Eine Art Clearing-Stelle der Organisation mit keinem anderen Recht oder Initiative; und die Einheiten der Organisation werden entscheiden, wie dieses Zentrum eingerichtet werden soll, aus welchen Menschen sie zusammengesetzt wird, über ihren Sitz, Dauer usw.
Diese Punkte enthalten viel überlegenswertes Material. Ich empfehle sie der Sorgfalt jener Mitglieder der League, die ihre Organisation stärker und entschiedener in ihrer Opposition gegen jedwede Autorität machen wollen. Und ich wage zu meinen, dass wir von den Genossen vom Kontinent noch einiges lernen können.
Brüderliche Grüße
James Blackwell

Eigene Übersetzung 2013

Dieser Beitrag wurde unter Texte von William Morris veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.